Kommentar von Dennis Riehle
In meiner Ausbildung waren sie für mich einigermaßen befremdliche Wesen. Damals sprach man noch nicht von Faktencheckern, sondern hegte als Kolumnist gegenüber den Investigativen einen gewissen Argwohn. Immerhin war es für Kommentatoren wie mich stets unbegreiflich, warum man sich krampfhaft auf die Suche nach neuen Skandalen machen muss. Gerade in der heutigen Zeit liegen die gesellschaftlichen und politischen Themen doch nur allzu offensichtlich vor uns auf der Straße – und laden dazu ein, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Doch weil sich hinter der Spezies der heimlich Recherchierenden nicht selten Kollegen mit einem gewissen Nachholbedarf in Sachen Selbstbewusstsein verbargen, genügten ihnen nicht die klassischen Schlagzeilen. Stattdessen brauchte es einen Aufreißer, der möglichst viel Rampenlicht fokussiert – und damit gewisse Minderwertigkeitskomplexe kompensiert. So steht also diese Gattung unserer Zunft vor dem morgendlichen Spiegel – und hofft inständig darauf, dass entweder ein Reissack umfallen möge. Oder ihnen eine grandiose Idee kommt, welcher Nebensächlichkeit sie sich mit unlauteren Mitteln wieder einmal annähern könnten – um daraus eine Geschichte zu konstruieren, die im besten Fall eine so große Runde macht, dass letztlich Abertausende mit ihren „Nie wieder“-Bannern vor dem Brandenburger Tor stehen und die Demokratie verteidigen wollen. Nicht nur bei „Correctiv“ gibt es entsprechende Fachleute für das Dramatisieren von Banalitäten. Und so war das aufgedeckte Geheimtreffen am Lehnitzsee nur deshalb in aller Munde, weil man sich unter der offenkundigen Zuhilfenahme der Regierung und Geheimdienste Informationen beschaffte, die von den Leitmedien derart entstellt wurden, dass die Märchenerzählung von einer Deportation von Millionen Bundesbürgern mit Migrationshintergrund über die Ticker lief.
Und obwohl man mit derartigen Gebaren schon desöfteren vor Gericht gescheitert ist, beweisen sich die besonders Tüchtigen unserer Branche auch deshalb wenig lernfähig, weil sie offenbar an Falschbehauptungen und Lügen Blut geleckt haben. So geht es nach dem Verbot des rechtsextremistisch abgestempelten Magazins „Compact“ erneut um Charaktere wie den österreichischen Aktivisten Martin Sellner, der auch bei der Zusammenkunft in der Nähe von Potsdam anwesend war – und deshalb von staatlicher Seite zunächst mit einem Einreiseverbot in die Bundesrepublik versehen wurde. Dass dieses bereits im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht standhielt, war eine erste Klatsche für die Innenministerin. Und auch nach ihrer Verfügung in vereinsrechtlicher Manier, mit der unser Staat erstmals in der jüngeren Geschichte ein namhaftes Presseorgan untersagte, sind sich viele Verfassungsexperten über die Unzulässigkeit dieses offensichtlichen Machtmissbrauchs einig. Und da helfen auch dutzende Seiten an Begründung nicht, die enge Verknüpfungen der Redakteure des durch Dekret mundtot gemachten Unternehmens in das identitäre Lager belegen sollen – und nach akribischer Kleinarbeit von einem Netzwerk an enthüllenden, aufdeckenden und nachforschenden Schreiberlingen selbstverständlich völlig objektiv bewertet wurden. Die Papiere hatte das Team der nun zerschlagenen Zeitschrift selbst geleakt. Und sie zeigen eindrücklich, auf welch tönernen Füßen die Ausführungen von SPD-Politikerin Faeser auch dieses Mal stehen, die mitnichten eine stringente und konsistente Abhandlung darstellen. Denn weder ein Kontakt zur AfD noch zur Partei „Die Heimat“ genügt auch nur ansatzweise als Rechtfertigung für die Anwendung des schärfsten Schwerts in unserer Volksherrschaft.
