Ob nun als russisches Narrativ oder bürgerlicher Protest gegen die Grünen: In diesen Tagen kursiert ein neues Schlagwort in unseren Breiten. Wer sogenannte Desinformation bekämpfen will, ohne zuvor einen gesellschaftlichen Konsens über die Definition der mittlerweile in aller Munde befindlichen „Fake News“ herbeizuführen, handelt beliebig, willkürlich und ohne Mandat. Absolutismen kann es in einer Demokratie nicht geben. Entsprechend sind abweichende Meinungen prinzipiell ein zu schützendes Gut, solange sie nicht die Grenze des tatsächlich Sanktionierbaren unmissverständlich überschreiten. Rechtsstaatlichkeit kennzeichnet sich in einer freiheitlichen Grundordnung durch das Prinzip der größtmöglichen Bereitschaft zur Akzeptanz von Widerspruch. Deshalb ist der Rahmen dessen, was zulässig und vertretbar ist, so großzügig zu gestalten wie möglich. Subjektivität und Befindlichkeit sind kein Gratmesser für die justiziable Einordnung von Gesagtem. Deshalb ist bei Bedarf immer davon auszugehen, dass die für den Entsender einer Botschaft entlastendste Konnotation, Intonation und Suggestion gilt. Entsprechend ist sogar das, was nach objektiver Auffassung als strafrechtlich relevant eingestuft werden könnte, so lange zu tolerieren, wie der Zweifel an einem Werturteil nicht gänzlich ausgeräumt werden kann. Hier haben sowohl das oberste Verfassungs- wie auch das Verwaltungsgericht unmissverständliche Pflöcke eingeschlagen.
Gerade gegenüber einer Privatperson ist die Anforderung an Tatsächlichkeit seiner Äußerungen deutlich zu senken. Dagegen liegt die Richtlinie der Medien weitaus höher. Sie ist unter anderem von den Publizistischen Grundsätzen flankiert, welche Sorgfalt, Eindeutigkeit und Richtigkeit erwarten. Entsprechend sollte sich dieser Tage der Appell gegen Fehlinformation zunächst einmal in der Streichung sämtlicher Fördergelder für das sogenannte Recherchezentrum „Correctiv“ ausdrücken. Deren Investigativjournalisten haben in einem beispiellosen Skandal der Verzerrung, Übertreibung und Lüge für eine Aufruhr in der breiten Masse gesorgt, die von der Regierung und einer Landschaft an den Berufsethos verleugnenden Presseschaffenden animiert, unterstützt und gepusht wurde. Hier ging es also nicht mehr um die Frage darüber, wie bestimmte Aussagen interpretiert oder gelesen werden sollen. Sondern um das bewusste, willentliche und gezielte Publizieren und Verbreiten von Nachrichten, die sich bei einer kritischen Prüfung und durch das Eingeständnis der Handelnden selbst als Täuschung, Manipulation und Unwahrheit herausstellten. In totalitären Verhältnissen geschieht solch ein Manöver meist unter größtmöglicher Geheimhaltung. Im Deutschland des Jahres 2024 sind despotische Züge dagegen augenscheinlich.
Wenn wir uns dem Engagement für mehr Ehrlichkeit und weniger Beeinflussung in der Kommunikation verschreiben möchten, dann beginnen wir mit der Entlarvung einer mittlerweile nicht mehr nur gemutmaßten, sondern beispielsweise durch eine Grünen-Politikerin offen zugegebenen Infiltration in die Berichterstattung der Tagesschau hinsichtlich der Priorisierung der „Demonstrationen gegen rechts“. Gleichzeitig sollten wir abklopfen, warum es immer wieder zu zufällig vorbeikommenden Passanten in unseren Innenstädten kommt, die am Mikrofon des ÖRR stehen bleiben – und aus freien Stücken heraus genau das in die Kamera sprechen, was der Ampel genehm ist. Oder wir untersuchen die Studien und Erhebungen, in denen sich die Mehrheit der hiesigen Bevölkerung nicht wiederfindet – obwohl doch angeblich gerade sie befragt worden sein soll. Und nicht zuletzt wenden wir uns dem neben dem Influencer zweitunwichtigsten Job dieser Welt zu – und konfrontieren die neu erfundene Spezies der Faktenchecker mit der einfachen Idee, dass Sachverhalte nur in den seltensten Fällen über eine global konformitäre und allseits anerkannte Auffassung verfügen, an denen sie gewürdigt werden können. Denn schon allein die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch, ist in einer Gesinnungspluralität schon allein deshalb ausgeschlossen, weil der Wertmaßstab trotz des Grundgesetzes und sittlicher Ansprüche flexibel bleiben muss.
Daher ist jedes Werkzeug zur Kanalisierung, Fokussierung und Vereinheitlichung von Standpunkten, Positionen und Betrachtungsweisen zunächst als Angriff auf das Recht der unbehelligten Kundgabe und Distribution von Einstellung, Überzeugung und Haltung zu sehen. Ebenso wie unsere Herrschaftsform nicht geschützt werden muss, gibt es weder einen staatlichen noch öffentlichen Auftrag oder Befugnis zur Intervention auf eine Weltanschauung oder Denkweise. Denn es ist zunächst die Selbstregulierungskraft einer Gemeinschaft, die es mit den Mitteln der Gegenrede, Argumentation und der Diskussion völlig eigenmächtig schafft, dissonante Tatsachenbehauptungen mit einer gesunden Portion Skepsis, Distanz und Menschenverstand zu demaskieren und zu relativieren. Wer sich dagegen der Debatte, der Begegnung und der Auseinandersetzung reflexartig und prinzipiell durch das sofortige Anrufen einer Meldestelle für „Hate Speech“, durch Denunziation, Brandmarkung oder das Instrument des Anschwärzens bei Behörden entzieht, erweist sich nicht nur als hypersensibel, sondern vor allem auch als Abrissbirne wesentlicher Kerngedanken eines offenen und des einem dialogischen Miteinander so zuträglichen Spannungsfeldes zwischen Einvernehmen und Kontroverse. Sollten wir tatsächlich zu einem Verein der verunsicherten Warmduscher geworden sein – wie es uns dieser Tage anhand von neuester empirischer Forschung attestiert wird -, so sollten wir uns nicht das Handtuch reichen, sondern den Wasserhahn in die andere Richtung drehen.