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Nicht schweigen, sondern aktiv werden: Durch Deutschland muss wieder ein Ruck gehen!

Kommentar von Dennis Riehle

Deutschland steckt im Krisenmodus. Bereits seit Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts durchlebt die Bundesrepublik wiederkehrende Tiefschläge. Da war es anfangs die Sorge um den Euro, seine Stabilität und die Liquidität von einzelnen Staaten und Banken in der Wertegemeinschaft, an die sich ziemlich rasch die erstmaligen Ereignisse auf dem Maidan in Kiew und die Besetzung der Krim durch Russland anschlossen, der übereilte Ausstieg aus der Atomenergie aufgrund eines Kraftwerksunglücks im fernöstlichen Tsunami-Gebiet, gefolgt vom Tabubruch Angela Merkels, des „Wir schaffen das“ und der faktischen Aufhebung unserer Grenzen, der beginnende wirtschaftliche Abschwung, zunehmende Probleme in der Versorgung und Unterbringung von Migranten, die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen der Grundrechte und Freiheiten, das Versagen der Ampel in sämtlichen politischen Fragestellungen, das Oktroyieren einer Transformation mitsamt eines ökonomischen Kollaps, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, plangesellschaftliche Vorhaben wie das Heizungsgesetz, die Inflation, die Erodierung der inneren Sicherheit, von Kultur und Identität, der islamistische Terror, der Kontrollverlust über unser Hoheitsgebiet, die Preisgabe von Prinzipien und Regeln, die zeitgeistige Verwahrlosung in Sachen Ethik und Moral, das Offenbaren von biologischen Realitäten und physikalischen Grundsätzen oder nicht zuletzt die totalitär anmutende Abschaffung demokratischer und rechtsstaatlicher Ankerpunkte bei der freien Rede und in der unbehelligten Wahl.

Ich gebe zu: Auch als gestandenem Journalisten, der sich ganz bewusst dazu entschieden hat, diesen Beruf aufgrund der Abwechslung, Vielfältigkeit und Aktualität von Themen und Entwicklungen zu ergreifen, fällt es mir in diesen Tagen immer schwerer, all die deprimierenden und ernüchternden Nachrichten und Schlagzeilen zu verkraften, die über die Ticker kommen. Wir stehen unter ständigem Beschuss neuer Horrormeldungen, angesichts derer man nicht nur den Überblick verlieren kann. Stattdessen sind sie auch dazu geeignet, jeglicher Zuversicht zu entbehren. Dank der zunehmenden Spaltung und Polarisierung in unserem Miteinander fehlt es überdies an Halt und Orientierung. Wir wissen kaum noch, auf was wir uns verlassen können. Und trotzdem stand für mich nie zur Disposition, bei allem Ungemach die Hoffnung aufzugeben. Es mag an meiner persönlichen Lebensbiografie liegen, die mich schon während der Schulzeit in einen gesundheitlich prekären Zustand brachte, dass mir Schwarzmalerei zuwiderläuft. Trotzdem war damals der Gedanke an einen Plan B, C, D oder E überhaupt nicht im Raum. Mein fester Traum war das Studium der Theologie. Und wahrscheinlich hätte ich ihn auch angetreten, wenn die Kirche mir nicht suggeriert hätte, dass sie auf homosexuelle und psychisch erkrankte Pfarrer gut und gerne verzichten könne. Nachdem ich anschließend noch einmal einen Anlauf genommen hatte, um in der Politik- und Bildungswissenschaft einen Abschluss zu erlangen, gestand ich mir rasch ein, dass die ersten Vorboten gleich mehrerer ernsthafter Erkrankungen den Verbleib an der Universität zumindest langfristig scheitern lassen würden.

Und weil ich im Gegensatz zu manch einem Politiker niemandem den Platz an der Hochschule wegnehmen wollte, indem ich bis ins 38. Semester auf dem Sessel im Audimax klebe, und mir das schlichte Attest ausstellen musste, dass eine immer weitere Einschreibung nicht mehr zum Erfolg führen wird, zog ich sodann die Reißleine, um einen alternativen Weg einzuschlagen. Ich besann mich komplett neu – und erinnerte mich an eine Aussage des früheren Deutschlehrers, der nach meinen Aufsätzen zu der Einlassung fand, dass aus mir wohl nie ein großer Schreiberling werden würde, weil es an Kreativität und Wortschatz fehle. Schon die Ärzte hatten daran gezweifelt, ob ich überhaupt das Abitur schaffen würde. Und so war es ein weiterer Ansporn, diesem Pessimismus etwas entgegenzuhalten, der mich durchstarten ließ. Und so glückte am Ende doch noch die Ausbildung zum Psychologischen, Integrations-, Sozial-, Familien- und Kommunikationsberater, zum Journalisten, zur PR-Fachkraft und zum Coach. Denn Aufgeben war für mich nie eine Option. Schließlich bin ich der Überzeugung, dass uns das Dasein als eine einmalige Chance geschenkt wurde, die wir nicht leichtfertig vertrödeln sollten. Dass mich sodann der Parkinson sowie nach und nach noch zwei dutzend weitere Diagnosen ereilten, war sicher ein herber Tiefschlag, der mich durch einige Täler der Tränen hindurchführte. Ich hatte es nie auf eine große Karriere abgesehen. Und doch war das Klarkommen mit der profanen Gegebenheit, dass Träume und Visionen durch das Schicksal einkassiert wurden – und ich nicht mehr in einer der Redaktionsstuben dieses Landes meiner Leidenschaft des Formulierens nachgehen konnte, sondern mich kurzerhand in Schwerbehinderung, Erwerbsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit wiederfand, eine zweifelsohne hadern lassende Wahrheit, die ich eigentlich niemandem wünsche.

