Kommentar von Dennis Riehle
Was muss es für ein Hohn und Spott gegenüber den Opfern der nationalsozialistischen Diktatur sein, wenn sich in diesen Tagen ein Vokabular verselbstständigt, das stets dazu geeignet ist, die damaligen Verbrechen zu relativieren. Ohne Not sprechen selbst höherrangige Politiker mittlerweile in der Öffentlichkeit von „Faschisten“, wenn sie in Wahrheit Menschen mit einer wertkonservativen, identitären und patriotischen Gesinnung meinen. Manch ein Linker fühlt sich in seinen Vorstellungen in das Jahr 1933 versetzt, obwohl er selbst die damaligen Umstände nicht miterlebt hat. In ihm wohnt lediglich ein tiefsitzender Hass gegen alles, was sich jenseits von SPD und Grünen bewegt. Sogar bei derjenigen Partei, die sich wohl einst selbst eher im rechten Lager verortete, gibt es mittlerweile ins Rampenlicht drängende Vertreter einer Ideologie, die irgendwo zwischen Paranoia und Selbstprofilierung anzusiedeln ist. Denn da lehnt sich der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, in einer Dreistigkeit und Unverfrorenheit an die Wortgewalt des Dritten Reiches an, wenn er in seiner Verachtung, Missgunst und Tyrannei gegenüber der AfD deren „totales Auslöschen“ fordert. Der CDU-Mann aus der hintersten Reihe hat seine Niederlage noch immer nicht überwunden, dass er gegen die Alternative für Deutschland beim Erringen des Direktmandats versagte. Seither versteigt er sich tägliche neue Superlative – und macht damit Parolen hoffähig, für die Andere gerne einmal eine saftige Geldstrafe kassieren würden. Man muss sich bei der Interpretation seiner Einlassung durchaus die Frage stellen, ob er lediglich eine Institution von der Landkarte tilgen möchte – oder ob er sich möglicherweise sogar wünscht, dass ihre Anhänger, Funktionäre und Mitglieder in der Hölle schmoren.
Mit dem plumpen Ansinnen, seine Widersacher in Karlsruhe verbieten zu wollen, macht er sich schon allein aufgrund der von jeglicher Argumentation und Inhalt losgelösten Hetzjagd nicht nur lächerlich. Sondern er lässt auch ein Stück weit an seiner geistigen und kognitiven Verlässlichkeit zweifeln, wenn er sich in der Manier eines einstigen propagandistischen Ministers in einem Jargon äußert, zu dem ansonsten nur Saskia Esken gewisse Assoziationen vor laufenden Kameras herstellt. Was nutzt es also, wenn selbsternannte Verteidiger der Demokratie vor dem Brandenburger Tor „Nie wieder“ schreien – sich gleichzeitig aber unser Establishment von einer Parallelisierung zur nächsten aufschwingt? Wie drastisch müssen sich eine Verbitterung und Ernüchterung in eine Seele eingegraben haben, dass man die kritische Opposition nur noch mit Plakativen aus der Vergangenheit zu schmähen versucht. Liest man sich also den Antrag des Abgeordneten bis zum Ende durch – den er in das Plenum des Bundestages einbringen möchte, um dort einen entsprechenden Beschluss zu erwirken, wonach eines der zuständigen Organe ein Verfahren beim Verfassungsgericht anstrengt, um seine blauen Gegner welchen zu untersagen -, kommt man aus dem Staunen, Kopfschütteln und Mitleid für eine offensichtlich von jeglichem Pfad der Wirklichkeit abgekommene und gescheiterte Existenz nicht mehr heraus. Selbstredend fehlt es dort an jeglichen Nachweisen und Belegen, die eine konsequente, plausible und nachvollziehbare Grundlage dafür darstellen, weshalb die AfD die Werte unseres liberalen Gefüges untergraben sollte. Es waren die roten Roben selbst, die in ihrem Urteil zum damaligen Anlauf, ein Dekret gegen die NPD erlassen zu wollen, in einer unmissverständlichen Ausdrucksweise die passenden Pflöcke und Hürden eingeschlagen haben, um das schärfste Schwert in unserer Volksherrschaft anwenden zu können.
Denn es müssen schon gravierende Anzeichen für ein immanentes Begehren zum Überwinden unseres repräsentativen Systems vorliegen, die die schlüssige Überzeugung erlauben, eine Partei agiere beispielsweise gegen die Würde des Menschen oder den Erhalt der Souveränität unseres Landes. Hier genügen also keine aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate von etwaigen Amts- und Mandatsträgern, aus denen man in der Pauschalisierung den Eindruck reifen lässt, dass sich eine politische Kraft im Falle einer Übernahme von Macht und Verantwortung um die Preisgabe unserer Normen, Gesetze und Prinzipen bemüht. Insbesondere die Feststellung einer Behörde, wonach sich die Alternative für Deutschland zu einem Verdachtsfall des Extremistischen gemacht habe, reicht explizit nicht für ihre Verbannung von der Bildfläche aus. In welcher Kurzsichtigkeit müssen jene denken, die sich in ihrer Utopie einer von der AfD befreiten Zukunft wohl tatsächlich erhoffen, dass deren Wähler nach einem positiven Ausgang der Verhandlung vor der Justitia ohne Umschweife zu den Ökologisten überlaufen. Bislang ist es nicht gelungen, konkludente und konkrete Anhaltspunkte vorzulegen, die aus der verkorksten und anrüchigen Formulierung eines sich auf dem Abstellgleis der Geschichte befindlichen Feind der Alternativen eine Verallgemeinerung auf die breite Peripherie und ihrer Vertreter an der Spitze zulassen würden. Mit dem Vorwurf, man verfolge mit dem Konzept der Remigration die Rückführung sämtlicher Personen mit einem migrantischen Wurzeln, lockt man mittlerweile nur noch die völlig Verblendeten und Naiven hinter dem Ofen hervor – die darüber hinaus in der festen Annahme verharren, dass es nicht etwa die Ampel mit ihrem totalitären Gebaren der Repression, Zensur und Gängelung ist, die unser Miteinander bedroht. Der nun im Kreuzfeuer stehende und zum Freiwild deklarierte Wettbewerber, welcher sich landesweit laut Umfragen stabil auf dem zweiten Platz hält, scheint stattdessen der einzige ernstzunehmende Anbieter, der die Beteiligung des Einzelnen durch eine Weiterentwicklung der derzeitigen Partizipationsmöglichkeiten in Richtung plebiszitärer Verhältnisse fordert. Und so bedient sich nicht nur Wanderwitz des denunziatorischen Instruments des Rollentauschs, den allerdings jeder durchschauen dürfte, der seit Habeck, Scholz und Lindner genug von Märchenerzählungen hat.