Kommentar von Dennis Riehle
Der Verrat ist eine der größten Untugenden. Denn er geht mit der Offenbarung einer Person oder einer Sache einher, auf die man eigentlich vertraut hatte. Jede Beziehung kann an einem solchen Verhalten des Einzelnen zu Bruch gehen. Immerhin lebt eine tragfähige Vereinbarung von Optimismus, Glaube und Zuversicht. Entsprechend gab es ein Aufatmen, als die CDU noch vor nicht allzu langer Zeit versicherte, dass sie im Falle einer Machtübernahme nach der nächsten Bundestagswahl wesentliche Gesetze der Ampel wieder abschaffen wolle – unter anderem auch die Heizungsreform. Doch wie tragfähig Zusagen in der heutigen Politik sind, das erleben wir immer öfter nicht nur im unmittelbaren Vorfeld und Nachgang von Wahlen. Sondern auch inmitten der Legislaturperiode, welche aktuell bis höchstens September 2025 dauern wird. Da drückt also Friedrich Merz in einem offenbaren Geheimtreffen mit Robert Habeck die Bereitschaft aus, sich nicht nur für eine Koalition mit den Grünen offen zu zeigen. Sondern auf ganzer Linie in deren ökologische Transformation einzusteigen – die auf dem Reißbrett entworfen wurde, planwirtschaftliche Struktur besitzt und von verkopfter Ideologie getragen ist. Da wird über ein milliardenschweres Sondervermögen für den Klimaschutz gesprochen, über das der Minister im Anschluss bereits derart überzeugt spricht, dass man fast vermuten könnte, es habe in den Hinterzimmern bereits eine Absprache über den ersten Entwurf für den Fahrplan eines Auberginen-Bündnisses gegeben. In der Bibel krähte der Hahn, als Jesus verleugnet wurde.
In der Realität des 21. Jahrhunderts schweigen hingegen die Leitmedien über diese scheinbar bereits weit fortgeschrittenen Verhandlungen – und verpassen es damit, die Preisgabe des Volkes gegenüber einer neue Unsummen verschlingenden Programmatik als das zu benennen, was sich in Wahrheit dahinter verbirgt. Es ist ein eklatanter Verstoß gegen demokratische Richtlinien, wenn sich rund 15 Monate vor der nächsten Abstimmung jene Machtgierigen aus dem Konsortium der Alteingesessenen auf eine etwaige Zusammenarbeit verständigen – ohne auch nur ansatzweise zu wissen, wie das Resultat am Tag der Entscheidung sein wird. Man schlägt dem Wähler ins Gesicht – denn man wird im Zweifel ohnehin das machen, was man will. Der Missbrauch von Einfluss und die Entrechtung des Souveräns sind an Dramatik kaum zu überbieten. Da verkauft derjenige, der Angela Merkel für ihre laxe Politik kritisiert hatte – und mit Vehemenz versprach, die Fehler aus ihrer Regierungszeit korrigieren zu wollen -, erneut die Seele seiner Partei. Denn es ist kaum vorstellbar, dass sich unter den Konservativen eine prinzipielle Bereitschaft zeigt, mit dem ideologisch noch am weitesten entfernten politischen Gegner ohne allzu große Not ein Gefüge zu bilden. Damit würde sich die Christdemokratie vollends der Weltanschauung des Ökologismus hingeben – und mit Milliarden die Erneuerbaren-Industrie subventionieren, obwohl man doch eigentlich Technologieoffenheit versprochen hatte. Wie schnell man das Profil verwässern und sich an einen Partner anbiedern kann – mit dem noch vor Monaten jegliche Kooperation aus programmatischen Gründen unmöglich schien -, ist schon einigermaßen beeindruckend, ernüchternd und verärgernd. Denn selten gibt es so frühzeitig den Judas-Effekt, der nun zumindest auch all diejenigen in der CDU wachrütteln sollte, die erst jüngst unüberwindbare Hürden zu den Grünen attestiert hatten.
Sollte es zu dieser Vereinigung der beiden Wettbewerber kommen, ist nicht nur ein „Weiter so“ vorprogrammiert. Sondern wir dürften uns auf haushalterisch höchst prekäre Abschlüsse einstellen, die mit großer Wahrscheinlichkeit erneut in Karlsruhe vorgelegt werden müssen. Denn da dürfte ein Schattenbudget nach dem nächsten installiert werden, um die Traumfantasien unseres höchsten Philosophen befriedigen zu können – und unsere Landschaft noch viel mehr als bisher für die Fundamente von Windrädern zu roden, die Artenvielfalt in der Luft zu zerreißen, ganze Ackerflächen mit schwarzen Photovoltaik-Wüsten zu verschandeln und in den sensiblen Ökosystemen wie dem Wattenmeer LNG-Leitungen schamlos zu verlegen. Doch nicht nur hinsichtlich dieses Themenbereichs müssen wir hellhörig werden. Immerhin dürften sich auch zwei Kontrahenten zusammenfinden, die mit Blick auf die Verteidigungspolitik einen eskalierenden Kurs fahren. In Sachen Migration verweichlichen die Ansprüche und Forderungen der Union täglich weiter. Und auch bei der inneren Sicherheit könnte es zu einem Stillstand kommen – wenn die eine Seite zumindest stärkere Grenzkontrollen fordert, die andere Seite aber jegliche Abschiebung ablehnt. Schon heute könnte die Überschrift für den Koalitionsvertrag besiegelt werden: „Vier weitere Jahre Wortbruch – und wir sind stolz darauf!“. Es liegt nun am Gewissen derjenigen, die noch immer die CDU als mögliche Option auf dem Stimmzettel in Erwägung ziehen. Ein Kartell der Etablierten könnte tatsächlich den ökonomischen, kulturellen und sozialen Untergang für Deutschland bedeuten. Und dies sollte man auch nicht beschönigen.