Kommentar von Dennis Riehle
In diesen Tagen müssen sich die Bürger in Acht nehmen. Da sind es nicht nur Messer und Macheten samt ihrer vielfältigen und bunten Besitzer, die ihnen in unseren Fußgängerzonen begegnen und einigermaßen unangenehm werden können. Auch die umherfliegenden Vokabeln einer aufgeregten Spezies, die in Schulzeiten den Geschichtsunterricht entweder regelmäßig geschwänzt hat – oder sich einfach nicht mehr an das erinnern können, was sie dort beispielsweise über die dunkelsten Kapitel unserer Historie gelernt haben, können zu einem ernsthaften Problem für ein Gefüge der mehrheitlichen Vernunft werfen. Und trotzdem werfen die Progressiven mittlerweile inflationär mit Kraftausdrücken um sich – und sind sich dabei nicht bewusst, in welcher dreisten und subtilen Perfidität sie das relativieren, was vor und nach 1933 geschah. Da ist es Saskia Esken, die die AfD kurzerhand als Kontinuum zu Joseph Goebbels sieht. Jan Böhmermann möchte die Nazis von heute gerne „keulen“. Der rote Co-Vorsitzende Lars Klingbeil scheint derart von einem wiederauferstandenen Führer überzeugt, dass er sich in Videos in eine selten peinliche Rage redet. Der Bundespräsident erklärt sie kurzerhand zu Rattenfängern. Und der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, fordert ein „totales Auslöschen“ dieser Alternative für Deutschland. Inwieweit der Einzelne jeweils in der Lage dazu wäre, seine Begrifflichkeiten auch in den Kontext einzuordnen und zu definieren, bleibt schon allein deshalb einigermaßen ungewiss, weil ihre leichtfertige Verwendung für ein Mindestmaß an Unkenntnis über ihre Ursprünge spricht. Es muss den noch lebenden Opfern der Diktatur wie Hohn und Spott vorkommen, dass man zweifelsohne totalitäre Gegebenheiten wie im Augenblick ohne Unterlass in eine Reihe derjenigen Ereignisse einordnet, welche zum grausamsten und bestialischsten Augenblick der Menschheitsgeschichte geführt haben. Schlussendlich zeigt das immerwährende Eindreschen auf Freunde, Kollegen und Nachbarn mit einer konservativen, patriotischen oder identitären Gesinnung nicht nur die Doppelmoral derjenigen auf, die sich stets als die Guten geben wollen.
Viel eher kommt es einer Verharmlosung des Dritten Reiches gleich, wenn man im 21. Jahrhundert in einer nahezu paranoiden Vorstellung an jeder Straßenecke den „Faschismus“ erblicken will. Einmal ganz unabhängig davon, dass dieser Terminus aus der einstigen Arbeiterbewegung entstanden ist, macht sich jeder einer Mäßigung der Vergangenheit mitschuldig, der die offensichtlichen Unterschiede zwischen damals und heute nicht zuerkennen bereit und fähig ist. Das naive und verblendete Festhalten an einem medial zum Skandal erhobenen Geheimtreffen von Anhängern des Konzepts der Remigration lässt doch tatsächlich den Eindruck der Parallelität zu den massenmörderischen Deportationen von Juden und anderen Minderheiten im Holocaust erahnen, welchen gerade jene beschönigen, die auf ihren Demonstrationen vor dem Brandenburger Tor wie die blökende Schafe „Nie wieder“ krakeelen. Dass man eine derartige Singularität auf der Zeitachse allein deshalb erneut am Horizont aufleuchten sieht, weil sich eine nicht unerhebliche Klientel in unserer Gemeinschaft die Rückkehr zu Regeln, Prinzipien und Gesetzen mit Blick auf Abschiebung und Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern ersehnt, ist an Revisionismus nicht mehr zu überbieten. Und so hat es fast schon pathologische Gestalt, dass sich nicht nur die Systempresse und das Establishment mit Zuschreibungen und Etikettierungen überschlagen, wenn sich nun in Brüssel eine Fraktion auf Initiative der Blauen bildet, die die nationalen Kräfte im Europäischen Parlament zusammenbringen soll. Man möchte den Wortschatz kaum wiederholen, der angesichts eines völlig normalen Vorgangs in einem demokratischen Gefüge von denjenigen ins Feld geführt wird, die auf der einen Seite vor einem Revival des Nationalsozialismus warnen – sich aber gleichzeitig aus individuellem Gebaren der Instrumente von Autokratie, Willkür und Repression bedienen. Denn gerade aus der EU gibt es wiederkehrende Vorstöße, die einzelnen Mitgliedsländer und ihre Völker durch Zensur und Gesinnungsjustiz auf Linie zu bringen, einzuebnen und informationsmonopolistisch zu kanalisieren.
So ist es nicht nur bezeichnend und entlarvend zugleich, dass sich die selbsternannte Elite der politischen Korrektheit und Aufgewecktheit hierzulande täglich neu mit kurzsichtigen, hanebüchenen und substanzlosen Versuchen der Argumentation an der Begründung abarbeitet, warum die kritische Opposition verboten werden muss. Schließlich war es beispielsweise ein grüner Philosoph, der den Souverän zu einem Testlabor für seine Versuchsanordnung einer obsessiv verordneten Transformation missbrauchte. Die Innenministerin zweckentfremdet eine Behörde, um Widersacher der Regierung zu beobachten – statt diejenigen im Blick zu behalten, die unsere derzeitige Ordnung durch ein Kalifat ersetzen möchten. Und eine Bundestagsvizepräsidentin bringt ihre ethnische Verachtung für die immanente Spezies zum Ausdruck, wenn sie einer allein mit „Weißen“ besetzten Mannschaft keine Erfolge im Fußball zutraut. All das wären genügend Gründe, besorgniserregende Entwicklungen zu bescheinigen, die an manche Kapitel in den beiden zurückliegenden Despotismen anknüpfen ließen. Dass sich aber gerade aus dem vermeintlich „rechtsextremistischen“ Spektrum niemand dazu aufschwingt, entsprechende Assoziationen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, das macht unmissverständlich klar, wer auf diesem Kontinent verantwortungsbewusster mit dem Gestern umgeht. Es ist in unserer Herrschaftsform weder verwerflich noch anrüchig, ein Bündnis mit jenen einzugehen, die einer Ideologie von Souveränität und Integrität unserer Staaten verbunden sind. Wer aus dem biblischen Vorrangigkeitsgebot die völlige Normalität ableitet, die tugendreiche und wohlklingende Nächstenliebe zunächst einmal dem Bedürftigen aus den eigenen Reihen zukommen zu lassen – ehe man sich mit den verbliebenen Ressourcen und Kapazitäten anschließend auch jenem aus der Ferne zuwendet, der dort aufgrund von Verfolgung in seiner Existenz bedroht ist -, handelt rational und pragmatisch. Wer hieraus dagegen irgendeine Fremdenfeindlichkeit zu konstruieren versucht, der muss von dem Virus der Toleranztrunkenheit befallen sein, welche im Zweifel zum Untergang des Abendlandes führt. Genau aus dieser Gefahr heraus ist es notwendig, legitim und erstrebenswert, auch in der europäischen Volksvertretung um eine starke Stimme zu wissen, die sich nicht von der Moralkeule und dem Vorwurf beeindrucken lässt, mit ihrem Bekenntnis zur Heimat auf ein verwerfliches Territorium vorgedrungen zu sein.