Kommentar von Dennis Riehle
Lässt sich die deutsche Gesellschaft erpressen? In Zeiten einer zunehmenden Moralisierung in der Politik kann man insbesondere grüne Narrative auch deshalb weiterhin durchsetzen, weil ihnen von linken Parteien das Etikett des Guten, Richtigen und Hehren angehängt wird. So lässt sich ein Volk samt der Industrie aufgrund einer Klimahysterie zu umfangreichen Maßnahmen wirtschaftlicher Transformation bewegen, obwohl der gesunde Menschenverstand eigentlich sagt, dass ein solcher Umbruch unter Berücksichtigung von physikalischen Grundsätzen schon allein aus pragmatischen Belangen unnötig ist. Denn die Bundesrepublik alleine kann die Welt ohnehin nicht retten – auch wenn das der vegane Lastenradfahrer mit recycelbarer Wärmepumpe und biologisch abbaubaren Solarpanelen auf dem Dach behauptet.
Darüber scheint das CO2 für die Atmosphäre ungefähr genauso bedeutsam wie der umfallende Reissack in China. Immerhin haben Spurengase nicht umsonst ihren Namen bekommen. Unter dem Totschlagargument von Vielfalt, Toleranz und Nächstenliebe wird die Preisgabe der Rechtsstaatlichkeit hinsichtlich des Art. 16a GG vom Bürger noch immer in Kauf genommen, da uns ewige Schuld für Vergangenes suggeriert wird. Und so bleibt die Aufruhr gering, trotz der mittlerweile immer häufiger messerscharf in Erscheinung tretenden Bereicherung manch eines Migranten. Und weil unsere Freiheit angeblich im Donbass verteidigt wird, schicken wir immer neue Milliarden in die Ukraine. Wenngleich man sich bei einer etwas differenzierteren Betrachtung durchaus fragt, was wir konkret mit diesem Konflikt zwischen einem nicht einmal unmittelbar nebenan liegenden Nachbarn und Russland zu tun haben, involviert man uns unter fadenscheinigen Begründungen von Verantwortung, Solidarität und Brüderlichkeit weiter in die Gewaltspirale.
Doch Nötigung scheint auch bei Abstimmungen zu funktionieren. Da hatte der brandenburgische Ministerpräsident Woidke seine politische Zukunft mit dem Abschneiden bei den Landtagswahlen verbunden. Und weil eben doch der Stempel des Verfassungsschutzes im Raum war, dem Sozialdemokraten trotz seiner Parteizugehörigkeit ein großes Vertrauen entgegengebracht wurde und sich wohl der ein oder andere Souverän von der infantilen Androhung beeindrucken ließ, „wenn ihr mich nicht auf Platz eins wählt, dann gehe ich“, gewann die SPD trotz ihrer Unbeliebtheit im Bund hauchdünn vor der AfD. Dieser Befund ist auch deshalb bezeichnend, weil die Umfragen zuvor noch ein differenzierteres Bild gezeichnet hatten. Denn zeitweise lag die Alternative für Deutschland mit deutlichem Abstand vorne. Allerdings wurde auch von medialer Seite wieder alles getan, den nicht genehmen Spitzenkandidaten Hans-Christoph Berndt zu gängelnd und in Misskredit zu ziehen.
Erneut tat sich besonders das ZDF hervor, das mittlerweile sämtliche Ansprüche an Objektivität, Unabhängigkeit und Chancengleichheit an der Garderobe der Redaktion abgegeben hat. Der Moderator des „Morgenmagazins“ hatte ein beispielloses Interview mit dem Frontmann der unliebsamen Aussätzigen geführt, das vor journalistische Arroganz nur so triefte – und über weite Strecken eher einem Verhör statt einem Gespräch glich. Und nachdem sich Chefredakteurin Schausten bereits bei den Urnengängen in Thüringen und Sachsen mit einem zutiefst verstörenden Kommentar im Duktus der Parallelsetzung zwischen dem Votum in Erfurt und Dresden einerseits sowie dem Auslösen des Zweiten Weltkrieges andererseits hervortat, gab es nun auch in Potsdam einen befremdlichen Augenblick.
