Kommentar von Dennis Riehle
Jede Zeit hat ihre Charaktere und Vorbilder. Wenn es also einst namhafte Persönlichkeiten wie Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Walter Scheel waren, die die Bundesrepublik nicht nur nach innen, sondern auch auf der internationalen Bühne überaus integer als einen Verfechter von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vertreten haben, dann ist die Erinnerung an diese Epochen heute mit großer Wehmut verbunden. Denn in der Folge erlebte man eine diametral gegenläufige Ära von 16 Jahren Angela Merkel und einer mittlerweile schon viel zu lange andauernde Legislaturperiode von Olaf Scholz – die uns nicht nur mit der Frage zurücklassen, wie der Tabubruch der offenen Grenzen, einer Corona-Diktatur oder einer verkorksten Transformation geschehen konnten. Viel eher hat die Qualität und Autorität von Politikern in der jüngeren Vergangenheit dramatisch abgenommen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf ihre fachliche Kompetenz, ihren Führungsstil, ihre Integrität, ihre Sachentscheidungen und ihr Auftreten. Verlässt man dabei die höchsten Ämter auf Bundesebene und blickt ein wenig tiefer in die Peripherie hinein, wundert man sich doch über die Vulgarität, Profanität und Simplizität, mit der Akteure wie Lars Klingbeil, Saskia Esken, Katrin Göring-Eckardt, Ricarda Lang oder Friedrich Merz Wahlkampf machen. Dann landet man schnell in einer zutiefst verachtenswerte Sprache, die nicht nur dazu geeignet ist, Geschichtsklitterung zu betreiben. Schon allein die Zuschreibung des „Nazis“ beweist ein derart einfaches Denken in vorgefertigten Schubladen, Ressentiments und Kategorien, das noch vor ein oder zwei Dekaden automatisch zum Rücktritt geführt hätten.
Mittlerweile kann man seine politischen Gegner mit Goebbels auf eine Stufe stellen – und erntet dafür auch noch Applaus. Nachdem sich der sächsische Ministerpräsident auf dieses bemitleidenswerte Niveau herabbegeben hat, als er den thüringischen Spitzenkandidaten Höcke entsprechend etikettierte, etabliert sich nun auch der dortige Landesvater als Paradebeispiels subtiler Impertinenz, wenn er nicht nur von Hohn und Spott gegenüber seinen Herausforderern triefst, sondern auch mit Blick auf das Volk. Dass Bodo Ramelow in seinen neuesten Einlassungen kurzerhand manche Dörfer Ostdeutschlands zu einer Zusammenrottung von „Deppen“ degradiert, zielt stellvertretend auf Millionen Wähler in der Republik ab, die in ihrer freien Abwägung zu dem Entschluss gelangt sind, ihr Kreuz auf dem Stimmzettel bei der AfD zu setzen. Welche erbärmliche Plumpheit muss in einem Zustand des völligen Kontrollverlusts über jegliches Gewissen, Sitten oder Skrupel vorherrschen, der von eindeutigen Umfrageergebnissen geprägt ist? Die Linke wird voraussichtlich einen hohen zweistelligen Verlust an Prozenten einfahren. Und der Frontmann der Alternative dürfte mit deutlichem Abstand vom Souverän als Nachfolger eines offenbar zutiefst in seiner Eitelkeit gekränkten Genossen nominiert werden – weil sich der von der Justiz für halbe Parolen mit immensen Geldstrafen belegte Patriot nicht gegen die Basis stellt und sie plakativ mit Schimpfwörtern belegt. Denn es hat gerade auch etwas mit diesem Nationalstolz zu tun, der dem rechten Spektrum immer wieder als verwerflich oder illegitim angelastet wird, Respekt und Anstand gegenüber dem zu zeigen, der in unserer Herrschaftsform auch weiterhin das letzte Wort hat.
Das Absprechen von Intellektualität, Verstand und Konzept bei jedem, der sein Grundrecht auf ein mündiges, eigenständiges und unbehelligtes Votum in Anspruch nimmt, offenbart nicht etwa ein desaströses Bild der Anhänger, Sympathisanten und Unterstützer der Blauen. Sondern es entlarvt den dunkelroten, sozialistischen Sender solcher Kraftausdrücke als einen Menschen in immanenter Verbitterung, Frustration und Enttäuschung über das eigene Scheitern. Denn was hat dieser Regierungschef in Erfurt in seinen Jahren an der Macht tatsächlich erreicht? Immer wieder spricht er seinem mittlerweile zum festen Wohnsitz gewordenen Bundesland die Attraktivität, Überzeugungskraft und Schönheit ab. Und das nicht etwa, weil die kulturelle Identität durch eine massenhafte Migration verdrängt wird, sondern weil sich aus seiner Perspektive anrüchige Heimatliebe breitmacht. Er kann es deshalb nachvollziehen, wenn Touristen diese Region meiden. Er sieht ganze Städte extremistisch unterwandert. Und er lässt nicht nur in den Sozialen Medien keinen Zweifel daran, dass er tiefen Hass gegenüber jenen verspürt, die nicht seiner Meinung sind. Man wird von einer Zivilisation keine Fürsprache erwarten können, die man im hilflosen um sich Schlagen vor dem drohenden Untergang mit Schmutz bewirft. Der Versuch, die individuellen Minderwertigkeitskomplexe durch eine Strategie des verrohten und abgestumpften Absprechens von Würde und Werten der Andersdenkenden zu kompensieren, wird schon allein deshalb nicht gelingen, weil man sich selbst in der woken Manier der Besserstellung und Erhöhung gegenüber dem Rest zu nichts mehr als heißer Luft degradiert. Doch genau von dieser Arroganz gibt es auf dem politischen Parkett bereits genug. Und deshalb darf man dem Wunsch von Bodo Ramelow durchaus nachkommen, den Wähler darüber bestimmen zu lassen, was aus seiner Karriere wird.