Kommentar von Dennis Riehle
Das deutsche Rentensystem krankt. Und daran ändert auch nichts die wiederkehrende Beteuerung von Bundessozialminister Heil, der sich als Revival von Norbert Blüm positioniert – und Sicherheit hinsichtlich der Altersvorsorge der Deutschen verspricht. Dass wir angesichts der demografischen Entwicklung, aber insbesondere auch aufgrund der unkontrollierten Migration in die Bundesrepublik das Niveau kaum noch halten können, erklärt sich mit ein wenig Sachverstand von selbst. So bin ich auch prinzipiell nicht der Idee abgeneigt, Kapital an den Finanzmärkten zu investieren, um ein weiteres Standbein aufzubauen. Allerdings habe ich große Zweifel daran, inwieweit Finanzminister Lindner dieser Aufgabe gewachsen ist.
Denn ein Neoliberaler, dessen Partei sich immer wieder als wirtschaftspolitischer Experte gegeben hat – aber gleichzeitig maßgeblich dafür mitverantwortlich ist, dass ein verfassungswidriger Nachtragshaushalt 2021 verabschiedet werden konnte und nahezu täglich neue Milliardenlöcher auftauchen, hat mein Vertrauen nicht mehr. Und auch in der Budgetplanung erweist er sich als ein Fähnchen im Wind, das sich im Zweifel von Habeck für dessen Leuchtturmprojekte des Ökologismus einspannen lässt – und jegliche Prinzipien und Kompetenzen einer standhaften Ökonomie zu entledigen bereit ist. Nicht anders war es beispielsweise auch in der Inflationsbekämpfung: Fiskalpolitisch hat der FDP-Vorsitzende kläglich versagt, weil er sich gemein gemacht hat mit einer Philosophie der brachial verordneten Energiewende, die zu einem zusätzlichen, künstlich herbeigeführten Teuerungsschock führte – ohne aber gleichzeitig gemischte Maßnahmen aus restriktiver und expansiver Intervention samt einer angemessenen Reform der Schuldenbremse vorgenommen zu haben.
Man kann an den Börsen mit einigermaßen sicheren Strategien für eine beständige Vermehrung von Vermögen sorgen. Entsprechende Befürchtungen, dass in diesem Zusammenhang aufgenommene Kredite möglicherweise der Spekulationen zum Opfer fallen könnten, während zumindest dann unangebracht, wenn wir wissen würden, dass an unserer politischen Spitze zuständige Personen über genügend Handwerkszeug verfügen. Hieran bekomme ich nicht erst in diesen Tagen erhebliche Zweifel – und halte das von den beiden Ministern gestrickte Paket zur Weiterentwicklung unseres Rentensystems nicht für ausreichend, um für dauerhafte Kontinuität sorgen zu können. Denn die jetzt ergriffenen Stellschrauben sind lediglich ein kleiner Aspekt im gesamten Konstrukt, welches eigentlich einer massiven Rundumerneuerung bedürfte.
Die von der SPD angestoßene Diskussion über eine Einbeziehung von Selbstständigen, Beamten und weiteren bisher aus der gesetzlichen Versicherung herausgenommenen Bürgern ist ein weiterer Baustein in der notwendigen Auseinandersetzung zur Modernisierung unserer Altersvorsorge. Gute Erfahrungen diesbezüglich hat beispielsweise auch das Nachbarland Österreich gemacht. Und auch wenn man unsere EU-Standards leider nicht mit denen der Schweiz vergleichen kann, so sind es auch die Eidgenossen, die mit einer eindrücklichen Bandbreite an verschiedenen Instrumenten aktuell sogar dafür gesorgt haben, dass es künftig ein 13. Monatsgehalt für die Pensionäre gibt. Und auch ein Blick in Richtung Norden zu den skandinavischen Ländern würde uns guttun, statt mit einzelnen Mechanismen ein Gefüge instandhalten zu wollen, das den Lebensverhältnissen und Ansprüchen der Bürger im 21. Jahrhundert nicht mehr gerecht werden kann.
Einerseits braucht es ein konsequentes Durchgreifen gegenüber denjenigen, die als Asylbewerber zu uns kommen, aber letztlich nichts Anderes beanspruchen als eine Einwanderung in die Sozialsysteme. Oftmals fehlt es ihnen an einer adäquaten Bildung und Qualifikation , um an Wohlstand, Wirtschaftlichkeit und Prosperität in der Bundesrepublik mitwirken zu können. Und so können auch die immer wieder bemühten Studien die These nicht bekräftigen, wonach es Flüchtlinge sein werden, die die deutsche Rentenkasse langfristig auffangen. Stattdessen bedarf es nicht nur in diesem Bereich eines klaren Schnitts – mit dem wir letztlich in einem behutsamen Maße die Arbeitsmigration in unsere Richtung regulieren und dort fördern, wo Bedarf und Angebot miteinander korrelieren. Gleichzeitig müssen wir aber die Einreise derjenigen beenden, die sich von Beginn an ohne Bleibeperspektive auf den Weg nach Europa gemacht haben – und lediglich ihre wirtschaftlichen und sozialen Lebensschicksale als Grund angeben, um bei uns Schutz zu suchen. Darüber hinaus bedarf es einer offenen Debatte über die Frage des Renteneintrittsalters.
Eine pauschale Erhöhung kann nicht die Lösung sein. Viel eher müssen wir eine Flexibilisierung und Individualisierung anstreben, sodass diejenigen zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Arbeitsleben scheiden können, die körperlich wie psychisch nicht mehr in der Lage sind, bis weit über das 60. Lebensjahr aktiv zu sein. Gleichzeitig kann denjenigen, die einem insgesamt weniger stressigen, anspruchsvollen und fordernden Beruf nachgehen, auch eine Pension ab 70 durchaus zugemutet werden. Und um letztlich auch die Finanzierungsbasis über eine Hinzunahme von Aktiengewinnen hinaus weiter zu erweitern, muss eine Mentalitätsfrage gestellt werden – ob und inwieweit das bisherige Umlageverfahren tatsächlich dauerhaft effektiv sein kann. Insbesondere braucht es eine Abwägung darüber, ob der Faktor der Arbeit bei einer sinkenden Lohnquote nicht stärker an den Produktivitätszuwächsen beteiligt werden muss – und welche Modelle der niederschwelligen Förderung privater Absicherung auch für diejenigen denkbar und möglich sind, die nicht allzu viele Ersparnisse beiseitelegen können. Eine Fortentwicklung der unter der Regierung Schröder entwickelten zweiten Säule der Vorsorge durch die Riester-Rente wäre diesbezüglich ein lohnenswerter Ansatz.