Kommentar von Dennis Riehle
Vor ein paar Jahren fragte mich der Sohn eines Bekannten, ob ich ihm denn empfehlen könnte, Journalist zu werden. Da ich meinen Beruf stets mit Leidenschaft ausgeübt habe, fiel mir zumindest zum damaligen Zeitpunkt die Antwort recht leicht. Denn unsere Branche braucht couragierte und engagierte Vertreter, die dem Wind des Zeitgeistes trotzen. Schließlich ist das Pressewesen nicht erst seit gestern eine linksdominierte Domäne, die sich aber lange bemühte, ihre Tendenziösität wenigstens ein Stück weit zu verschleiern. Und ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich nicht gedacht hätte, mich irgendwann in einer Situation wiederzufinden, in der ich der Jugend davon abraten würde, einen Beruf zu ergreifen, für den ich persönlich heute noch immer brenne. Und doch ist es mittlerweile mühsam und beschwerlich, sich nahezu stündlich von denjenigen distanzieren zu müssen, die ihr Gewissen an der Garderobe der Redaktion abgegeben haben – und morgens nur noch selten in den Spiegel schauen.
Denn was mittlerweile an Anbiederung und Willfährigkeit in meiner Zunft kursieren, das passt weder auf eine Kuhhaut, noch auf die ausgebreiteten Publizistischen Grundsätze – welche in diesen Tagen vielerorts durch interne Leitlinien überlagert werden. Objektivität, Sorgfalt und Wahrhaftigkeit gehören nicht mehr zu den Tugenden, sondern gelten besonders dann als verpönt, wenn sie einer der Regierung genehmen Berichterstattung entgegenstehen. Wir wissen um die engen Verbindungen zwischen manch einem Fernsehsender oder einer Zeitung einerseits – und dem Abgeordnetenbüro von Grünen-Parlamentariern andererseits. Liefert die Nachrichtensendung die Schlagzeilen also nicht in der Reihenfolge aus, die von der Ampel gewünscht sind, so klingelt unter Umständen das Telefon in der Chefetage des ÖRR, um am anderen Ende dezent darauf hinzuweisen, dass die Meldung über die erfolgreiche Demonstration für „unsere“ Demokratie doch bitte an die erste Stelle rücken möge, um den Einspieler über Kriminalität, Gewalt und Kontrollverlust in unseren Städten von dort zu verdrängen.
Mit welch offensichtlicher Vehemenz die Erwägungsvielfalt der Medien heutzutage dafür missbraucht wird, die Themenauswahl der Tagesschau ganz im Sinne des Narrativs über eine prosperierende Wirtschaftsnation zu gestalten, ist für mich ein erschreckender Befund, bei dem ich auch dann noch schlucken muss, wenn mir doch die Marschrichtung unserer Sparte klar sein sollte. Denn mein Verständnis über die Rolle des außenstehenden Beobachters ist es seit jeher gewesen, den Mächtigen mit größtem Misstrauen zu begegnen – und allen politischen Protagonisten gleichermaßen die Chance zu geben, ihre Lösungsvorschläge und Konzepte für die Probleme der Gegenwart zu präsentieren. Schließlich gilt bei mir das Ideal der Fairness als besonders ehrwürdig. Hinwieder habe ich meine Passion nicht dafür entdeckt, meine Unabhängigkeit bei der erstbesten Gelegenheit gegen die Funktion als Sprachrohr der Regierenden einzutauschen. Die Dreistigkeit und Profanität, mit denen der Zuschauer und Leser für dumm verkauft wird, wenn man ihm wieder einmal suggeriert, dass zufällig vorbeikommende Passanten in der Fußgängerzone ausgerechnet das in die Kamera prusten, was Olaf Scholz und Robert Habeck in den Kram passt, verärgern und enttäuschen mich.
Ein Kuschelkurs mit denen „da oben“ war nie meine Ambition. Stattdessen entspricht es meiner provozierenden Ader, nicht nur dem Establishment durch Kommentierung und Wertung ihres Agierens gehörig auf den Geist zu gehen. Sondern mich bei Bedarf als Schwimmer gegen den Strom auch manch einem Kollegen in die Parade zu fahren, wenn Artikel und Beiträge wieder einmal vor Sympathien für die Elite nur so triefen. Ich kann natürlich nachvollziehen, welch monetären Gründe dafür verantwortlich sind, als Schreiberling auch das in den Computer zu tippen, was der ureigensten Mentalität diametral widerspricht. Wäre ich nicht aus gesundheitsbedingten Aspekten aus dem aktiven Dienst ausgeschieden, so wäre spätestens jetzt für mich der Augenblick gekommen, mich aus der Dependenz zu lösen und als Freischaffender Fuß zu fassen. Die Skrupel, die ich täglich mit mir herumtragen müsste, wenn ich allein deshalb gegen die AfD wettern sollte, weil es in unserem Klientel zum guten Ton gehört, würde mich längst erdrücken. Auch müsste ich mit meinem Mageninhalt ringen, käme ich in meiner finanziellen Verflechtung mit einem Arbeitgeber nicht umhin, die Gottgleichheit gewisser Figuren auf dem Berliner Parkett zu loben. Wenn ich jemanden hofieren würde, dann sind es stets jene, die dem Elfenbeinturm Paroli bieten – und ihren Namen als Opposition tatsächlich verdient haben. Ich werde mich nicht zum Handlanger eines Moralisierungsapparates machen, der dem Souverän ein schlechtes Gefühl einredet, weil er auf dem Stimmzettel sein Kreuz bei einer Partei gemacht hat, die weisungsgebundene Behörden als vermutlich rechtsextremistisch einstufen. Das Credo meines Wirkens ist der prinzipielle Zweifel an all dem, was der um Haltung ringende Muckraker oder das eingeebnete Kartell als anständig und legitim ansehen. Es wohnt der von mir repräsentierten Definition der liberalen Volksherrschaft inne, als sogenannte vierte Gewalt den dualistischen Kontrast zwischen dem Sagen und Tun der Obrigkeit aufzuzeigen. Und da schließt sich jede ideologische Liebschaft zum Objekt meiner Argwohn aus.