Kommentar von Dennis Riehle
Dass der Souverän in diesen Tagen von nicht wenigen Politikern für dumm verkauft wird, lässt sich spätestens an der Darstellung der Ampel erkennen, die sich weiterhin als erfolgreichste Bundesregierung seit dem Urknall feiert – und ihr desaströsen Scheitern mit ihren Vorgängern begründet. Da wird uns über die Medien eine heile Welt aus Vielfalt vermittelt, in deren Realität es mittlerweile zum Alltag gehört, dass Islamisten mit Messern und Macheten durch die Fußgängerzonen streifen und eine blutige Spur der Verwüstung hinterlassen. Man will uns allen Ernstes schmackhaft machen, dass es völlig normal sei, wenn eigentlich sozialisierte und gesittete Menschen auf Regenbogenparaden halbnackt in Lack und Leder eine höchstpersönliche Sexualität in die Öffentlichkeit tragen – während es auf den Fanmeilen zur Europameisterschaft verboten ist, die schwarz-rot-goldene Flagge mitzuführen. Und da erklärt uns ein philosophisch gebildeter Autor aus dem Bundesklimaministerium, dass er uns vor dem Untergang gerettet habe, weil die Unternehmen in diesem Land nicht mehr insolvent gehen, sondern lediglich ihre Produktion einstellen. Dieser prominente Grüne wird fortan wohl nicht nur von einem achthunderttausend Euro schweren Experten für die persönliche Vermarktung auf „Tik Tok“ auf seinem Weg in die Berliner Waschmaschine unterstützt. Sondern er hat mittlerweile auch in den Leitmedien zahlreiche Fürsprecher, die sich der Hofberichterstattung über seine messianische Lichtgestalt verschrieben haben – und den Vertreter einer Partei als neuen Kanzler vergöttern, die in den jüngsten Umfragen an der Einstelligkeit kratzt. Huldigungen für Habeck gibt es also mehr als genug. Und selbstverständlich darf dabei auch nicht das sozialistisch anmutende Organ der „taz“ fehlen, das aktuell einen Beitrag des Influencers Maurice Höfgen veröffentlichte – der sich immer wieder als linker Propagandist einer plangesellschaftlichen Ideologie in Szene setzt, sich aber gleichsam in seiner Rolle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag einen Namen machen möchte, indem er eingeebnet für die herrschende Klasse klatscht – und die Programmatik der Opposition mit scheinheiligen Argumenten in der Luft zu zerreißen versucht.
Und so weiß man als Leser nicht genau, ob man sich veräppelt fühlen oder in ein lautes Lachen ausbrechen soll, wenn uns dieser „YouTuber“ mit seiner Kolumne als Tatsache nahebringen möchte, wonach es der Fährenflüchtling von Schüttsiel sei, der nicht nur die Döner-Preise in einem Land gedrückt habe, mit dem er aber eigentlich nichts anzufangen weiß – und sich lediglich mit einem lila Fußballtrikot temporär und widerwillig patriotisch zeigt. Dass bei ihm Vieles mehr Schein als Sein ist, zeigt die Konjunktur – die eben doch abschmiert, statt nur zahlenmäßig einzubrechen. Trotzdem war es gemäß der kündig bemühten Ausführungen des Kommentators nicht das Verdienst der EZB, dass die Teuerung aktuell irgendwo zwischen zwei und drei Prozent liegt – und sich damit im Vergleich zu ihren Höchstwerten ungefähr auf ein Drittel senkte. Stattdessen soll es der waghalsige Einsatz unseres obersten Utopisten gewesen sein – der uns aus der schrecklichen Abhängigkeit von russischer Fossilität befreit – aber sogleich in die nächste Independenz zu LNG verwickelte. Darüber hinaus brauchte es einen Knicks vor den Scheichs, vor denen man sich wie ein infantiler Schuljunge zum Gespött des halben Globus machte. Dass der einfache Bürger beim Gang in den Supermarkt noch immer Zweifel daran hat, ob die Ausgaben für Lebensmittel tatsächlich langsamer ansteigen als noch vor einigen Monaten, mag dabei lediglich eine subjektive Empfindung sein. Objektiv lohnt sich aber ein Blick auf die Entwicklung innerhalb der EU-Staaten. Denn wäre es allein auf die fiskalpolitische Intervention des Lübecker Ökologisten zurückzuführen, dass sich die Geldentwertung entschleunigt hat, müssten in der Logik andere Marktteilnehmer deutlich schlechter dastehen als die Bundesrepublik – die eben nicht über einen solch hervorragenden Experten an der Spitze des Wirtschaftsressorts verfügen. Doch was sehen die erstaunten Augen beim Blick auf die Statistiken? Es handelt sich nicht nur um einen Trend bei uns, sondern die Quoten sind in nahezu allen Mitgliedsländern zuletzt deutlich – und teils noch eklatanter als hier – kontinuierlich abwärts unterwegs. Ohne Zweifel kam Deutschland von einem besonders hohen Niveau, weil wir als einstiger Exportweltmeister einen hohen Verbrauch an Elektrizität in unseren Betrieben verzeichnen, der die Nachfrage noch schneller wachsen ließ – und in Kombination mit den Nacheffekten von Corona zu beinahe galoppierenden Verhältnissen beitrug.
