Die Meinung von Dennis Riehle
Wie hältst du es mit der Demokratie? Diese Frage muss man gerade in der Gegenwart vor allem denjenigen Bürgern und Parteien stellen, die unsere Staatsform zu einer Verhandlungsmasse degradieren. Denn neuerdings gibt es insbesondere aus dem Blickwinkel der Grünen sowohl „ihre“ wie auch „unsere“ Volksherrschaft. Dabei ist es doch das einzig unverrückbare Wesensmerkmal in einem repräsentativen System, dass die vom Souverän ausgehende Gewalt weder diskutabel noch abstufbar ist. Und so läuft es jeglichen Prinzipien, Normen und Werten unserer liberalen Grundordnung konträr, die Entscheidungshoheit der Gemeinschaft nach gesinnungsethischem Gutdünken relativieren zu wollen. Zweifelsohne kann es anstrengend oder gar eine Zumutung sein, in einem solchen Gefüge auch jene Meinungen, Auffassungen und Standpunkte hinnehmen zu müssen, zu denen man selbst eine diametral abweichende Überzeugung einnimmt.
Diese Veranstaltung der Freiheit, die wir uns nach zwei Totalitarismen in der Vergangenheit leisten, ist kein Wunschkonzert. Wer sich nach absoluten Zuständen sehnt, weil er es nicht ertragen kann, dass an seinen Konzepten, Vorschlägen und Lösungen Kritik geübt wird, der ist nicht nur der sachlichen Debatte unfähig. Stattdessen war es seit jeher ein Ausdruck von blanker Hilflosigkeit, schlichtem Unvermögen und ideologischem Bankrott, sich gegen Wettbewerber nur durch Zwang, Zensur und Zwietracht durchsetzen zu können. Und deshalb bleibt das Agieren der Etablierten gegen die AfD ein stupides und infantiles Mittel geistiger und intellektueller Einfalt. Ihnen fehlt es an Argumenten, einen Widersacher im Diskurs zu stellen. Brandmauern gehören in den Kindergarten, Kontaktscham in den Sandkasten. Denn wer dem politischen Gegner seine Förmchen und Eimerchen an den Kopf wirft, dem mangelt es an der Bereitschaft, sich mit Ursachen und Beweggründen zu befassen, die das eigene Scheitern erklären.
Zwar wird die Alternative für Deutschland mittlerweile nicht nur aus Protest gewählt. Trotzdem profitiert sie von der Unzulänglichkeit eines Kartells, das im Zweifel Killerphrasen und die Moralkeule auspacken muss, um eine Diskussion über Inhalte im Keim zu ersticken. Doch dass Potenz und Diktat nur so lange funktionieren, wie der Dornröschenschlaf einer naiven und lethargischen Schafherde andauert, die sich von investigativen Märchenerzählungen von Seiten des Correctivs oder eine Ampel-Koalition beeindrucken und Sand in die Augen streuen lässt, zeigt sich am sukzessiven Erwachen immer mehr Menschen, die einen recht einfachen Mechanismus verstanden haben: Je dreister und forscher man den Konkurrenten unterdrückt, ausgrenzt und brandmarkt, desto mehr Prozente wird er bei den nächsten Umfragen einfahren. Und so ist es eine rationale Erkenntnis, die aktuell die ehemalige Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht, formuliert hat.
Sie warnt davor, der Alternative für Deutschland ihre parlamentarischen Rechte vorzuenthalten – und spricht sich für einen Mentalitätswechsel aus, der die Blauen als respektablen Wettbewerber um die Gunst des Einzelnen anerkennt. Vielerorts bröckelt eine weltanschauliche Grenzlinie, die bei nüchterner Betrachtung an der völlig falschen Stelle verlief. Denn besinnt man sich auf die Ursprünge, so trennt sich das linke vom rechten Lager nicht etwa zwischen AfD und CDU. Ohne Scheuklappen müsste man eingestehen, dass der Brückenschlag zwischen Merz und Habeck um Längen schwieriger ist als der von Weidel zu Söder. Doch weil nicht sein kann, was nicht sein darf, stehen sich zwei Blöcke gegenüber, zwischen denen es angesichts der dramatischen Herausforderungen für die Republik normalerweise Symbiosen zu finden gilt. Und so ließe sich in Sachen Migration oder Transformation deutlich mehr verwirklichen, suchte man beispielsweise in Erfurt wenigstens die punktuelle Zusammenarbeit vom Erst- und Zweitplatzierten, statt in einem Bündnis der Verlierer.
Wer den Anderen aus dem Aspekt des Zeitgeistes eklig empfindet, der mag Applaus von jenen bekommen, die sich selbst schon länger nicht mehr gewaschen haben. Denn nicht nur der Wind hat sich gedreht. Auch die tagesaktuelle Realität in unseren Fußgängerzonen, Schwimmbädern und Parks ist in einer dramatischen Weise am Kippen. Die Angst geht um, das nächste Opfer von Messerattentätern oder Gruppenvergewaltigern zu sein. Doch die schöne bunte Vielfalt glänzt mit immer neuen Pull-Faktoren, die eben nicht nur friedliebende Verfolgte um des Schutzes willen anziehen. Wer die Verklärung über die Zustände im Land aufrechterhält, der macht sich mitschuldig an all dem, was vom ÖRR verschwiegen und von den progressiven Globalisten zum Einzelfall kleingeredet wird. Deshalb schlägt die Stunde der Wahrheit, die jene nutzen können, denen noch irgendetwas an unserer Zukunft liegt. Vielleicht sind es der Pragmatismus und die Weitsicht manch eines Erfahrenen, der dazu mahnt, dem postpubertären Gebaren ein Ende zu bereiten. Und sich endlich wie Erwachsene zu benehmen.