Kommentar von Dennis Riehle
Deutschland ist Weltmeister in Sachen Pflichten, Gesetzen und Bürokratie. Trotzdem können wir bislang noch nicht zu allem gezwungen werden. Beispielsweise bleibt es uns trotz der Androhung von Meldestellen prinzipiell weiterhin erlaubt, Politiker nicht zu mögen. Und so fällt es mir gerade aktuell ziemlich schwer, überhaupt Sympathien für irgendeinen der Protagonisten zu entwickeln, die sich auf dem Berliner Parkett präsentieren. Dies gilt auch mit Blick auf Sahra Wagenknecht. Ich gebe zu, vor ihrer rhetorischen Eloquenz habe ich großen Respekt. Sie ist redegewandt und durchaus eine Erscheinung. Gleichsam kann ich mit One-Woman-Shows ebenso wenig anfangen wie mit der auf mich kommunistisch wirkenden Ansage, wir bräuchten in unserem Gefüge endlich eine planökonomische Demokratisierung von Betrieben. Aber ich gestehe ein, die frühere Linken-Ikone hat nicht nur im TV-Duell mit Alice Weidel insgesamt eine anerkennenswerte Figur gemacht. Wenngleich es an einigen Stellen argumentativ eng wurde und sie auf die Erzählungen der Altparteien zurückgreifen musste, lieferte sie sich unter dem Aspekt der heutigen Distanzeritis gegenüber der AfD einen fairen Schlagabtausch.
Man vermag in ihren Ausführungen nicht unbedingt erkannt zu haben, dass sie aus einem dezidiert sozialistischen Lager kommt – und bisweilen auch heute noch kommunistisch anmutende Thesen vertritt. Auch konnte man durchaus verstört dreinblicken, als es um ihre außenpolitischen Standpunkte ging. Gleichsam will ich an dieser Stelle eine Lanze für sie brechen. Denn mittlerweile verfahren Medien und Konkurrenten mit ihrem BSW genauso missliebig, vorurteilbehaftet und diffamierend wie auch mit der Alternative für Deutschland. Exemplarisch sei hier die Äußerung von Robert Habeck genannt. Er bezichtigte das Bündnis und ihre Frontfrau, „komplett gekauft“ zu sein. Bei einem Wahlkampfauftritt hat er ihr gegenüber die Behauptung einer Korrumpiertheit und Abhängigkeit von Russland unterstellt. Zwar musste er mittlerweile zurückrudern und eine Unterlassungserklärung abgeben. Doch inwieweit sie von Reue und Einsicht getragen ist, kann man nur mutmaßen. Wie leicht es heutzutage möglich ist, Teil von verleumderischer Brandmarkung zu werden, das musste ich am eigenen Leibe erfahren.
So tauchte mein bescheidener Blog „Riehle News“ urplötzlich in einer Broschüre des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz auf, die sich mit einer Desinformationskampagne Moskaus beschäftigte – und mit ihren Formulierungen anfangs den Eindruck erweckte, als sei ich selbst in diese verwickelt. Ich tauchte neben namhaften Medien auf, denen man den gleichen Vorhalt machte. Nach Protesten wurde der Bericht abgeändert. Denn letztlich hatte Horch und Guck anhand einer technischen Analyse lediglich festgestellt, dass die auf meiner Webseite formulierten Artikel prinzipiell in ein sagenumwobene wie mysteriöses Narrativ passten, das von der Wolga bis zum Ural postuliert wird – und durch einen unbekannten Dritten aus Putins Dunstkreis auf den sozialen Plattformen wie im Internet allgemein dafür genutzt würde, Kritik und Skepsis an den bei uns herrschenden Verhältnissen zu üben. Ich selbst habe bis heute keinen einzigen Rubel erhalten. Und meine Ambition, mich an den Grünen abzuarbeiten, ist nicht etwa einer Motivierung durch externe Mächtige zu verdanken. Sie fußt allein auf der Tatsache, dass ich davon überzeugt bin: Wir werden aktuell von der schlechtesten Regierung in der Geschichte unserer Republik in eine ideologische Geiselhaft genommen – und müssen von Massenmigration bis Transformation sämtliche Utopien ausbaden, die die Mehrheit im Parlament zur Auffrischung und Kompensation eines herabgesetzten Eigenbewusstseins uns allen verordnet.
