Kommentar von Dennis Riehle
Im Zuge meiner journalistischen Ausbildung und während meiner Berufszeit habe ich mich nicht selten unwohl gefühlt unter jenen Kollegen, die ihre politische Haltung nahezu wie eine Monstranz vor sich hertrugen – und auch dann nicht von ihr abließen, als es um die Prinzipien unserer Zunft ging. Obwohl man doch eingetrichtert bekam, dass wir als vierte Gewalt von den Tugenden der Sorgfalt, Objektivität und Echtheit geleitet sein sollten, machten schon damals viele Zeitgenossen um mich herum keinen Hehl aus ihrer dezidiert linken Weltanschauung. Dass der publizistische Tätigkeitsbereich schon immer ein Problem mit konservativen, bewahrenden und bürgerlichen Positionen hatte, das ist längst kein Geheimnis mehr. Strukturell war er seit jeher auf Progressivismus ausgerichtet, weil er sich in der Position der vierten Gewalt als etwas Besseres sieht. Dabei gibt es keinen Auftrag zur Moralisierung, Erziehung oder Manipulation des Publikums – was wohl noch immer diejenigen vergessen, die den Leser und Zuschauer zum Nachsinnen an die Hand nehmen wollen. Doch in einer Demokratie hat allein der Souverän das letzte Wort. Und so haben wir uns aus dem mündigen Abwägungsprozess über die Bildung einer eigenen Auffassung zurückzuhalten. Wir geben ausschließlich Meldungen, Fakten und Hintergründe weiter, die zweifelsohne in den geeigneten Genres auch kommentiert, interpretiert und bewertet werden können. Aber es ist ein fatales Charakteristikum, sich als Schreiberling in die Anmaßung zu versteigen, der Konsument habe am Ende die Auffassung zu übernehmen, welche man als willfähriger Muckraker selbst vertritt. Es geht um die Befähigung des Konsumenten, sich anhand von dargelegten Sichtweisen ein unabhängiges Urteil zu bilden. Genau deshalb muss es der wesentliche Anspruch an unser Tun sein, sich in größtmöglicher Skepsis, Distanz und Kritik gegenüber der herrschenden Klasse und dem Zeitgeist zu üben.
Denn Hofberichterstatter für die Regierung gibt es mittlerweile an jeder Ecke. An medialen Verteidigern und Anwälten der kritischen Opposition und einer zum Wokismus diametral zuwiderlaufenden Bewegung fehlt es dagegen offensichtlich. Dass also diejenigen immer weniger werden, die sich von ihrer persönlichen Sympathie und Aversion für oder gegen diese und jene Ideologie nicht beirren lassen, zeigt auch die rasante Zunahme an sukzessive immer weiter nach links rückenden Repräsentanten jener Blätter, Zeitschriften und Magazine, die eins als Garanten einer untendenziösen Presse galten. Ein in diesem Zuge besonders leuchtendes und gleichsam abschreckendes Beispiel für jeden Aktiven in der Öffentlichkeitsarbeit ist der Kolumnist der „Zeit“, Mark Schieritz. Seit Monaten und Jahren kann man dabei zusehen, wie er sich in seiner Mentalität immer weiter radikalisiert – und nicht nur in Anbiederung an Grüne, SPD und Linke verfällt. Stattdessen versteht er sich offenbar als Rächer der Guten, als der er ein öffentliches Klima ohne AfD und Nazis zu fördern motiviert scheint. Wie es auch die Marionetten am Brandenburger Tor nicht anders vermögen, gräbt sich der Autor immer tiefer in Antipathie und Hass hinsichtlich derjenigen ein, die die in unserer Verfassung verbrieften Rechte auf freie Wahl, Meinungsäußerung und Gesinnung wahrnehmen und ausreizen. Auch er hofiert ein krudes Bild unserer Staatsform, das sich von der Definition der Volksherrschaft schon alleine deshalb völlig entfernt hat, weil man offenbar willig und in der Lage scheint, gerade jene Grundsätze für den Schutz des liberalen Gemeinwesens über Bord zu werfen, die unser freiheitliches Miteinander doch ausmachen.
