Kommentar von Dennis Riehle
Vor Gericht haben Zeugenaussagen oftmals nur einen geringen Wert, die vom Angehörigen eines Angeklagten stammen. Denn nicht nur im familiären Verbund gilt das geläufige Sprichwort, dass keine Krähe der anderen ein Auge aushackt. Und so ist es einigermaßen durchsichtig, wenn sich nahestehende Personen gegenseitig den besten Leumund und die größtmögliche Integrität attestieren. Eine solche Versicherung ist auf Wohlwollen und Sympathie, aber nicht auf Objektivität gebaut. Daher scheint es auch kaum an Lächerlichkeit zu überbieten, wenn man sich innerhalb des linken Haltungsjournalismus einander mit Preisen auszeichnet – und diese ausgerechnet für ein Werk verleiht über das sogar viele Insider ein vernichtendes Urteil ausstellen. Dass sich also das Magazin „Stern“ dazu entschieden hat, die Süddeutsche Zeitung für ihre Hetzkampagne gegen den Vorsitzenden der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, zu prämieren, welche ihn dem Spott und Hohn der Öffentlichkeit preisgeben sollte, stellt einen weiteren Höhepunkt in der Selbstbeweihräucherung einer sämtliche Sensitivität, Pietät und Identität an der Garderobe der Redaktion abgegebenen Systempresse dar. Die Investigativen der SZ hatten auf äußerst fragwürdigen Wegen eine Andeutung erhalten, dass sich der bayerische Minister in seiner Schulzeit der Verbreitung eines Flugblattes mit rassistischen und antisemitischen Einlassungen schuldig gemacht habe. Auf tönernen Füßen stehend, wurde auf Grundlage von gestreuten Gerüchten eine beispiellose Diffamierung im Vorfeld der Abstimmungen über die Zusammensetzung des Landtags in München angestoßen, an deren Ende nichts mehr übrig blieb von dem, was man einst an Anwürfen dargelegt hatte. Völlig abseits der Feststellung, dass es sich um ein Jahrzehnte zurückliegendes Ereignis handelte, verließ man sich ausschließlich auf die Erzählungen eines sich offen antifaschistisch und sozialistisch gebenden Ex-Lehrers, der augenscheinlich in der Enttäuschung und Frustration über seine eigene Lebensleistung nach einem Strohhalm suchte, um noch einmal im Rampenlicht stehen zu können.
Dass es angesichts der temporären Ferne hier wie dort zu Erinnerungslücken kam, ließ die Vorhaltungen immer weiter verwässern – und die Partei am Ende ein solides Ergebnis beim Urnengang einfahren. Substanzielles war zu keinem Moment gegeben. Stattdessen bediente man sich des Instruments der in den Publizistischen Grundsätzen ausdrücklich delegitimierten Sensationsberichterstattung, ließ Maßstäbe der Sorgfalt und Wahrhaftigkeit außen vor und präsentierte der Allgemeinheit eine vollkommen unausgegorene Geschichte, die nur so vor Verletzungen der berufsethischer Tugenden strotzte. Zahlreiche Gesprächspartner wurden anonymisiert – und damit in ihrer Glaubwürdigkeit herabgesetzt. Und auch die Unschuldsvermutung fand sich an keiner Stelle, obwohl dies der Kodex ausdrücklich einfordert. Man verstieg sich in größtmöglicher Einseitigkeit und Subjektivität, offenbarte den Anspruch an Unvoreingenommenheit und Untendenziösität. Es hat nicht nur einen korrumpierenden Charakter der Klüngelei, wenn Kollegen in einer wechselweisen Huldigung für ihre Arbeit applaudieren. Stattdessen manifestiert sich die Impression, dass wir in einer informationsmonopolistischen Gegenwart leben, in der nicht nur die Tagesschau für 17 Millionen Menschen eine Sendung in Einfacher Sprache produziert – sondern wohl auch die Naivität vorherrscht, dass der Leser und Zuschauer alles glaubt, was man ihm in einer moralisierenden, aufklärenden und erzieherischen Manier der intellektuellen Übergriffigkeit an plumpen Tatsachenverdrehungen, Falschbehauptungen oder Überzeichnungen einimpfen möchte. Viele dieser Muckraker unterliegen der wahnwitzigen Idee, dass sie allein aufgrund des Prädikates der „vierten Gewalt“ dazu ermächtigt und ermutigt seien, mit Indoktrination auf die souveräne Entscheidung des Bürgers und Wählers einwirken zu können. Das bewusste und gewollte Verfehlen des Auftrages ist stets mit der Konsequenz verbunden, als einstiger Garant für qualitativ hochwertige Recherche nicht mehr ernstgenommen zu werden.
Dass die Nachfrage nach einem Abonnement für die entsprechenden Formate sukzessive zurückgeht, sollte diejenigen nicht wirklich überraschen, welche bei einer kritischen, distanzierten und skeptischen Betrachtung der Praxis in den Schreibstuben der Republik zum rationalen Befund von ideologischem Filz, Seilschaft und Koterie innerhalb des Zeitschriftenmarktes gelangen. Gab es zu meinen aktiven Phasen noch Wettbewerb unter den unterschiedlichen Verlagshäusern, steht ihnen das Wasser heute derart bis zum Halse, dass man sich im Zweifel in einer symbiotischen Verbundenheit pusht. Heraus kommt dabei eine Homogenität an Kolumnisten und Kommentatoren, die man auch deshalb kaum mehr voneinander trennen kann, weil sie sich in ihrer politischen Korrektheit und dem weltanschaulichen Anstandswauwau so sehr ähneln, dass mehr oder weniger Verblendete Mühe damit haben, zwischen einem Fanclub-Mitglied von Robert Habeck und einem zumindest noch an Restverstand verfügenden Autor eines eigentlich unabhängigen Organs der im Ringen um Hoheit stehenden Blattmacher zu differenzieren. Wer heutzutage Schlagzeilen und Meldungen noch unhinterfragt für bare Münze hält, lässt sich unverhohlen auf eine Propaganda von eingeebnetem und kanalisiertem Regierungssprech ein. Entsprechend wird es auch maßgeblich auf die Verbraucher ankommen, inwieweit sich der Einheitsbrei in seiner Konsistenz weiter verfestigt. Denn auch wenn es bei uns noch immer eine indirekte Förderung für gewisse Formen der Journaille gibt, würde sich allein daraus keine finanzielle Grundlage ergeben, welche den dauerhaften Fortbestand sichert. So unterliegt es den Kräften im freien Markt, ihrer Lenkungsfunktion entsprechend reflektiert nachzukommen – und im Zweifel auf manch eine zur Gewohnheit gewordene Lektüre schon deshalb zu verzichten, weil die Verbreitung von Demagogie für einen aufrichtigen Bürger kein Ruhmesblatt sein kann. Wenn sich also nun zwei in nahezu nordkoreanischer Synchronität beklatschende Akteure dazu entschließen, ihrem Pendant weiße Weste zu geben – und damit jede Eigenständigkeit, Autonomie und Konkurrenz loszulassen, sollte dies Argumentation genug sein, wieder einmal den eigenen Medienkonsum zu hinterfragen.