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Oh Herr, erlöse uns von dem Bösen: Deutschland taumelt in geschichtsträchtigen Zeiten!

Kommentar von Dennis Riehle

Selbst Wuppertal dürfte in diesen Tagen neidisch auf unsere Republik sein. Denn in welch beispiellosem Schwebezustand sich diese Nation im Augenblick befindet, das lässt sogar das Ausland sprachlos zurück. Da waren wir schon angefressen, weil sich Klimaextremisten auf Straßen und Startbahnen klebten – und damit nicht selten den Verkehr zum Erliegen brachten. Doch wenn du denkst, es geht nicht schlimmer, mit Olaf Scholz klappt’s eigentlich immer. Obwohl die verschiedensten Stürme um ihn toben, scheint er fest im Sattel zu sitzen. Immerhin weist unsere Verfassung massive Defizite auf, wenn die Auflösung des Parlaments entweder in die Hände einer sich nicht einmal in Regierungskrisen zusammenraufenden Opposition oder aber in das Gutdünken des Kanzlers gelegt ist, um einigermaßen zügig zu Neuwahlen zu gelangen. Und so wirkt es nicht nur absurd und peinlich, dass jeder Bananenstaat auf diesem Globus besser organisiert ist als wir. Immerhin scheint es dort sowohl ausreichende Papiervorräte wie leistungsstarke Drucker zu geben, mit denen auch in kurzen Fristen ein Urnengang realisiert werden kann.

Aber weil wir wahrscheinlich nicht nur Fahrradwege nach Peru exportieren, sondern wohl auch sämtliche Zettel und Faxgeräte in unseren Amtsstuben, wartet der genervte Bürger auf das erlösende Bekenntnis des früheren Hamburger Bürgermeisters, der aktuell wohl noch damit befasst scheint, gewisse Schäfchen ins Trockene und manche Cum-Ex-Dokumente in den Schredder zu bringen. Und da sich CDU, AfD und FDP nicht darauf verständigen können, ein konstruktives Misstrauensvotum in die Wege zu leiten, sind wir offenkundig abhängig von der Gnade eines Sozen, der den Termin für eine baldige Abstimmung über die Zusammensetzung des dann 21. Bundestages möglicherweise auch deshalb hinauszögert, nachdem er selbst momentan kaum Chancen hat, sich erneut als Spitzenkandidat in Stellung zu bringen. Denn auch wenn sich der nüchterne Beobachter durchaus wundert, dass es tatsächlich eines Frontmannes namens Boris Pistorius bedarf, der nichts Besseres im Sinn hat, als zu garantieren, dass wir bis zum Sanktnimmerleinstag die Ukraine unterstützen werden, finden wir uns offenbar ganz generell in einem Hamsterrad gefangen wieder, das täglich mit einem Doppel-Wumms grüßt, aber keine Führung liefert.

Und trotz dieses verheerenden Befundes ist die Option Friedrich Merz im Vergleich zu jeglichem SPD-Konkurrenten eine genauso vielversprechende Alternative wie die Pest zur Cholera. Immerhin gibt es in unruhigen Zeiten wie 2024 eine Gewissheit: Egal, wie es der Souverän drehen und wenden wird, wir kommen um ein „Weiter so“ nicht umhin, solange jene von Einfluss und Macht ausgeschlossen werden, die bisher unbefangen sind, was politische Entscheidungen in der Vergangenheit betrifft. Ohne die Blauen versinken wir im Strudel des Einheitsbreis. Damit verbunden ist das Geschenk der energetischen Transformation, die mittlerweile sogar von Christsozialen als notwendig betrachtet wird, um das Klima davon zu überzeugen, dass es für Menschen wie Mojib Latif unzumutbar wäre, noch länger auf die „nie wieder“ auftauchenden Höllenwinter zu warten. Doch auch damit nicht genug. Denn wer Carsten Linnemann bestellt, der bekommt für ein paar zehntausend Euro fast gratis eine Wärmepumpe obendrauf. Wie könnten wir bei einem solch verlockenden Angebot also nur widerstehen? Diese Frage stellen sich auch all die Fans des christdemokratischen Granden, der uns also künftig in einer Welt repräsentieren soll, für die er sich – wie der gegenwärtige Verteidigungsminister auch – keinen wirklichen Frieden wünscht.