Schließlich können Meinungen und Gesinnungen gemäß der wiederholten Entscheide aus Karlsruhe nicht per Erlass aus den Köpfen der Menschen gestrichen werden. Sondern sie dürfen in unserem Gefüge auch dann ausgesprochen werden, wenn sie für manch einen Linken eine Zumutung darstellen. Die ausschließliche Etikettierung durch eine Behörde ist lediglich ein Indiz, aber keinesfalls ein hinreichendes Argument, den plausiblen und konkludenten Beleg zu erbringen, dass neben einer möglicherweise nationalistischen Orientierung auch eine Bereitschaft zur kämpferischen und aggressiven Umsetzung von nicht mit wesentlichen Prinzipien unseres Grundgesetzes in Einklang zu bringenden Vorstellungen des Miteinanders in die Realität vorliegt. Gerade diese Hürde kann nur dann genommen werden, wenn sich entsprechende Anzeichen herausstellen, wonach es nicht allein um die Verbreitung von Auffassungen geht – sondern explizit um die Verwirklichung von Forderungen, welche beispielsweise mit dem Gedanken der Menschenwürde und Gleichberechtigung der Individuen unvereinbar sind. So bleibt es zunächst auch dahingestellt, ob es sich bei manch einem Artikel aus dem nun mit einem Bann belegten Journal um eine antisemitische oder rassistische Schmähung handelt. Denn die bloße Existenz von entsprechenden Geisteshaltungen ist ungenügend, um darauf schließen zu können, dass es den Mitarbeitern mit ihren Einlassungen um die Aufstachelung der Leserschaft und eine Motivierung zu Gewalt aus niedrigen Beweggründen ging.
Auch der Umstand, dass man immer wieder das Konzept der Remigration bewarb, entpuppt sich schon deshalb als vollkommen untauglich für die Führung einer Beweiskette, weil es sich dabei um einen Begriff handelt, welcher bereits seit den 1980er-Jahren in der deutschen Amtssprache als selbstverständliche Beschreibung der in Art. 16a GG und den einfachen Gesetzen formulierten Aufgabe zur Abschiebung abgelehnter und keine Aufenthaltsberechtigung mehr besitzender Asylbewerber gängig ist. Das Ansinnen scheint darüber hinaus aber auch legitim, weil eine Trendumkehr der unkontrollierten Flüchtlingswelle auf unseren Kontinent eine schlichte Notwendigkeit zur Erhaltung unserer Autonomie, Souveränität und Unversehrtheit ist. Denn wenn wir in diesen Tagen erfahren, dass an manchen Orten der Republik bis zu 99 Prozent der illegalen Einwanderer keine Bleibeperspektive besitzen, ist auch die Rückführung einer fünf- oder sechsstelligen Zahl an „Schutzsuchenden“ nicht nur kompatibel mit unseren Paragrafen. Stattdessen ist auch der Fortbestand der deutschen Volkszugehörigkeit in Art. 116 als Auftrag an uns alle normiert. Bereits aus diesem Umstand lässt sich ableiten, wonach eine ethnische Perspektive auf diesen Globus für Anhänger von Pluralismus und Multikulturalismus zwar ein No-Go sein mag. Doch allein das ist kein Maßstab, um den Erfordernissen zu entsprechen, die die roten Roben im Urteil mit Blick auf die damalige NPD aufgestellt haben. Denn es mangelt an der Überzeugungskraft, dass es den Protagonisten des von Antifaschisten verschrienen Hetzblattes um die Transformation einer Theorie in die Praxis ging, die eine nicht nur verbale Schlechterstellung, Herabwürdigung und Ausgrenzung von Personen allein aufgrund ihrer Herkunft hoffähig macht – sondern das Ansehen eines Fremden pauschal und grundlos derart schmälert, dass damit seine Integrität gefährdet wird.