Die Meinung von Dennis Riehle
Bisher befasste er sich vornehmlich damit, die von Habeck angestoßene Energiewende zu ratifizieren – und für einen Gelingen der Transformation zu sorgen. Nun hat der Chef der Bundesnetzagentur, Müller, offenbar eine neue Spielwiese für sich entdeckt und wird im Auftrag der politischen Korrektheit dafür eintreten, dass soziale Netzwerke stärker kontrolliert werden. Er gehört zum grünen Dunstkreis – und scheint deswegen auch dafür prädestiniert, die Bürger in der Republik nicht nur mit Blick auf die Frage des Heizens, des Stromverbrauchs und der Nutzung von Fossilität im Allgemeinen an die Kandare zu nehmen. Immerhin ging bei der nunmehr gescheiterten Ampel die Furcht davor um, dass sich zu den öffentlich-rechtlichen Staatsmedien ein weiteres Standbein der vierten Gewalt auftut, das sich zur Aufgabe macht, dem Informationsmonopol von ARD und ZDF, aber auch vieler linksorientierter Zeitungen, eine Aufklärung der zum selbstständigen Denken und Reflektieren befähigten Bevölkerungsteile entgegenzusetzen – und diejenigen Schlagzeilen, Meldungen und Nachrichten an die Oberfläche zu holen, die man in der „Tagesschau“ oder der „heute“-Sendung nicht finden wird. Insofern sind die Orte des Zirkulierens ungeliebter Tatsachen ein Dorn im Auge der von der Wirklichkeit bedrängten Politikerkaste, die sich im Zweifel ohne Scham und Gewissen an der Meinungsfreiheit zu schaffen macht.
Denn auch wenn Müller den Beweis antreten möchte, dass der Digital Services Act und das Zuarbeiten der Bundesrepublik in Richtung EU lediglich auf der Lieferung von Hinweisen für mögliche „Verstöße“ beschränkt bleiben soll, so gibt er doch unverhohlen zu, dass es eigentlich nicht in seinen Zuständigkeitsbereich und die Befugnis seiner Behörde fällt, nun beispielsweise auch Twitter durch den Umweg über Brüssel sanktionieren und disziplinieren zu wollen. Seine Prognose, dass sich diesbezüglich ein langwieriger Rechtsstreit abzeichnen dürfte, offenbart auch die Unsicherheit darüber, inwieweit man im Zweifel vor Gericht tatsächlich genügend Argumente und Belege dafür hat, den Dienst X in irgendeiner Weise der sogenannten Desinformation zu überführen. Denn eine Definition über die Grenze des Sagbaren mit Blick auf Art. 5 GG fehlt bislang – und wird auch vom deutschen Moralisierer nicht vorgebracht. Stattdessen schwadroniert man im Nebulösen über angebliche russische Kampagnen, die von Elon Musk nicht gestoppt werden – liefert aber auch hier keine konkreten Anhaltspunkte, wo die Grenze der Rechtmäßigkeit von Kundgaben und Äußerungen überschritten worden sein soll. Viel eher betont man reaktionistisch und nahezu rechtfertigend, dass man die bisher juristisch nicht überprüften Regelungen der Europäischen Union zur „Regulierung“ von Social Media nicht für Zensur oder Unterdrückung von unbeeinflusster Rede missbrauchen will.
Tatsächlich werden die Menschen Herrn Müller und seine Cancel-Culture-Infanterie genau an solchen Zusagen im Zweifel messen – wenn es darum gehen sollte, den Zugang zu neuen Medien in irgendeiner Weise beschränken und die Verbreitung von divergierenden Ansichten stoppen zu wollen. Die Angst im Berliner Elfenbeinturm vor einem Verlust der Deutungshoheit über die Geschehnisse dieser Zeit wächst beständig an. Genau deshalb greift man eigenständig zu diesem Werkzeug der Verzerrung, Manipulation und Lüge – und engagiert sich als offenbarer Initiator einer beispiellosen Affäre mit Blick auf die Correctiv-Berichterstattung über das vermeintliche Geheimtreffen am Wannsee. Dass die Regierung also nicht davor zurückschreckt, sich im Zweifel höchstpersönlich des Instruments der Fake News zu bedienen, verdeutlicht die Notwendigkeit von Aufsicht, Spiegelung und Gegenpol über das, was aus dem Mund einer investigativen Journaille zu vernehmen ist, die sich als Sprungbrett eines um die Macht kämpfenden Kanzlers hergibt – und mit ihm gemeinsam baden gegangen ist. Was also die Obrigkeit auf der einen Seite kann, das vermag der Souverän mit freien Presseportalen und unabhängigen Plattformen als Verteidigungsanlage seiner Grundrechte äquivalent zu tun.
Entsprechend ist das Widerwort das scharfe Schwert in einer Auseinandersetzung über die Frage der fairen, gleichen und gerechten Bewusstseinsbildung in einer Demokratie – die sich selbst ausbalanciert und nicht geschützt werden muss. Die Verunglimpfung einer anderen Perspektive und Sichtweise beruht letztlich auf der totalitären Annahme von absoluter Wahrheit, die keiner Kritik mehr zugänglich sein darf. Denn hinter den meisten Verschwörungstheorien verbirgt sich nichts Anderes als das Offenlegen von Kausalitäten und Zusammenhängen, die nicht in das weltanschauliche Konzept des Einheitsstroms passen. Die Unterrichtung des Volkes mit konträren Erklärungsmodellen für gesellschaftliche Entwicklungen, durch das Entlarven von politischer Verantwortung und dank der Demaskierung von gezielt eingefädelten Narrativen ist nicht nur ein wesentlicher Baustein in unserer liberalen Ordnung, sondern auch der Kontrapunkt zu allen Bestrebungen der Kanalisierung, Lenkung und Vereinheitlichung von Motivation und Kognition naiver und blauäugiger Mitbürger, die sich zu Marionetten eines Apparats gemacht haben, der seines Zeichens das größtmögliche Trugbild über die angebliche Verteilung von Täter-Opfer-Rollen, von Gut und Böse, von Richtig und Falsch, von Schwarz und Weiß in die Welt setzt, um damit Spaltung und Polarisierung im Land voranzutreiben – und somit von eigenem Versagen und Scheitern abzulenken.
Es geht also tatsächlich um die Irritation derjenigen Menschen unter uns, die im Dornröschenschlaf vor sich hin wandeln – und vor lauter Aufpeitschung um sich herum nur noch Rechtsextreme und Nazis erkennen. Sie anzustoßen und aus ihrem Irrglauben der Unantastbarkeit des Establishments mit seiner realsozialistischen Idee der Unfehlbarkeit der Führung zu befreien, ist ein Beitrag zur Edukation über ein selbstgerechtes und in Verklärung mittlerweile erprobtes Kartell – welches zwar nicht mehr davor zurückschreckt, alle Register zu ziehen und die Gängelung einer proaktiven Bewegung der Vernunft zu forcieren. Dass dies aber letztlich nur noch mit Repression und Aufruhr gelingt und die Zügel allein mit Zwang in der Hand gehalten werden können, sollte auch ein Stück weit ermutigen. Denn dass die Deutschen sich solch ein Gebaren nicht bieten lassen, das hat die Bevölkerung im Osten bereits eindrücklich bewiesen. Daher bin ich nicht ohne Hoffnung, dass auch dieses Mal der Druck von der Straße, aus dem Internet und auf dem Stimmzettel eine Zäsur bringen wird – und die Pflugscharen der Basis den elitären Überbau an unserer Staatsspitze zurechtstutzen werden.