Kommentar von Dennis Riehle
Ich kann den Wählern der Union im Moment nicht viel abgewinnen – auch wenn ich selbstverständlich ihre Souveränität vor der Entscheidung für das Kreuz auf dem Stimmzettel respektiere. Gleichsam ist es nicht nur mit viel Risiko verbunden, einer Partei wie der CDU aktuell seine Stimme zu geben. Denn die Wahrscheinlichkeit wird nicht geringer, am nächsten Tag im gemeinsamen Ehebett mit der Grünen-Koryphäe Brantner aufzuwachen. Immerhin gibt sich gerade Friedrich Merz in der vergangenen Zeit überaus wankelmütig, unzuverlässig und unberechenbar. Auf der einen Seite macht sein Ziehsohn Linnemann die FDP als den Lieblingspartner aus.
Doch kurze Zeit später ist sich der Parteivorsitzende auf der anderen Seite doch wieder nicht zu schade dafür, den baden-württembergischen Ministerpräsidenten zu hofieren – oder in Richtung Baerbock, Banaszak oder Hofreiter Signale auszusenden. Dass er offenbar mit Frau Esken wenig gemeinhat, ließ er immer wieder durchblicken – weshalb die eigentlich auf der Hand liegende Große Koalition zumindest unter seiner Führung im Augenblick kein Thema zu sein scheint. Und sein Verhältnis zur AfD erweist sich ebenfalls als kaum tragfähig. Denn obwohl er in ihr den politisch gesehen größten Gegner erkennt, scheint er aber auch die in vielen Sachfragen ideologische Nähe nicht gänzlich verneinen zu wollen.
Und tatsächlich wäre es ratsam, die eigene Brandmauer hinaufzuklettern und sodann einen unvoreingenommenen Blick in das Programm der Alternative für Deutschland zu werfen, um anschließend feststellen zu können, dass der Brückenbau in diese Richtung deutlich kürzer ausfallen würde und ohne doppelmoralistische Umwege möglich wäre – als auf Teufel komm raus bei Habeck den Knicks zu machen. Doch spätestens seit Angela Merkel ist auch bei den Christdemokraten Rückgrat ein Fremdwort. Stattdessen ist die Anbiederung an die Zeitgeistigkeit und ein Abwenden von Pragmatismus und Vernunft mit dem Atomausstieg, mit dem „Wir schaffen das!“ oder mit dem Corona-Regime zu Tage getreten.
Seither haben selbst viele Stammwähler und Mitglieder Bauchschmerzen, wenn es um das Vertrauen in die Führung der CDU geht. Schließlich bleibt jedes Vertrauen aus, wenn beispielsweise in Thüringen nicht einmal mehr ausgeschlossen wird, zur Verhinderung einer Beteiligung der AfD mit den Linken zu koalieren. Dabei zeigt sich auf kommunaler und Landesebene immer wieder neu, dass eine punktuelle Zusammenarbeit mit den Blauen zu durchaus sinnvollen und stabilen Entscheidungen führen kann. Denn sie ist nicht wie im wahren Leben eine Liebesheirat, sondern meist ein Miteinander auf Zeit, in dem man sich vornehmlich verschreibt, das Beste für das Land und die Bevölkerung erreichen zu wollen – und nicht für das Team „Auch im Untergang gegen rechts“ die eigene Seele zu offenbaren.
Wer sich dem Menschenverstand verbunden fühlt und die Aussagen der Demoskopie ernstnimmt, der kommt nicht um das Gedankenspiel herum, auch auf Bundesebene ein Bündnis mit der Alternative für Deutschland entsprechend zu erwägen. Denn in schwierigen Zeiten braucht es den Schulterschluss der im Volk den meisten Rückhalt genießenden Kräfte, um zu weitreichenden und die Akzeptanz des Souveräns genießenden Maßnahmen und Entschlüssen zu kommen, welche sich gerade von dem in eklatanter Umkehr abheben, was die Bundesrepublik innerhalb von zwei oder drei Jahren an die Wand gefahren hat.
Sich stattdessen der größtmöglichen Verbiegung hinzugeben, um eigentlich diametral entgegenstehenden Weltanschauungen wie der des Ökologismus, des Genderismus oder des Sozialismus Avancen zu machen, ist ein Ausdruck von fehlender Haltung und eine Bankrotterklärung für einen Politiker, der sich oftmals als staatstragend gibt – aber im Zweifel wie ein Luftikus als Bettvorleger von Ricarda endet. Merz hat deutlich Lack gelassen, als er zu einem farbenspielenden Chamäleon mutierte. Man fragt sich als Außenstehender durchaus, welche Hirnwindungen man gegebenenfalls ausschalten und wie viele Augen zudrücken muss, um sich vorzustellen, wie die Forderung nach einer Abschaffung von Heizungsgesetz oder Bürgergeld mit den Grünen auch nur ansatzweise umgesetzt werden soll.
Und dann bleibt da auch noch der unionsinterne Streit. Denn auch wenn sich Söder menschlich mit seinem Kollegen Winfried Kretschmann gut versteht, scheint die Position aus Bayern doch einigermaßen klar zu sein. Will man also gegebenenfalls eine Spaltung zwischen den Schwesterparteien riskieren – wiederum nur aus dem einzigen Grund heraus, in keinerlei Berührung mit der AfD zu kommen? Eine konsequente Rückkehr zu den gesetzes- und verfassungsmäßigen Bestimmungen hinsichtlich der Migration, ein Ende von grenzenlosem Individualismus und Selbstbestimmung, ein Bekenntnis zu Sittlichkeit, Kollektivität und Verbindlichkeit oder eine Förderung von Identität und Wesenseinheit der Bürger sind angesichts dramatischer Abbruchtendenzen des deutschen Gefüges vonnöten.
Kein weiteres Aufspielen als Weltenretter, Kriegstreiber oder Ukraine-Loyalisten, eine Stärkung unserer Wirtschaft durch einen Stopp für die wirkungslose Transformation und Energiewende, eine Aufgabe des Ziels der lebensfeindlichen Klimaneutralität und einer vegan-diversen Kultur aus Sterilität und Schwammigkeit, Souveränität statt Bevormundung durch den Staat, Meinungsfreiheit und Informationspluralismus – all das wird man mit denjenigen nicht erringen können, die in ihren Ambitionen und Wunschvorstellungen ein Land am Boden liegen sehen wollen. Merz steht vor einer für seine Partei existenziellen Richtungswahl: Möchte er sich denen an den Hals werfen, die Ehrfurcht, Stolz und Würde für unsere Heimat mit den Füßen treten? Oder will er sich besinnen – und auf den rechten Pfad der Pflichttreue zurückkommen, damit er nicht in die Fußstapfen seiner unmittelbaren Vorgänger, sondern in die von Erhard, Kiesinger oder Adenauer tritt?