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Eine ideologische Trennlinie spaltet die Deutschen: Bist du für oder gegen „unsere“ Demokratie?

Kommentar von Dennis Riehle

Man muss schon weit in die Vergangenheit zurückgehen, um sich an eine gesellschaftliche Situation erinnern zu können, die der gegenwärtigen Spaltung ähnelt. Während sich das Klima am Himmel ganz natürlich ändert, brauchte es am Boden den massiven Einfluss eines linken Parteienkartells mit all seinen Handlangern von Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmern, Prominenten, Wissenschaftlern, Leitmedien, Vereinen und Behörden, welches innerhalb weniger Jahre eine Atmosphäre der Polarisierung geschaffen hat. Während sich die Brandmauer anfangs noch einigermaßen variabel verschieben ließ, so verläuft die Trennlinie zwischen Gut und Böse mittlerweile unmissverständlich gleich hinter der Union. Institutionalisiert wurde der Feind in der AfD, personalisiert in Björn Höcke.

Doch es sind mittlerweile eben nicht mehr nur Funktionäre der kritischen Opposition, die mit gemeinschaftlicher Brachialität der selbsternannten Rächer der Freiheit unterdrückt, gegängelt und ausgegrenzt werden. Sondern der Hass gegen alles Andersdenken erreicht mittlerweile sogar den heimischen Abendbrottisch. Und so ist der Übergang zwischen einer bürgerlichen, konservativen, patriotischen, identitären und rechtsextremen Gesinnung aus Perspektive der Wokeness nunmehr fließend. Im Zweifel ist alles Nazi, was sich für die Rückkehr zur Regelhaftigkeit mit Blick auf die Flüchtlingsströme, gegen eine weitere Irrfahrt in Sachen Klimaschutz und Energiewende, für ein Ende von Genderwahn und Queerismus, gegen neue Waffenlieferungen an die Ukraine, für einen Schnitt bei Multikulturalismus und Pluralismus oder gegen das Flaschensammeln von deutschen Rentnern einsetzt.

Applaus bekommt nur noch derjenige, der in seinem Profil die Regenbogenfahne als Emoji platziert. An die Kandare genommen wird dagegen jeder, der über die Grünen Witze verbreitet. Die Wirklichkeit im Jahr 2024 übertrifft die Stimmung in manch autoritären Gefügen der Vergangenheit und Gegenwart. Da wird in Familien, Freundeskreisen und bei Kollegen plötzliches Interesse groß, wo das Gegenüber beim nächsten Urnengang sein Kreuz setzen wird. Sollte sich jemand trauen, sein Bekenntnis zu den Blauen auszusprechen, droht die soziale Isolation, die Denunziation beim Arbeitgeber, die öffentliche Vorführung durch die Kavallerie von Thomas Haldenwang oder ein Shitstorm im Internet.

Da wird mit Begrifflichkeiten nur so um sich geworfen, die die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte in einer unerträglichen Art und Weise relativieren. Der Verbund fußt nicht mehr auf dem Respekt füreinander und der Würde des Menschen als unantastbarer Wert. Viel eher wird die weltanschauliche Überzeugung zum Dreh- und Angelpunkt wechselseitiger Anerkennung. Da schreckt man selbst vor dehumanisierenden Vokabeln nicht mehr zurück – und bezeichnet tätliche Angriffe auf Personen nur dann als illegitim, wenn es sich beim Opfer um einen Fürsprecher der Ampel handelt. Man spricht das Prädikat des Demokraten denjenigen ab, die ihr Recht auf freies Votum und Meinungsäußerung nutzen – und in ihrer völlig souveränen Entscheidung zu der Auffassung gelangen, dass nach Jahren ökosozialistischer Dekadenz endlich wieder Vernunft und Pragmatismus in das Kanzleramt einziehen sollen.

Es ist schon einigermaßen bedrückend und befremdlich, dass wir in Verhältnisse zurückgekehrt sind, die ein für allemal überwunden schienen – und Abstempelung allein aufgrund der ideologischen Verortung eigentlich „nie wieder“ hätte stattfinden dürfen. Dass es also eine Zeit gibt, in der man sich mit Mut und Courage bedarfsweise zum Freiwild erklären lassen muss, ist gerade für Deutschland eine zutiefst bedenkenswerte Entwicklung. Immerhin sind es gerade die Hochmütigen in ihrem Elfenbeinturm und alle schafblökenden Marionetten auf den Straßen, die sich in der Manier von Böhmermann nicht zu schade für die Forderung sind, Ratten zu „keulen“. Da ist es sogar der Bundespräsident, der sich einer Metaphorik bedient, die in sittliche Abgründe blicken lässt.

Welche Haltung genehm und mit der Verfassung vereinbar ist, das entscheidet nicht mehr der Konsens der Allgemeinheit, sondern die Tagesform von Innenministerin Faeser. Mit einer immensen Kampagne und millionenschwerem Aufwand werden schwerste Geschütze aufgefahren, um den unliebsamen Gegner in der öffentlichen Wahrnehmung sukzessive mundtot zu machen. Man kramt einen Skandal nach dem nächsten hervor. Und entdeckt plötzlich Affären, die schon eine ganze Dekade in der Schublade lagen – die man aber erst im Wahlkampf als Bombe platzen lässt. Die Obrigkeit sucht die Zusammenarbeit mit zur Anbandelung bereiten Investigativjournalisten eines durch Steuermittel unterstützten Recherchezentrums, um das private Zusammenkommen von Vertretern der Alternative für Deutschland, der „WerteUnion“ und anderen Teilnehmern zur „Wannseekonferenz 2.0“ aufzubauschen.

Dass diese ominöse Einrichtung mit einer strapazierten und gezielten Berichterstattung dazu beitrug, dass sich eine Entrüstung bei den konformen Lesern und Zuschauern der Systempresse breitmacht, die das Märchen über Deportationsabsichten von Millionen von Bürgern mit Migrationshintergrund ohne den Einsatz des eigenen Verstandes gutgläubig zum Anlass nehmen, um vor dem Brandenburger Tor Scholz, Habeck und Lindner zu huldigen, kann man entweder als Zufall, Steuerung oder Abhängigkeit bezeichnen. Würde man das Gebaren von außen betrachten, fiele sofort auf, dass hinter sämtlichen Bemühungen um ein Auseinandertreiben des Volkes Kalkül steckt. Dass man für diesen eigentlichen Straftatbestand nur dann sanktioniert wird, wenn man sich eines Ausspruchs bedient, der – wie viele andere Parolen – von den Nationalsozialisten verwendet wurde, offenbart zudem, dass unser Rechtsstaat ins Gegenteil verkehrt wurde.

Mit einem Verfahren müssen nur diejenigen rechnen, die unabsichtlich handeln – und nicht mehr in Anspruch nehmen als ihr Grundrecht auf unbeschränkte Rede. Dagegen können altehrwürdige Magazine auf ihrem Cover Hakenkreuze abdrucken – ohne irgendeinen Aufschrei der ansonsten so empfindlichen Seele des Antifaschisten. Ohnehin ist das zweierlei Maß zu Credo und Tugend der Moderne geworden. Und da kann sich der bei den aus dem Boden gestampften Meldestellen angeschwärzte Verfechter von Heimatliebe noch so sehr mit inhaltlichen Argumenten und programmatischer Unmissverständlichkeit erklären – sein Schicksal in der politischen Bannmeile ist besiegelt. Und wer angesichts all dieser Tatsachen noch immer daran glaubt, wir lebten in einem zivilisierten Miteinander, wird sich vielleicht später einmal die Gewissensfrage stellen müssen.