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Von Wechselwählern, Ersttätern und Potenzialen: Die AfD hat viel richtig gemacht, aber doch noch Luft nach oben!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „So wird die ‚Wählerwanderung‘ ermittelt“ (aus: MDR vom 03.03.2025)

In meinem familiären und freundschaftlichen Umfeld war die Debatte vor der Bundestagswahl 2025 hitzig. Denn im schwarz-grün geprägten Konstanz galt seit jeher als gesetzt geltende Prämisse, sich entweder für die Konservativen oder die Ökologen zu entscheiden. Doch auch in der südbadischen Provinz kommen Realitäten an, die man zumindest bei einem gewissen Restverstand nur schwerlich aus der Wahrnehmung drängen kann. Ob es nun Messerattentate oder andere Gewaltdelikte sind, das Ringen um eine Wohnung, das Konkurrieren für einen Termin beim Arzt, das Drängeln auf der Behörde oder das insgesamte Gefühl, in der eigenen Heimat fremd zu sein: Es machte sich Nachdenklichkeit breit. Und weil ich für einige meiner Nächsten im Bekanntenkreis der Einzige war, der sich dazu bekannte, sein Kreuz bei der AfD zu setzen, war ich vielen Fragen, Neugier und Widerspruch ausgesetzt. Am Ende von vielen Gesprächen waren zumindest sieben Personen zu den Blauen gewechselt, zwei entschieden sich, statt bisher Rot nun Gelb zu wählen. Für Robert Habeck sprach sich niemand mehr aus, Friedrich Merz bekam noch zwei Stimmen. Die Bereitschaft, überfällige Tugenden hinter sich zu lassen und für eine frische Mentalität der Veränderung einzutreten, war allerorts spürbar. Doch nicht immer reichten Mut und Courage aus, gegen die Routine anzugehen.

Trotz Brandmauer und Kontaktscham hatte sich trotzdem ein ungewöhnlich hoher Anteil entschlossen, von einer oftmals Dekaden andauernden Praxis abzusehen – und sich auch nicht von der Moralkeule beeindrucken zu lassen, mit der man in der Gegenwart von den vermeintlich Guten drangsaliert wird, erkennt man die Alternative für Deutschland als einen normalen Wettbewerber auf dem Tableau an. In vielen Fällen war es nicht einmal mehr bloße Unzufriedenheit und ein daraus resultierendes Protestvotum. Der Wandel hin zu einem anderen Anbieter erfolgte aus purer Überzeugung, dass es nur mit einer diametralen Umkehr zu Problemlösungen kommen kann. Denn die Verblendung des Souveräns durch Zuhilfenahme von Unterstützern wie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder der NGOs geschah mittlerweile derart offensichtlich, dass sich nur noch jener vereinnahmen lassen konnte, der in einer gewissen Einfachheit auch den paradiesischen Märchenerzählungen aus unserem Wirtschaftsministerium glaubt. Die Motivation, als sogenannter „Ersttäter“ beim Urnengang der bisherigen Tradition zu entsagen – und sich auch mit einem gewissen Stolz auf das eigene Rückgrat zu emanzipieren -, lag nicht zuletzt in der bitteren Erkenntnis, dass nach Merkel und Scholz aus einem Altparteienkartell keine Radikalität im Umsteuern erwachsen kann.

Es war also vielfach der Überdruss, nicht aber das kleinere Übel, aus dem heraus Alice Weidel neue Schichten an sich binden konnte. Die um sie gescharrten Kandidaten für den Einzug ins Parlament waren mit großem Engagement dabei, die Unterschiede klarzumachen, welche vor allem zwischen ihnen und der CDU den Ausschlag geben. Irritierend blieb auf den letzten Kilometern, dass die Kanzlerkandidatin das Wort „Remigration“ nur äußerst ungern in den Mund zu nehmen schien – und sich daneben lediglich zu der wachsweichen Formulierung und Feststellung hinreißen ließ, man verfolge eine „konservativ-libertäre“ Programmatik. Etwas mehr Selbstbewusstsein zu einer dezidiert rechten Ausrichtung hätte auch deshalb nicht geschadet, wartete doch insbesondere die Jugend darauf, gegen die massiven Schieflagen des 21. Jahrhunderts klare Konzepte, Perspektiven und Gehstrecken an die Hand zu bekommen. Sich explizit an Randgruppen wie Migranten oder Homosexuelle zu wenden, um den Schein zu wahren, man sei anschlussfähig und nicht rassistisch, hat für einige Verwunderung gesorgt. Schließlich mangelte es deshalb an einer Ansprache gegenüber dem Durchschnittsbürger, der sich vor allem mit Blick auf Krieg und Frieden, soziale Gerechtigkeit, Bildung und Prosperität noch mehr an Inhalt erhofft hatte. Insgesamt war daher das Resultat des 23. Februar solide, aber für die Zukunft ausbaufähig.