Denn dass sich Donald Trump für eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Kiew und Moskau einsetzen will, das stößt auf Widerspruch eines schwarz-roten Kriegs-Duos, das sich im Falle einer Koalition zu einer halbschwergewichtigen Blockade von Bemühungen mausern könnte, das Sterben und Leiden im Zweifel auch unter Hinnahme manch eines Gebietsverlustes zu beenden. Schon jetzt scheint klar: Ein 69-jähriger Sauerländer wird seinen Amtseid, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden, möglicherweise noch dreister brechen als ein Fischbrötchen mampfender Hanseat mit temporärem Gedächtnisverlust und Peitschenhieben für Christian Lindner. Es war der Genosse, welcher zumindest mit einer verlässlichen Beständigkeit dafür eingetreten ist, von einer Preisgabe unserer Taurus-Raketen an Selenskyj abzusehen. Zwar begrenzen sich seine politischen Erfolge auf dieses pazifistische Fünkchen an Hoffnung, dass eine prolongierte Auseinandersetzung mit immer höheren Verlusten an Menschenleben und Material nicht auch noch durch ein Mehr an unkontrollierbaren Waffen aus dem Bestand unserer Armee befeuert werden sollte. Dennoch könnten wir ihn wenigstens in dieser Angelegenheit noch vermissen.

Weit entfernt sind wir nämlich nicht, vom Regen in die Traufe zu kommen, wenn künftig nicht nur die Grünen von der Auffassung beseelt sind, dass Putin irgendein Interesse daran hat, unser hiesiges Gefüge zu destabilisieren. Dafür brauchen wir mittlerweile keine Hilfe mehr von außen. Wir schaffen Meinungsfreiheit und Grundrechte von ganz alleine ab. Und weil es eben in diesen Tagen auch „nazi“ ist, einen Gedanken an unser Aufenthaltsgesetz zu verlieren, das unmissverständliche Vorgaben für konsequente Abschiebungen bereithält, werden wir höchstens ein Remigratiönchen erleben, sollte fortan der Chef im Konrad-Adenauer-Haus in die Berliner Waschmaschine einziehen. Die Devise dürfte lauten: Ein bisschen Obergrenze hier, ein paar Rückführungen dort. Und wenn der Syrer ohne Bleibeperspektive dann zum fünften Mal an unserer Außenlinie auftaucht, um wegen einer nicht-existenten Verfolgung um Asyl, Schutz und ein Luxushotel anzusuchen, dann wird ihn ein Konservativer nicht abweisen, der Ricarda Lang umschwärmt – und mit Robert Habeck irgendwie auch einen Gesprächsfaden finden will. Wer also mit der Mitte kuschelt, wird sich am Folgetag in der linken Betthälfte wiederfinden.

Was bleibt in dieser bitteren Erkenntnis an Zuversicht für ein Morgen, in dem Schwarz-Rot-Gold den Regenbogen wieder vom Fahnenmast verdrängt, Fußgängerzonen ohne Angst vor Messerstecher betreten werden können und wir uns nicht länger als Sozialamt für den halben Globus ausverkaufen? Auch wenn es erhebliche Zweifel daran gibt, inwieweit unser System noch tauglich ist, auf Aktualitäten schwingungsfähig zu reagieren, so ist doch dieser eine Sonntag innerhalb von vier Jahren von entscheidender Bedeutung. Natürlich kann man sein Votum wie bisher dem Parteienkartell vermachen, weil man aus taktischen Gründen davon ausgeht, dass Alice Weidel ohnehin nie eine Chance haben wird, die deutsche „Air Force One“ zu besteigen. Doch gerade unsere Mitbürger im Osten würden wohl noch heute ihr Dasein unter Honecker und Ulbricht fristen, hätten sie vor diesem Regime resigniert. Ja, wahrscheinlich auch aufgrund der dunkelsten Kapitel unserer Historie sind wir einigermaßen lethargisch, wenn es darum geht, sich gegen Missstände aufzulehnen. Trotzdem habe ich auch weiterhin einen Silberstreifen am Horizont vor Augen. Denn irgendwann ist selbst Dornröschen aus ihrem Schlaf erwacht.

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