Kommentar von Dennis Riehle
Eigentlich sind Kurzsichtigkeit und Nachhaltigkeit die größten Widersacher. Denn während man im einen Fall nur bis morgen denkt, sind im anderen Fall zukunftsfähige Konzepte gefordert. Weil wir nun aber in einer Zeit leben, in der die Doppelmoral zu einer Tugend geworden ist, lassen sich gegensätzliche Pole durch Schwurbelei und Märchenerzählungen schnell miteinander in Einklang bringen. Da gewähren wir Migranten aus aller Herren Länder bei fehlender Bleibeperspektive und nicht ersichtlichem Fluchtgrund einerseits Schutz und Obdach, weil Toleranz das höchste der Gefühle in einer Welt des vermeintlichen Gutmenschentums darstellt. So scheint die merkelianische Bringschuld, wonach für den Deutschen stets das Geben seliger ist als das Nehmen, zu einer ewigen Verdammnis in die Entbehrlichkeit geeignet.
Dass durch diese Mentalität ausgebreiteter Arme und unendlicher Willkommenskultur unsere eigene Freiheit sukzessive beschränkt und durch die radikale Überzeugung des Fremden nach und nach über Bord geworfen wird, das hat Popper bereits in seinem Paradoxon vorhergesehen. Ähnlich naiv ist die Manier geschlechtlicher Selbstbestimmung bis hin zum täglichen Identitätswechsel. Man gewährt dem Individuum größtmöglichen Entfaltungsspielraum, landet dann aber im Zweifel in einer gemischten Sauna, in der plötzlich sexuelle Begierde, Anschmeichelung und Übergriffigkeit auch deshalb als legitim betrachtet wird, weil der biologische Mann sofort „Diskriminierung“ krakeelt, sollte er auf den Betrug als transempfindende Frau angesprochen und in Frage gestellt werden.
Und es ist nicht zuletzt das Engagement für den Klimaschutz, bei dem ökologische Fanatiker allenfalls bis zum planerischen Ende ihres Reißbretts denken, wenn sie Atomkraftwerke in der Ukraine als sichere Zukunftstechnologie preisen, nukleare Meiler bei uns dem Erdboden gleichmachen und in einer bodenlosen Unverfrorenheit bei den Nachbarn um Strom betteln, wenn sich ausgerechnet in der düsteren Jahreszeit plötzlich und völlig unerwartet eine Dunkelflaute einstellt. Da stehen sie nun also, die Windräder und Photovoltaikanlagen, für die ganze Wälder gerodet und riesige Fundamente ausgehoben wurden. Schnell einmal brennen sie nieder oder zerreißen die Artenvielfalt in der Luft. Und ließen sie unsere Äcker nicht völlig brach und ungenutzt liegen, könnte man den Mondlandschaften sogar etwas Künstlerisches abgewinnen.
Doch Robert Habeck wird uns selbst dann noch ihre Bedeutung für die Umwelt und die energetische Transformation verklickern, wenn die Elektrizität nicht nur stundenweise, sondern regelmäßig ausfällt. Ein einstiger Exportweltmeister und wirtschaftliches Vorbild findet sich in einer ähnlich prekären Lage wie Kuba oder andere sozialistische Regime wieder, weil Ideologie im Zweifel sogar mit der Brechstange verordnet wird. Was nicht funktioniert, wird passend gemacht. Und zumindest so lange, wie ein Betrieb nach dem nächsten lediglich die Produktion einstellt, statt auch offiziell Insolvenz anzumelden, dürfte die Philosophie eines Kinderbuchautoren in den Köpfen gut situierter Wähler, blökender Schafe und willfähriger Marionetten auch weiterhin verfangen.
Mittlerweile sind wir international derart isoliert, dass nicht nur Schweden einen Brast auf uns schiebt. Das verkopfte Vorgehen ohne Rücksicht auf die Netzstabilität des gesamten Kontinents ist nicht nur ein zutiefst unsolidarisches Verhalten der Bundesrepublik. Es offenbart vielmehr die Gründe für das prinzipielle Scheitern politischer Visionen, die in einem abgeschotteten Elfenbeinturm entworfen werden, aber nie die Möglichkeit hatten, auf ihre Funktionalität getestet zu werden. Stattdessen lässt man unausgegorene Ideen auf die Bürger los, die nicht nur durch das Heizungsgesetz einer faktischen Enteignung ins Gesicht schauen müssen. Sie sind die Versuchskaninchen für den eigenzentrierten Narzissten im Wolkenkuckucksheim einerseits. Und der Goldesel für die Erneuerbaren-Industrie andererseits.
Viel eher zahlen wir uns dumm und dämlich, weil die Märtyrer des perspektivischen Wetters vergessen hatten, rechtzeitig eine Übereinkunft mit Petrus auszuhandeln, der sich nicht grundlos einigermaßen unbeeindruckt von all dem Engagement zeigt, das wir zugunsten des 1,5-Grad-Ziels an den Tag legen. Weder die lebensfeindliche Einstellung, mit einer Reduktion der Emissionen von CO2 auf null werde irgendetwas Signifikantes an unserer Atmosphäre geändert, um die Licht- und Wärmereflektion im Sinne eines weniger schnellen Ansteigen der Temperaturen zu beeinflussen, kann irgendetwas an den seit Jahrmilliarden andauernden Schwankungen gedreht werden. Noch wird sich der Heilige Geist darauf einlassen, auch des Nachts die Sonne scheinen und selbst im Sommer die Stürme aufziehen lassen.
Es sind also Fanatiker rund um den Globus, die auf Teufel komm raus den völligen Niedergang proben, um anschließend einen Neustart zu wagen, der die Zivilisation denkbar übelsten Sterilität wieder aufbaut. Die Selbstüberschätzung mit Blick auf ein austariertes Gefüge, das sich seit Anbeginn der Tage immer wieder eigens regulierte und in Balance zurückkehrte, lässt sich nur mit Egomanie, Herrschsucht und Geltungsdrang erklären. Da geht es nicht um ein einziges Wölkchen oder zusätzlichen Regentropfen am Himmel, sondern schlichtweg um das Ausüben von Repression, Gängelung und Bevormundung. Die Mächtigen wollen wieder einmal die Zügel anziehen und uns als Marionetten tanzen sehen. Sie haben Freude an dem obsessiv verordneten Verzicht, weil sie selbst davon kaum tangiert werden. Und deshalb wohl nicht locker lassen, bis der kleine Mann endlich aufmuckt.