Kommentar von Dennis Riehle
Ikonen, Götter, Heilige – was betet der Mensch nicht alles an, weil er sich von der Huldigung ein Wohlwollen derjenigen erwartet, die nicht selten aus unerfindlichen Gründen wie von kreischenden Teenies umschwärmt werden. Mir selbst ist der Personenkult seit jeher einigermaßen unverständlich. Denn nicht nur Prominente kochen mit dem gleichen Wasser wie ich – und besuchen von Zeit zu Zeit das stille Örtchen. Auch ein Rockstar, Influencer oder Politiker wurde – wie jeder von uns – in der Ebenbürtigkeit geschaffen. Und so regt sich in mir stets dann Verwunderung, wenn es in der Öffentlichkeit zu einer Heroisierung kommt. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die ehemalige Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht. Seit ihrer Abspaltung und Gründung der eigenen Partei scheint sie in manchen Augen nicht nur unantastbar, sondern gar als engelsgleich. Da kann ihr Bündnis noch so umstrittene wie fragwürdige Positionen vertreten, ihr Fanclub wird ihr stets die Stange halten. So blickt man geflissentlich darüber hinweg, dass die von ihr initiierte Gruppe im Bundestag an wesentlichen Abstimmungen gar nicht teilnimmt – und sich wiederum bei Anträgen mit dem Establishment gemein macht, welche eigentlich die Möglichkeit geboten hätten, sich deutlich zu positionieren. So ist die Ablehnung eines Vorhabens relativ bezeichnend, mit dem eine stärkere Bekämpfung des fanatisierten Islam gefordert wurde – für das man offenbar keine Notwendigkeit der Unterstützung sah. Man spricht sich auf der einen Seite vollmundig für ein härteres Vorgehen in der Flüchtlingskrise aus – lässt jedoch religiöse Extremisten aus anderen Kulturkreisen weiterhin passieren. Doch es ist nicht der einzige Widerspruch in der Programmatik, der dem einigermaßen skeptischen Beobachter von außen auffällt. Wer sich einigermaßen schwammig für eine Demokratisierung von Betrieben stark macht, verfolgt gerade mit Blick auf Aussagen in der Vergangenheit eine realsozialistische Manier der Enteignung von privatem Eigentum. Es fällt bisweilen ebenso unter den Tisch, dass die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali noch bis vor nicht allzu langer Zeit prinzipiell gegen jegliche Abschiebung gewettert hat.
Natürlich will man jedem Menschen auch eine Einsichtsfähigkeit und Bereitschaft zur Umkehr zubilligen. Ob diese allerdings von Authentizität, Glaubwürdigkeit und Vehemenz getragen ist, dürfte nicht allein aus dem Umstand fraglich sein, dass intern ein erbittertes Gerangel um den Umgang mit der AfD tobt. Da war es beispielsweise die saarländische Frontfrau des BSW, die sich dafür ausgesprochen hatte. der kommunalen Ebene in Souveränität nach eigenem Ermessen zuzugestehen, zumindest eine punktuelle Zusammenarbeit mit der Alternative für Deutschland nicht auszuschließen. Kaum war dieser Standpunkt bekannt geworden, trat auch schon ihr Pendant an der Spitze des Landesverbandes zurück. Wie ernst ist es also diesem sich als lagerübergreifende Kraft verstehenden Sammelsurium von zutiefst divergierenden Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Lebensbiografien und verschiedenen Ideologien, wenn es beispielsweise um das Konzept von Remigration geht? Dass man sich mittlerweile in den Umfragen im Osten den „Volksparteien“ annähert – wie es beispielsweise der „Focus“ formuliert, dabei wohl aber übersehen hat, dass höchstens noch die CDU mit ihren bundesweiten Prozentwerten ein solches Prädikat verdient -, dürfte nicht zuletzt auch der Distanzeritis geschuldet sein, an der sich nun eben auch Wagenknechts Truppe beteiligt. Eigentlich sollte man meinen, dass in den neuen Bundesländern Mauern mittlerweile nicht mehr so hoch im Kurs stehen. Trotzdem scheint sich manch ein Bürger besser zu fühlen, wenn er die vom Verfassungsschutz auf einer einigermaßen brüchigen Begründung als rechtsextremistisch etikettierten Bösen in Kontaktscham meidet – und sich im BSW eine vergleichbare Option ohne Anrüchigkeit erhofft. Dass die Gemeinsamkeiten der beiden Wettbewerber allerdings äußerst begrenzt sind, wird selbstverständlich auch in den Leitmedien nicht wirklich kommuniziert.
Denn blickt man auf die Schwerpunkte, so ist das allein Verbindende wohl die Forderung nach mehr Diplomatie und Frieden – nicht nur im Ukraine-Krieg. Selbstredend trifft man sich auch bei recht schwammigen Formulierungen wie einer Rückkehr zu demokratischen Grundrechten wie der Meinungsfreiheit. Und man ist sich einig in der Opposition zur Ampel. Doch während sich die Blauen in einer diametralen Wegwendung von der Mentalität des Berliner Elfenbeinturms des Attests eines vertrauenswürdigen Anwalts derjenigen sicher sein können, die mit dem Machtmissbrauch des hauptstädtischen Konsortiums brechen wollen, befindet sich das Bündnis noch immer in einer Selbstfindung. Dass sich die darin Versammelten lediglich in einem Minimalkonsens einig sind, wurde beispielsweise auf der Pressekonferenz zur Parteigründung mehr als offensichtlich. Ein immanentes Eintreten für den Erhalt der kulturellen Identität und heimatlichen Unversehrtheit der Deutschen konnte man dort weder mit aller Deutlichkeit vernehmen, noch lässt sich irgendeine Variante von Nationalstolz oder Patriotismus in der Agenda der Dunkelroten entdecken. Stattdessen kommt man wie ein Repräsentant von „Kommunismus light“ und einem als Feigenblatt dienenden Anstrich von Wertkonservativismus daher, dem es an der Unmissverständlichkeit für die Belange des hiesigen Volkes fehlt. Zwar möchte man sich einbringen für die Rentner, den Arbeiter und den kleinen Mann. Doch wie soll dies erfolgreich gelingen, wenn man augenscheinlich nicht dazu bereit ist, konsequent von einer Denkrichtung der Vielfalt, Harmonie und Toleranz gegenüber allem Fremden abzulassen? Wem es allein um Pazifismus und eine milde Ausprägung der DDR geht, dem kann man Wagenknecht durchaus ans Herz legen. Sucht jemand aber nach der Beseitigung der Wurzeln von den allermeisten Übeln, mit denen wir aktuell in den täglichen Nachrichten konfrontiert sind, so bietet sich schließlich eine Partei rechts der Union an, in deren DNA keine Spuren von Marxismus mehr zu finden sind.