Beim Schaltgespräch mit dem Reporter auf der Grünen-Party, die angesichts des Ergebnisses eigentlich eher einer Beerdigung hätte gleichen müssen, schwadronierte dieser von einer Atmosphäre des Sieges auf ganzer Linie – und wirkte bisweilen so, als ob er den unnötig kalt gestellten Sekt alleine konsumiert habe. Denn für die Ökologisten gab es keinen Grund zur Erleichterung. Hatte man sich den Einzug ins Parlament doch wenigstens über ein Direktmandat erhofft, so zerplatzte auch dieser Traum im Laufe der Hochrechnungen. Somit sitzen im Plenum künftig nur vier Fraktionen, wobei den im Vorfeld wiederum als Faschisten Diffamierten wenigstens ihr Ziel des Erreichens der Sperrminorität geglückt ist. Mit 30 Sitzen kann sie bei wesentlichen Gesetzesentscheidungen blockieren. Und sie zwingt nach dem jetzigen Stand zu einer Koalition mit dem BSW. Denn Genossen und Konservative verpassen die notwendige Mehrheit um ein Mandat.
Da allerdings eine gewisse Routine in einem Dreierbündnis besteht, wird sich auch deshalb nicht allzu viel ändern, weil das Bündnis Sahra Wagenknecht mittlerweile unmissverständlich bewiesen hat, um der Macht willen im Zweifel auch manches Alleinstellungsmerkmal zu offenbaren. Dies dürfte insbesondere hinsichtlich der Asylpolitik so sein. Und da auf föderaler Ebene der Krieg im Osten des Globus nur eine bedingte Rolle spielt, wird es auch hier keine wesentlichen Hürden geben, die eine Allianz vorbei an der zweitstärksten Kraft verhindern könnten. Erneut wird der Wille der Menschen vor Ort nur bedingt abgebildet. Stattdessen bleiben die Brandmauern hochgezogen, obwohl man doch noch 1989 für deren Abriss protestierte. Bedauerlicherweise muss man ein gewisses „Weiter so“ befürchten. Erhebliche Auswirkungen auf die Verhältnisse in Berlin wird es nicht geben. Der Gewinner hatte sich frühzeitig und eklatant vom gleichfarbigen Bundeskanzler distanziert. Der CDU war bald bewusst, dass sie bei dieser Gelegenheit keinen großen Reibach wird machen können.
Daher hatte sich Friedrich Merz auch nicht besonders bemüht gezeigt, viel Kraft und Energie in diesen Termin zu stecken. Zumal er erst jüngst mit der Sicherung seiner Kanzlerkandidatur Tatsachen geschaffen hat, die sich bis zur Bundestagswahl wohl kaum noch verrücken lassen. Die deutlichen Zugewinne bei den Prozentpunkten der Alternative werden lediglich ihre Position in der Opposition stärken. Gerade bei etwaigen Besetzungen von Richtersesseln oder in der Anpassung der Verfassung kann man ein Veto einlegen, sodass dem Landesvater zumindest ein Durchregieren schwerer fällt als in dem bisher eher ruhigen Fahrwasser. Man mag als Resümee eine weitere Polarisierung und Spaltung unseres Miteinanders ziehen. Denn die Kluft zwischen Etablierten und Unbelasteten macht sich an den nahezu gleich hohen Balken der beiden Führenden auf den Grafiken fest.
Und wer das Ringen um die Kreuze auf dem Stimmzettel im Vorfeld beobachtete, der muss zwangsläufig zu dem Eindruck gekommen sein, dass es von Seiten der Alteingesessenen keinen Bedarf nach Versöhnung, Befriedung und Kompromiss gibt. Diese Feststellung ist eine bittere Pille für die Demokratie. Schließlich ist es ihr normalerweise immanent, unter sämtlichen Wettbewerbern um die besten Lösungen zu verhandeln. Doch mit der fortwährenden Ausgrenzung eines Konkurrenten tritt man nicht nur die Meinung von hunderttausenden Brandenburgern mit Füßen. Sondern lässt wieder einmal durchblicken, dass man mittlerweile eine ganz eigene Definition von Volksherrschaft entwickelt hat. Mitspielen darf nur der, den das Kartell als links genug ansieht, um den Einheitsbrei noch weiter zu verwässern. Eine Trendwende bleibt zwar aus. Aber blaue Nachtigall, ick hör dir trotzdem trapsen.