Kommentar von Dennis Riehle
Ich kann mich noch gut erinnern, wie man uns in der journalistischen Ausbildung die Publizistischen Grundsätze als Maxime für eine berufsethisch orientierte Arbeit mit Vehemenz und Deutlichkeit ans Herz legte – und dabei selten müde wurde, uns zu ermutigen, sie sich immer wieder neu zu vergegenwärtigen. Tatsächlich waren all diese Kriterien für eine sittliche Öffentlichkeitsarbeit aus meiner Sicht stets eine Selbstverständlichkeit, an die man sich nicht nur im Hinblick auf die Verantwortung gegenüber den Lesern und Zuschauern halten sollte. Sondern es war mir nur einleuchtend, dass ich lediglich dann mit meinem Gewissen und dem Anspruch an mich selbst im Reinen sein konnte, wenn ich wenigstens ein Mindestmaß an Integrität in meinem Agieren anstrebe.
Ich hätte es kaum für möglich gehalten, dass wir jemals in eine Situation kommen würden, in der die Zahl jener Kollegen in die Minderheit gerät, welche sich diesem hehren Ziel in ihrem täglichen Wirken verpflichtet fühlen. Und so gab es auch lange Zeit keine allzu schlechten Vorbilder, welche man sich vor Augen hätte führen können, um zu wissen, wie man selbst auf keinen Fall werden möchte. Doch in der Gegenwart reihen sich diejenigen aneinander, die ihre Seele an der Garderobe der Redaktion abgegeben haben – und all das erfüllen, vor dem man uns als Bankrotterklärung des eigenen Handelns gewarnt hatte. So findet sich mittlerweile nahezu stündlich ein weiteres Beispiel dafür, wie man es als Medienschaffender im Zweifel den letzten Funken Anstand preisgibt.
In diese Sammlung hinzugekommen ist nicht erst seit gestern der Kolumnist von „ntv“, Hendrik Wieduwilt. Er widmet sich wöchentlich dem Rückblick auf das politische Berlin – und lässt nahezu in jedem seiner Texte die große Verbundenheit mit der herrschenden Klasse erkennen. Bei der Lektüre seiner Einlassungen muss man sich gelegentlich tatsächlich versichern, dass diese Lobhudelei gegenüber den Etablierten nicht direkt aus dem Munde des Pressesprechers von Olaf Scholz oder Robert Habeck kommt. Während man bisweilen zumindest noch versucht hatte, die Anbiederung an die Regierung allenfalls im Hintergrund latent durchscheinen zu lassen, bemüht man sich heute überhaupt nicht mehr, die eigene Parteilichkeit zu verbergen.
So geschehen auch in einem Meinungsbeitrag dieses genannten Kommunikationsberaters, der möglicherweise in der Vielzahl seiner wechselnden Rollen gelegentlich vergessen mag, ob er aktuell nun als Megafon des Kanzleramtes oder als unabhängiger Betrachter von außen fungiert. Seine Antipathie gegenüber der kritischen Opposition zieht sich eigentlich durch alle seine Ergüsse, die er jetzt allerdings auf die Spitze treibt – und sich in einer über weite Strecken propagandistisch anmutenden Abhandlung dem von ihm prognostizierten Untergang der AfD zuwendet. Er sieht den Anfang des Endes derjenigen Partei, die momentan nicht aufgrund der vielen aufgebauschten und teils an den Haaren herbeigezogenen Skandalen unter massivem Beschuss steht. Sondern wegen des beharrlichen Engagements von Handlangern in der Presselandschaft, welche ihre Einflussmöglichkeit als vierte Gewalt dafür missbrauchen, Lügengeschichten und Märchenerzählungen zu verbreiten.
Was der Kommentator als Shitstorm bezeichnet, ist in Wahrheit eine vom staatlichen Machtapparat inszenierte, dirigierte und hofierte Kampagne zur Repression eines unliebsamen politischen Gegners, welche einerseits unverhohlen totalitäre Züge trägt – und sich andererseits Werkzeugen bedient, die sich manch ein Autokrat aus der Vergangenheit und Aktualität nur allzu gerne an die Hand wünschen würde. Die Alternative für Deutschland braucht dabei nicht das Opfer zu spielen. Denn sie ist tatsächlich zu einem vogelfreien Feindbild erklärt worden, welches sich durch rechtliche Gängelung und die Instrumentalisierung von Behörden wie dem Verfassungsschutz einer beispiellosen Tyrannei ausgesetzt sieht – die ihren Höhepunkt in der zutiefst verabscheuungswürdigen Dehumanisierung findet, mit der Vertreter von Gelb, Grün oder Rot Tätlichkeiten gegenüber „demokratischen“ Politikern brandmarken, sie im Umkehrschluss allerdings gegenüber den Blauen für angemessen und legitim halten.
All die Affären, welche vom Spendenskandal der nordrhein-westfälischen CDU bis hin zur Verurteilung eines ehemaligen SPD-Vizebürgermeisters wegen Missbrauch von Jugendlichen reichen, werden wiederkehrend nur allzu selbstverständlich unter den Tisch gekehrt. Und so verwundert es auch nicht, dass der Jurist Wieduwilt die Sanktionierung von Björn Höcke in Höhe von 13.000 Euro wegen der Verwendung von drei aneinandergereihten Vokabeln ebenso feiert wie die Bestätigung zur Einstufung der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall durch das OVG Münster. Mit einer Liste an vermeintlichen Sensationen zeichnet er offenbar unbewusst eine zum Kriminalroman taugliche Realität, in der sich nicht etwa diejenigen im Untergang befinden, welche man sich so gern von der Bildfläche verschwindend herbeisehnt.
Stattdessen spiegelt er das gigantische Aufwarten mit allen Mitteln der despotischen Kunst wider, das sich die sinkende Obrigkeit in ihrer Hilflosigkeit des Scheiterns und Versagens zunutze macht, damit sie doch noch bis in den Herbst 2025 durchhalten kann. Es ist schon einigermaßen armselig, wenn man in der Argumentation am Ende sogar noch das Bündnis Sahra Wagenknecht aus dem Hut zaubern muss, um den Abgesang auf die AfD untermauern zu können. Denn was sich der Autor als einen Frontalangriff vorgestellt zu haben scheint, entpuppt sich für den Außenstehenden mit ein wenig Restverstand als ein mühevoll abgerungener Beitrag, für den sich der Hofberichterstatter bei seinem Sender, vor allem aber im Elfenbeinturm viel Applaus erhofft.
Die Tendenziösität und Voreingenommenheit ist derart unübersehbar, dass es nur ein wenig Skepsis und Distanz bedarf, um zu dem Befund zu gelangen: Hier hat es sich ein progressiver Schreiberling in der wohlig warmen Homogenität der Haltungsjournaille bequem gemacht, dem es überhaupt nicht darauf ankommt, seinen Knicks gegenüber der Ampel in irgendeiner Weise zu vertuschen. Wer so offensichtlich einen Wettbewerber auf dem politischen Tableau denunziert und mit der Breitseite an unausgegorenen Halbwahrheiten und unverkennbaren Falschbehauptungen in die Bedeutungslosigkeit treffen will, muss schon länger nicht mehr in den morgendlichen Spiegel geblickt haben. Andernfalls könnte man die lobbyistische Doppelzüngigkeit nicht ertragen, mit der man um Rampenlicht und Aufmerksamkeit bettelt.