Kommentar von Dennis Riehle
Wenn ein Mensch Gefallen daran findet, seine persönliche Frustration und Ernüchterung über die eigene Lebensbiografie an einem Bildnis von Jesus und Maria auszulassen und ihnen auf einer Malerei in den Kopf schießt, dann könnte man dies als ein postinfantiles Bemühen zur Kompensation von Insuffizienzgefühlen werten und abtun. Doch solche Ausreden und Rechtfertigungen sind dort unangebracht, wo eine Person bisher stets wusste, was sie tut – und sich in ihrer moralischen Überheblichkeit beharrlich zur Diffamierung des politischen Gegners aufschwang. Sanija Ameti steht mit ihrem Verhalten exemplarisch für die charakterliche Abstumpfung einer von ideologischer Arroganz getragenen Gesellschaftsklientel, die sich als etwas Besseres gibt – obwohl deren Selbstbewusstsein nicht nur auf Sand gebaut ist, sondern sich vor allem aus heißer Luft speist. Wie armselig und bemitleidenswert scheint ein Gebaren, das nicht ohne Grund einen symbolischen Wert aufweist, wenn es sinnbildlich für die Denunziation, Verdrängung und Negierung der christlichen Prägung steht. Diese Tendenz zeichnet sich nicht erst seit gestern ab. Denn während die Wokeness vor dem Islam einen Knicks macht und die Straßen während des Ramadan beleuchtet, den Weihnachts- zu einem Wintermarkt umbenennt und im Kindergarten nicht mehr „O du fröhliche“, sondern „Wir haben uns alle lieb“ singen lässt, nimmt sie auf das Empfinden von Protestanten und Katholiken nur noch wenig Rücksicht.
Der Anschlag auf Einheit und Identität entpuppt sich als eine perfide Strategie in der Verteidigung des seit langem gescheiterten Multikulturalismus. Wer sich mit einer derartigen Vehemenz von seinen Wurzeln und Ursprüngen löst, dass er den Glauben der Mehrheit zu einer Zielscheibe degradiert, hadert offenbar nicht nur mit Fundamenten und Brauchtümern. Stattdessen ist der immanente Wunsch nach Überwindung der europäischen Ethnie und ihrer Lebensweise ein psychologisch relevanter Ausdruck von Dissoziation, der sich als eine stellvertretende Verachtung gegenüber jenen individuellen Überzeugungen und Auffassungen entlarvt, welche man deshalb nicht guten Gewissens annehmen kann und will, weil sie der Ideologie von grenzenloser Gnade und Barmherzigkeit gegenüber allem Fremden und Unbekannten zuwiderlaufen. Wem es an einem inneren Seelenfrieden mangelt, der befindet sich in einem ständigen Ringen um Authentizität und Echtheit. Die Herabwürdigung von Normen, Sitten und Anstand ist ebenso verwerflich wie die blasphemische Missgunst, die man auch deshalb öffentlich zur Schau stellt, weil man sich von seinesgleichen Applaus für Mut und Courage erhofft, den Orthodoxen in seinen heilsgewissen Gefühlen provoziert, gekränkt und bloßgestellt zu haben. Es spricht für eine Profanität und Simplizität, sich an der Lehre und dem Vertrauen einer Gruppe abzuarbeiten, die im Gegensatz zu manch einem anderen Monotheismus zumindest in der Gegenwart zu den Friedenstiftern und Versöhnern gehört.
Welch eine Schwäche stellt es dar, sich an einer Geisteshaltung zu vergehen, die man aus dem Antrieb der Unterjochung dem Gewehrfeuer preisgibt. Wir befinden uns inmitten eines Kampfes um die Deutungshoheit des Morgen. Glücklicherweise erwachen immer mehr Schafe aus der Verklärung, unsere Nationen würden durch eine Expansion des sarazenischen Machtanspruchs bereichert. Man muss nicht in puritanischer oder pietistischer Manier leben, um Anstand und Respekt vor der Spiritualität des Nächsten zu haben. Stattdessen gehört es zu einem Wesensmerkmal der liberalen Demokratie, majoritäre Verhältnisse zu tolerieren. Und das gilt insbesondere auch mit Blick auf die vorherrschende, repräsentative Verteilung religiöser Bekenntnisse, die noch immer eindeutig ist und keinen Zweifel daran zulässt, welche sakrale Handschrift und Beschaffenheit unsere Breiten trotz zunehmender Kirchenaustritte noch immer tragen. Wem es nicht gelingt, die konfessionelle Wirklichkeit zu würdigen, der exkludiert sich aus freien Stücken in einer Gemeinschaft, die bis heute um ihre dominierende Tradierung weiß. Und so mag es eine gewisse Schadenfreude und Genugtuung für den außenstehenden Beobachter sein, wenn sich nun diejenigen ins Abseits stellen, die bislang an der Spitze einer Bewegung von Ausgrenzung und Separierung der Andersdenkenden standen. Es braucht eine konsequente Ächtung jeglicher Bemühung, Integrität und Souveränität eines Miteinanders zu erodieren. Und dabei spielt es keine Rolle, ob es um politische, weltanschauliche oder frömmige Belange geht. Denn das Diktat der Gottlosen kann nicht verbindlich sein für ein Gefüge, das sich Abendland nennt.