Schlussendlich war es ein Angebotsschock, welcher vornehmlich mit dem Krieg in der Ukraine eine Kostendruckinflation verursachte, auf die Christian Lindner über eine lange Zeit hinweg keinerlei Antwort gefunden hat. Stattdessen setzte man auf die Europäische Zentralbank, die auf konservativem Wege durch das Drehen an der Zinsschraube intervenieren sollte – was sie mit einer erheblichen Verzögerung auch tat. Doch auf nationaler Ebene geschah nicht viel. Weder wurden im antizyklischen Verständnis während der Rezession expansive Möglichkeiten wie umfangreiche Steuersenkungen, eine breitflächige Vergabe von öffentlichen Aufträgen an alle Segmente oder auffangende Beschäftigungsprogramme aufgelegt, die eine drohende Steigerung der Arbeitslosigkeit hätten abfedern können. Noch bediente man sich am keynesianischen Multiplikatoreffekt, mit dem man an den richtigen Stellen die Staatsausgaben moderat ausgeweitet und somit das Volkseinkommen in überproportionaler Weise erhöht hätte. Wer diese Situation nun dadurch beschönigen will, dass er sich in der Hoffnung auf Applaus aus dem Establishment an einer Laudatio für den Fachmann von der Küste abarbeitet, muss entweder ein eingefleischter Fan von ihm sein, sich der völligen Verblendung hingegeben haben oder von seiner Materie nicht allzu viel Kenntnis besitzen. Schließlich wissen wir mittlerweile, dass es der grüne Dunstkreis war, welcher unter Zurückhaltung von wesentlichen Experteneinschätzungen wider besseren Wissens das Ende des atomaren Zeitalters mit Brachialität umgesetzt hat – und somit zu einer massiven Verschärfung der energetischen Versorgung beitrug. Denn dass es noch nicht zu größeren Stromausfällen bei uns gekommen ist, liegt nicht etwa an den kurzerhand aus dem Boden gestampften LNG-Terminals, die als Kollateralschaden eine mögliche Verschmutzung und Destabilisierung des Wattenmeers mit sich bringen. Sondern von allem an einer Verlängerung der Laufzeiten für die Kohle und einem riesigen Hinzukaufen von Spannkraft aus dem Ausland – das sich im Gegensatz zu uns zur Vernunft besonnen hat, in dem man den nuklearen Ausstieg kurzerhand wieder stoppte und sich erneut dieser sicheren und stabilen Quelle nicht nur als Übergangstechnologie zuwandte. So muss man in der Gesamtschau attestieren, dass das Festhalten an einer verkopften Transformation durch Habeck die haushalterische Lage hierzulande eher verschärft statt verbessert hat. Wer zu einer anderen Erzählweise kommt, sollte sich zuvor noch einmal mit ökonomischen Grundzügen befassen – und seine künftigen Artikel mit etwas weniger Anbiederung an das Kartell versehen.