Weil es aber bereits bei meiner Geburt angesichts unterschiedlicher Widrigkeiten Spitz auf Knopf stand – und man schon damals nicht genau wusste, ob ich überhaupt durchkommen würde, war mir das Verzagen nicht in die Wiege gelegt worden. Und so klopfte ich auf der Zeitachse drei Mal an die Tür vom lieben Gott, der mich aber sowohl bei meinem Lebertumor, dem Nierenversagen und der Hirnblutung wieder zurück auf die Erde schickte. Unsere Spezies ist im Zweifel auf Resilienz und Durchhaltevermögen ausgerichtet. Und so stehen wir nicht selten vor der Weggabelung, entweder in Verbitterung zu versinken – oder das Beste aus einer Unveränderlichkeit zu machen, an die man sich anpassen und mit der man umzugehen lernen kann. Das ist wahrlich kein einfacher Prozess. Denn es bedarf dafür eines Wechsels der Perspektive. Wer nie am Boden angelangt ist, der wird den Blick zum Gipfel nicht schätzen können. Auch wenn es Leute gibt, die von sich behaupten, stets auf der Erfolgsschiene unterwegs gewesen zu sein, so existieren bei uns allen die Augenblicke, in denen wir aufgrund herber Rückschläge nach dem „Warum ich?“ fragen. Doch weil unsere Vernunft den Horizont beschränkt, werden wir hierauf nie eine zufriedenstellende Antwort finden. Aber wir können uns bemühen, die Sichtweise vom halb leeren zum halb vollen Glas zu drehen – um nicht dem nachzutrauern, was unerreicht geblieben ist, sondern was wir trotz Bürde und Last geschultert und erreicht haben. Denn es ist nicht die Kunst, auf der Sonnenseite Wohlstand zu mehren. Dagegen ist es ehrenvoller Verdienst, im Regen den Sinn zu wahren.

Und so mag es stets die Vielen geben, die zumindest aus der äußeren Wahrnehmung deutlich mehr Glück gehabt haben als wir. Doch wenn man Ansprüche reduziert und wieder zu dem zurückkehrt, was uns beispielsweise an kleinen Dingen wie der Schöpfung, unseren Angehörigen und Freunden, an Talenten und Passionen, Begegnungen und Eindrücken verblieben ist, dann stellt sich nicht nur eine Zufriedenheit mit dem ein, was wir in einem hektischen Alltag zunehmend übersehen. Vielmehr ist es die Gabe der Gelassenheit, die uns darauf vertrauen lässt, selbst in äußerst dramatischen Momenten noch einen kühlen Kopf zu bewahren – und das Unmögliche für denkbar zu halten. Was für unser individuelles Hier und Jetzt gilt, das können wir im Zweifel auch auf das Große übertragen. Ohnmacht und Hilflosigkeit sind allzu nachvollziehbare Emotionen, die uns auf Dauer allerdings in Richtung der Kapitulation bringen. Und so will ich auch Schwarz-Rot-Gold nicht aufgeben, obwohl es um dessen Verfassung schlecht bestellt ist. Was ich aus meiner Katharsis mitnehmen durfte, das ist die heilsame Kraft der Aktivität. Wir haben zwar in einer repräsentativen Demokratie nur alle vier Jahre die Möglichkeit, unmittelbar auf das Geschehen Einfluss zu nehmen. Doch auch zwischendurch tragen wir Verantwortung. Und wir können ihr beispielsweise dadurch gerecht werden, in unserem Umfeld aufzuklären, zu diskutieren, argumentieren und überzeugen. Oder einen Beitrag zum Erwachen der Naiven leisten, wenn wir in den Sozialen Medien die Stimme erheben. Oder die Möglichkeiten der Partizipation, Demonstration und Artikulation gegenüber den Herrschenden nutzen. Eine Schockstarre sollte kein Dauerzustand sein. Gerade auch deshalb nicht, weil wir bereits mehrmals in der Geschichte die Erfahrung machen durften, dass der Zusammenhalts aller Menschen guten Willens gelingen kann.

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