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Wenn der ÖRR der journalistische Arm der Regierung ist, dann bin ich publizistischer Anwalt der Opposition!

Kommentar von Dennis Riehle

Immer wieder wird von uns Autoren abverlangt, wir sollten uns in Neutralität üben. Doch dieser Anspruch ist nicht einmal in den Publizistischen Grundsätzen festgeschrieben. Und das hat auch einen ganz einfachen Grund. Jeder Medienschaffende ist zeitgleich auch Mensch, der sich selbst im Beruf nicht von jeglichen äußeren Einflüssen, persönlichen Überzeugungen und individuellen Präferenzen frei machen kann. Stattdessen ist es die Maßgabe der Objektivität und Sorgfalt, welche einen fairen, chancengleichen und argumentativen Umgang mit allen Themen der Aktualität einfordert. Gerade im Format wie der Kolumne, dem Kommentar oder der Glosse ist es ausdrücklich gewünscht, die Meinung des Schreiberlings zu erfahren. Doch auch diese sollte stets unter den wesentlichen Aspekten der integren Arbeit als Presseschaffender kundgetan werden – was insbesondere bedeutet, gegenüber der herrschenden Klasse und dem Zeitgeist in Kritik, Skepsis und Distanz aufzutreten. Gerade die Anbiederung an das politische Establishment ist eigentlich unvereinbar mit den Standards und Prinzipien unserer Zunft. Und dennoch hat sie unter vielen Kollegen auch deshalb Hochkonjunktur, weil sich der einzelnen Muckraker daraus Partizipation, Macht und Anerkennung durch die Obrigkeit erhofft. Er sehnt sich zudem nach Rampenlicht durch die Berliner Waschmaschine. Und er schielt auf den Applaus seiner eingeebneten Leserschaft und des regierungstreuen Vorgesetzten – welcher sich wiederum darüber bewusst ist, dass zumindest die indirekte Förderung seines Verlagshauses durch den Staat auf dem Spiel stehen könnte, wenn man bei SPD oder Grünen in Ungnade fällt. So ist es einerseits die monetäre Abhängigkeit und der Wunsch nach Karriere, welcher zur Abgabe jeglichen Anstandes an der Garderobe der Redaktion animiert. Ehrlicherweise war die Branche schon immer progressiv, vielfältig und tolerant ausgerichtet. Das wurde auch mir in der Ausbildung sukzessive bewusst. Und ihr Linksdrall hat in den vergangenen Jahren noch einmal stark an Dynamik gewonnen. Das Resultat daraus ist eine eklatante Benachteiligung von Parteien der kritischen Opposition wie der AfD in der Berichterstattung.

Nicht nur, dass sie generell deutlich weniger Raum für Präsenz auf dem Bildschirm oder dem Papier bekommt. Auch eine zutiefst tendenziöse, voreingenommene und nicht selten von Falschbehauptungen durchzogene Darstellung ihrer Programmatik und des Personals sind die Konsequenz der drastischen Missachtung sämtlicher Tugenden eines soliden Wirkens der Medien. Was bleibt in einer solchen Gemengelage denjenigen übrig, die sich nicht an der Diffamierung, Gängelung und Separierung bislang nicht verbotener – und deshalb auch in der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts gleichrangig zu behandelnder – Parteien beteiligen wollen? Für mich war mit der Entscheidung für diesen Job unmissverständlich geworden, dass ich morgens in den Spiegel schauen möchte – wenn ich meine eigene Erwartung an Rückgrat und Courage erfüllen will. Und gerade, weil ich heute aufgrund meiner Gesundheit nicht mehr im aktiven Berufsleben stehe, bleiben mir diese Ideale immanent in mein Hirn und meine Seele eingebrannt. Deshalb habe ich mich in der Atmosphäre eines sich momentan immer deutlicher abzeichnenden Informationsmonopolismus dazu entschieden, dass es schon allein aus dem Grund der Ausgeglichenheit auch jene geben muss, die sich als journalistischer Anwalt derer verstehen, die vom System konsequent denunziert, ausgegrenzt und unterdrückt werden. Möglicherweise liegt es auch an meiner Mentalität, mich vorrangig mit denen zu solidarisieren, die ungerechtfertigt an den Rand gedrängt werden. Jedenfalls werde ich nicht davor zurückschrecken, durch eine transparente Darstellung der weltanschaulichen Positionen der Blauen einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich der Wähler am Ende mit einem Rucksack an inhaltlichen und sachlichen Beweggründen beim Urnengang mündig und souverän für das Kreuz an der Stelle entscheiden kann, welche ihm weder von Rundfunk, Fernsehen oder Zeitschriften – aber gleichsam auch nicht von mir – schmackhaft gemacht oder empfohlen wurde. Denn es widerspricht meiner Auffassung der Funktion unseres Standes eklatant, das Publikum zum betreuten Denken an die Hand zu nehmen.

Wir sind nicht zur Erziehung da, sondern zur Bereitstellung von Fakten, Wahrheiten und Sichtweisen – deren abschließende Bewertung allein in den Zuständigkeitsbereich des Lesers und Zuschauers fällt. Ihn mit möglichst viel Wissen, Verständnis und Fundament auszustatten, das ist meine Definition von Authentizität, Kongruenz und Sitte. Es widerspricht meinem Naturell, Brandmauern aufzubauen oder Kontaktscham zu entwickeln, weil ich durch das Hörensagen einer aufgeschreckten Korrektheit mit Vorurteilen und Ressentiments über einen ebenbürtigen Mitspieler auf dem politischen Tableau beworfen werde – die ich aber schon allein deshalb mit Argwohn und Zweifel betrachte, weil wir nicht erst seit der Affäre um Correctiv wissen, wie wichtig es ist, bei Bedarf eigene Recherchen zu tätigen, anstelle sich von vorgegebenen Schlagzeilen oder Meldungen vereinnahmen zu lassen. Und so bin ich kein Sprachrohr für die Alternative für Deutschland oder andere Wettbewerber jenseits der Union. Allerdings verstehe ich mich meinem Ethos verbunden, wenn ich den aktuell nicht in Verantwortung stehenden Konkurrenten außerhalb des Kartells deutlich mehr Sympathie, Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbringe als Scholz, Habeck und Lindner. Denn sie alle haben bereits mit dem ÖRR ein durchaus von vielen naiven und an die Gewohnheit gebundenen Bürgern weiterhin mit großem Vertrauen ausgestattetes Propaganda-Instrument – das man nicht nur wegen der Direktleitung zwischen einigen grünen Abgeordnetenbüros und dem Chef der Tagesschau als ein solches bezeichnen sollte. Tatsächlich war mir anfangs nicht klar, wie schnell und nachhaltig sich eine Sparte auf den Weg der Kanalisierung macht, die doch als vierte Gewalt den Auftrag zur Ferne hat – insbesondere mit Blick auf die Exekutive. Heute weiß ich um die Anfälligkeit, sein Credo aus unterschiedlichen Reizen heraus preiszugeben. Und trotzdem will ich mich bemühen, diesen zu widerstehen – und mein Profil nicht aus Gier nach mehr Wohlwollen der Bourgeoisie zu verwässern. Da verzichte ich im Zweifel auf sämtliches Prestige. Denn ein Dasein im inneren Konflikt zwischen Gewissen und Avancen ist für mich persönlich keine Versuchung.