Wenn sich der eifrige Propagandist nun also dafür ausspricht, dass das Soziale Medium X „reguliert“ werden solle, weil dessen Besitzer nicht nur Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Trump ist, sondern das frühere „Twitter“ unter Elon Musk zu einem Sammelbecken von Verfassungsfeinden geworden sei, dann ist eine neue Stufe der Eskalation im Kampf um die Deutungshoheit von Schlagzeilen, Ereignissen und Nachrichten gezündet worden. Denn diese Perspektive der Filterung von Sachinhalt und Aussage nimmt ausgerechnet derjenige ein, welcher ausgerechnet auf dieser von ihm denunzierten Plattform überaus frequentiert und präsent unterwegs ist. Da will man in der mittlerweile gängigen Doppelmoral das verbieten, was man selbst für eigene Zwecke ausgiebig nutzt. Schlussendlich geht es um nichts Anderes als Zensur, wenn Schieritz dazu auffordert, die Gemeinschaft müsse sich gegen sogenannte „Desinformation“ wehren. Weder in den einschlägigen Strafgesetzbüchern noch in irgendeiner sonstigen Übereinkunft von allgemeiner Gültigkeit lässt sich eine Begriffserklärung darüber finden, was unter diesem inflationär gebrauchten Vokabular der „Fake News“ tatsächlich zu verstehen ist. Blickt man auf die Repressionsbehörden der Europäischen Union, so läuft von dort aus schon seit einiger Zeit ein gezielter Angriff auf die unbehelligte Rede. Denn letztlich ist das Bestreben unmissverständlich, wenn man zum Mundtotmachen derjenigen Bevölkerungsklientel anstachelt, die sich nicht auf den Kurs der Regenten in Berlin und anderswo einebnen lässt. Das Untersagen von unliebsamen Forderungen, Standpunkten und Lösungskonzepten für die tatsächlich drängenden Probleme im 21. Jahrhundert steht den totalitären Mechanismen der Diktaturen in der Vergangenheit in kaum etwas nach.
Viel eher dürften massive Insuffizienzgefühle, Unzufriedenheit über die persönliche Lebensbiografie und Leistungsbilanz, aber vor allem auch der Drang nach Macht und Einfluss wesentlich dafür verantwortlich sein, dass diejenigen keine abweichende Programmatik dulden können, denen eine Paranoia über das Aufflammen eines skurrilen Revivals von Nationalsozialismus und Faschismus innewohnt. Sie sehen die Gefahr für ein offenes Gefüge nicht etwa bei Feinden unseres westlichen Lebensstils und der abendländischen Tradierung, die sich dieser Tage nicht nur in Großbritannien mit Messern, Macheten und Äxten die Demonstration ihrer Ziele von Kalifat und Scharia zum Besten geben. Sondern es ist der einfache Mann, der sich im Internet über die Grünen empört, die Massenmigration und den Multikulturalismus ablehnt oder an Schwarz-Rot-Gold statt dem Regenbogen festhalten will, den man sanktionieren möchte. Dass sich auf genannten Portalen jene breitmachen, die mit der gezielten Streuung von Unwahrheiten ein Klima der Spaltung und Polarisierung vorantreiben, diesen Befund kann man tatsächlich nicht leugnen. Denn es gibt so viele Fanclubs der Regierung, die die Realität weiterhin nur selektiv wahrnehmen wollen – und deshalb am Ende all das als Lüge etikettieren, was den Absolutismus der Ampel ins Wanken bringen würde, dass man sehr wohl von einer Infiltration durch das Kartell sprechen kann. Ja, diese Entwicklungen sind das tatsächliche Übel, weil sie darauf ausgerichtet sind, jenseits der CDU keine legitime Warte, Betrachtung oder Dafürhalten mehr zuzulassen. Genau diese Kanalisierung auf einen Monopolismus der hehren und akzeptierten Blickwinkel ist wesentliches Merkmal autokratischen Gebarens. Und dieses hat mit Schieritz nun einen weiteren Handlanger gefunden, der sich vor dem morgendlichen Spiegel auf die Schulter klopft, weil er dem Untertan wieder einmal gezeigt hat, wie man heutzutage „richtig“ denkt.