Kommentar von Dennis Riehle
Eigentlich gilt in einem Rechtswesen der Grundsatz, dass jedes Handeln der Obrigkeit auf einem Paragrafen basieren muss. Doch spätestens, seit die Europäische Union zu einer mit dem demokratischen Verständnis der Gewaltenteilung nicht in Einklang zu bringenden Ermächtigung einigermaßen inflationär umgeht, weder durch die Legislative noch Judikative hinreichend legitimierte Verordnungen als verbindlich für die einzelnen Mitgliedsländer zu diktieren, scheint es vorbei mit einer angemessenen parlamentarischen Mitsprache und gerichtlichen Kontrolle dessen, was Ursula von der Leyen und ihre Kommission auf dem Reißbrett an Maßnahmen zu Zensur, Repression und Einebnung entwerfen. So ist es das bürokratische Monster namens „Digital Service Act“, welches als Befugnis herangezogen wird, um tiefgreifende Einschnitte in wesentliche Werte des liberalen Miteinanders zu verteidigen. In diesem Zusammenhang verwundert die aktuell ergangene Zulassung eines für den technisch wenig versierten Menschen nur schwer zu begreifenden Instruments unter dem nebulösen Titel „REspect! Trusted Flagger“ kaum noch – zumal die Genehmigung von jener Administration erteilt wurde, deren Chef in enger Wesensverwandtschaft mit Minister Habeck steht. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, dementierte zwar, dass künftig unsichtbare und intransparente Mechanismen darüber entscheiden, was im Internet an Meinungsäußerung stehen bleiben darf. Doch eine anderslautende Recherche steht trotzdem weiterhin im Raum.
Und so bleibt abzuwarten, ob es nicht doch die Apparatur sein wird, welche unbehelligte Rede über verschiedene Wege der in Verantwortung genommenen Anbieter von Social Media ohne irgendeine verbindliche oder in unseren gültigen Normierungen festgesetzte Begründung zu löschen anordnen darf. Es sind Schlagworte wie „Desinformation“ oder „Hassrede“, die sich weder in unserem Strafgesetzbuch wiederfinden, noch über eine gesellschaftliche und konsensuale Definition verfügen. Hier wird schamlos im luftleeren Raum agiert, weil man sich ohnehin darüber bewusst ist, dass eine unabhängige Überprüfung dieses totalitären Gebarens im Zweifel nicht nur einen langen Zeitraum in Anspruch nimmt – sondern zunächst einmal in Gang gesetzt werden müsste. In einem Geflecht aus Meldestellen und unter der Androhung von hohen Zwangsgeldern wird ein Wesensmerkmal der Volksherrschaft zerrieben, welches es zuletzt in der DDR besonders schwer hatte. Doch nicht einmal Honecker und Ulbricht kamen auf die Idee, die Entscheidung über Gut und Böse in die künstlichen Hände des Zufalls zu legen. Es ist ein Höchstmaß an Beliebigkeit erreicht, wenn in der Virtualität all das eliminiert wird, was unter die neu geschaffene Kategorie der „Staatsdelegitimierung“ fällt. Es ist also schlichtweg das Ende kritischen Denkens und skeptischen Artikulierens – insbesondere gegenüber den Grünen und ihres gesamten Dunstkreises, weil nicht zuletzt deren enge Verwobenheit bis nach Brüssel seit jeher bekannt ist.
Und auch hierzulande betreiben sie ein enges Gefüge zwischen Regierung und NGOs, die kurzerhand in die Lage versetzt werden, weitreichende Befugnisse wahrzunehmen, welche normalerweise nicht einmal unsere Exekutive besitzt. Es ist einigermaßen bizarr, empörend und skandalös, ein Verbot der AfD unter dem Verweis herbeizusehen, die Blauen wollten aggressiv und kämpferisch die repräsentativen Verhältnisse abschaffen. Gleichzeitig jedoch selbst in Sachen Despotie weit über das hinauszugehen, was die zweite Diktatur im 20. Jahrhundert an Drangsal und Tyrannei zu leisten vermochte. Über den Umweg der Räterepublik fahren die mittlerweile für die Erstattung von hunderten Anzeigen ein Dauerabonnement bei den Ermittlungsbehörden innehabenden Ökosozialisten geradeaus in Richtung Absolutismus. Das gottgleiche Schweben des Vizekanzlers steht stellvertretend für ein mit heißer Luft aufgepumptes Selbstbewusstsein, das allerdings von einer enormen Dünnhäutigkeit umgeben ist. Denn wer austeilt, der sollte auch einstecken können. Doch statt über vermeintlichen Beleidigungen zu stehen, überhäuft man – welch Zufall – ausgerechnet diejenigen mit sinnloser Arbeit, die sich eigentlich darum kümmern sollten, den Scherbenhaufen des Multikulturalismus zusammenzukehren. Die immensen Kollateralschäden einer Ideologie können auch deshalb nicht mehr sachgerecht aufgearbeitet werden, weil die dafür zuständigen Beamten mit Bagatellen von ihrem ursprünglichen Job abgehalten werden.
Zusätzliche Personalknappheit führt im Zweifel dazu, dass der Messerattentäter voreilig als schuldunfähig betrachtet wird – damit gegebenenfalls mehr Kapazität zur Verfügung steht, den über die Figürlichkeit mancher kommissarischen Spitzenkraft witzelnden Ottonormalverbraucher volle Breitseite mit Faesers Kavallerie am frühen Morgen zu besuchen. Und so wäre Horch und Guck zu Freudentränen gerührt, könnte er diese rührenden Momente der Vorführung unbescholtener Bürger miterleben, die sich auch deshalb im Autoritarismus wiederfinden, weil sie überhaupt nicht mehr einschätzen können, was in unseren Breiten unter Art. 5 GG fällt – und ab wann man zum potenziellen Opfer von Big Brother wird. Es ist also zu einem Lotteriespiel geworden, ob der Einzelne mit seinem Werturteil gerade noch von Haldenwangs Gnaden profitieren darf – oder 120 Tagessätze aufgebrummt bekommt. Die Verlässlichkeit als unabdingbarer Bestandteil offener Systeme ist futsch. Stattdessen gilt die Anarchie der Elitären, von deren Gunst Milde und Strafe abhängig sind. Wer sich unter diesen Gegebenheiten nicht in Schrecken, Furcht und Potenz wiederfindet, der pflegt entweder seine immanente Liebe zum 7. Oktober 1949. Oder weiß sich als Mitglied einer Partei in der Gewissheit, Narrative ohne Gefahr der Sanktion ausbringen zu dürfen, die dem Nazi den Tod an den Hals wünschen – aber Aufgebrachtheit einfordern, wenn der Wärmepumpe die Daseinsberechtigung abgesprochen wird. Irrsinniger kann es kaum noch werden, wobei man gerade heute nie „Nie wieder“ sagen sollte.
[…] Trotz Dementi der Bundesnetzagentur: Mit „REspect“ wird Art. 5 GG zur Ermessenssache! […]