Mit ihrer oftmals überaus kärglichen Lebensbiografie und gescheiterten Leistungsbilanz bewegen sich Protagonisten auf der Bühne des volksherrschaftlichen Plenums in einem ernüchternden Schauspiel, mit dem der einfache Bürger für dumm verkauft werden soll. Da präsentiert man uns das zweite Jahr in Folge einer Rezession – um sich im gleichen Atemzug wegen eines erfolgreichen Wirtschaftswunders auf die Schulter zu klopfen. Man sieht die SPD mit ihren überschaubar zweistelligen Umfragewerten schon heute als Gewinner der nächsten Bundestagswahl – und prognostiziert eine fulminante zweite Amtszeit von Olaf Scholz. Oder man feiert sich für einen Rückgang der Asylanträge, obwohl lediglich die Zahl der neuen Gesuche nicht mehr ganz so hoch ist wie zuvor – aber man, wie auch bei der Inflation, keinesfalls von Entspannung sprechen kann. Denn diese würde erst eintreten, wenn vor den nackten Ziffern ein Minuszeichen auftaucht – und damit eine konsequente Remigration begonnen hätte. Es ist der Hinweis auf diese schizophrenen Darstellungen, welcher heutzutage offenbar ausreicht, um dem politischen Gegner wie auch distanzierten Journalisten Staatsdelegitimierung zu unterstellen. Wer Wahrheiten benennt und Widersprüche auftut, hat allerdings nicht automatisch eine Standleitung in den Kreml.
Gleiches gilt für diejenigen, welche sich im zermürbenden Krieg in der Ukraine dafür aussprechen, endlich auf den diplomatischen Pfad zurückzukehren und Kompromisse einzugehen, die im 21. Jahrhundert schmerzhaft sein mögen, weil man eigentlich glaubte, dass Grenzen nicht mehr durch Gewalt verschoben würden. Doch wir können noch so lange Idealismen anhängen und auf die Besinnung des Angreifers hoffen: Das Beharren auf einen Sieg steht auch aus Überzeugung des Umfeldes von Selenskyj nicht mehr im Verhältnis zu den Verlusten, die durch eine Prolongierung von Leiden, Sterben und Zerstörung auch zu einer wachsenden Frustration in der eigenen Bevölkerung beitragen. Wer nach einem Waffenstillstand, Verhandlungen und Diplomatie ruft, der fordert keine Kapitulation von Kiew. Sondern beruft sich allenfalls auf die Weisheit, dass der Klügere allein aus Gründen der Humanität nachgeben sollte – auch wenn es nicht gerecht erscheint. Man kann der Vision anhängen, immer weitere Opfer erbringen zu müssen, um die Sicherheit und Freiheit Europas zu verteidigen. Dass die militärischen Realitäten eine andere Sprache sprechen, das sehen sogar Experten hierzulande mittlerweile so.
Auch ihnen könnte man deshalb anhängen, sie würden russophil denken. Doch genauso, wie es keinen Beleg dafür gibt, dass Wagenknecht von Sibirien aus finanziert wird, bleibt das Totschlagargument in der Wirklichkeit stecken, der Westen brauche deshalb eine Entscheidung, weil andernfalls die wiederbelebte Rote Armee spätestens 2029 vor dem Brandenburger Tor stehe. Es liegt nicht an irgendwelchen Infiltrationen aus der Föderation, dass sich die Stimmung und Atmosphäre in unserer Gesellschaft dreht – und nicht mehr dem ÖRR nach dem Mund redet. Dass der despotisch agierenden Koalition in der Hauptstadt sukzessive die Fälle davonschwimmen und sie sich nicht mehr ihres Faktenmonopolismus gewiss sein kann, bleibt ausschließlich dem nüchternen Befund geschuldet, dass Pragmatismus und Vernunft in die Köpfe vieler Menschen zurückkehren. Wenn sie alle Marionetten sein sollen, deren Fäden im Fernen Osten in den Händen gehalten werden, dann kann man diese These entweder als ein hilfloses Umsichschlagen der im Untergang befindlichen Ampelaner werten. Ersatzweise aber auch als eine schlechte Paranoia, die sich zügiger verbreitet als jeder Coronavirus.