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Die Vergleiche bezüglich des Aufstiegs der AfD relativieren die dunkelsten Stunden der Geschichte!

Politik- und Kommunikationsberater kritisiert die aufgestellten Parallelen zu den Vorgängen um 1933

Meinungsforscher, Experten und Politiker ziehen derzeit Parallelen zwischen dem momentanen Stimmungshoch der Alternative für Deutschland und den Vorgängen um 1933. Damit relativierten sie die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte und verkennen wesentliche Unterschiede zwischen damals und der heutigen Demokratie, meint der Politik- und Kommunikationsberater Dennis Riehle (Konstanz). Er erklärt wie folgt:

Es scheint manchen der „Guten“, die in diesen Tagen ungeniert 2024 mit 1933 vergleichen, nicht einmal wirklich bewusst zu sein, wie verantwortungslos sie die dunkelsten Kapitel unsere Geschichte relativieren. Sie beweisen ihr fehlendes Vertrauen in unsere heutige Verfassung schon allein dadurch, dass sie die stabilen demokratischen Strukturen – welche in Konsequenz aus dem menschenverachtenden Regime damals implementiert wurden – ohne Mühe negieren. Auch vernachlässigen sie einen authentischen Blick auf die Anbahnung des Aufstiegs von Hitlers NSDAP. Denn das System war zu jener Zeit, ganz im Gegensatz zu heute, durch die parteipolitische Diversifizierung der Weimarer Republik geschwächt – und durch eine in Teilen beträchtliche Auflösung der Lagerbildung innerhalb des Parteiensystems homogenisiert. Aktuell gibt es trotz des Erstarkens der AfD weiterhin einen gewichtigen Gegenpol. Demokratische Schwingungsfähigkeit hat sich auch im vergangenen Jahr immer wieder dadurch bewiesen, dass die Wähler eben nicht leichtfertig entscheiden – und ihr Votum auch durchaus mit Blick auf die jeweilige Entscheidungsebene und die Rahmenbedingungen vor Ort die jeweiligen Folgen durchdenkend sorgfältig abwägen. Auch die Stimmung im Volk ist kaum vergleichbar.

Ging es in den 1920er- und 1930er-Jahren nicht zuletzt auch um vorrangig nationalistische Ziele und einen von Rassismus und Überlegenheitsempfinden getragenen Expansionismus, hegt man im Augenblick unter den Sympathisanten und Wählern der Alternative für Deutschland vor allem einen Widerstand gegen die Abschaffung von Freiheitsrechten, Mündigkeit und Souveränität der Bürger. Im Gefüge mangelte es an den erst im bundesrepublikanischen Grundgesetz verankerten Lehren gerade aus der Zeit des Nationalsozialismus, welche ein derart einfaches Machtergreifen mittlerweile verhindern würden. Gewaltenteilung, umfangreiche Kontrollmechanismen und insbesondere der im Prozess der Einsetzung von Bundestag und Bundesregierung eine wesentliche Pufferfunktion einnehmende Bundespräsident in seiner unabhängigen Amtsbeschreibung sind wesentliche Argumente, die man eigentlich von den Parallelen ziehenden Intellektuellen, Politikern wie auch Laien in solch einer ernsthaften Debatte einzubringen erwarten sollte. Stattdessen werden plumpe Narrative und Phrasen bemüht, welche daran zweifeln lassen, inwieweit die entsprechenden Personen im Geschichtsunterricht tatsächlich anwesend waren. Letztlich sollte man ihnen möglicherweise einen erneuten Besuch in einem der Gedenkstätten dieses Landes anraten, um ihnen vor Augen zu führen, wie schmerzhaft ihr Revisionismus für diejenigen sein muss, die noch tatsächliche Zeitzeugen sind.

Demokratie bedeutet Volksherrschaft. Daher liegt es ausschließlich in der Hand des Souveräns, darüber zu entscheiden, welche politische Kraft schlussendlich auf dem politischen Tableau mitspielt. Insofern braucht unsere Staatsform keinen Schutz durch linke Korrektheit. Denn wir haben heute – anders, als es mancher  Meinungsforschern durch das Ziehen von Parallelen zu 1933 suggeriert – ein mehrstufiges, wehrhaftes und selbstregulierendes System der gesellschaftlichen Balancierung. Es bedarf keiner obsessiven Eingriffe von gutmenschlich bemühten Verteidigern der Freiheit, welche sich bei genauerem Hinsehen selbst als diejenigen entlarven, die gegen die Bevölkerung arbeiten. Viel eher sollten sich die Etablierten damit beschäftigen, eine Politik anzubieten, die Protest, Trotz und Radikalisierung unnötig machen. Verbote sind immer der einfachere Weg als die inhaltliche argumentative Auseinandersetzung. Schlussendlich haben wir glücklicherweise extrem hohe Hürden, um in der Bundesrepublik politische Mitbewerber untersagen zu können. Warnungen vor einer angeblichen Beschädigung unseres Rufes im Ausland sind auch deshalb einigermaßen müßig, weil es gerade die von den Grünen dominierte Ampel mit ihrer ideologischen Transformation und einer Energiewende mit der Brechstange ist, die Investoren und Unternehmen aus aller Welt von einer Ansiedlung bei uns abschreckt.

Ich habe generell viel Sympathie für Herrn Bosbach, der neuerdings ebenfalls wieder zum Thema in Erscheinung tritt. Aber genauso, wie ich mich nicht im Kampf gegen das Klima befinde, kämpfe ich auch nicht gegen die AfD. Denn nach meinem Verständnis geht es in einer Volksherrschaft um einen politischen Wettbewerb um die praktikabelsten und zielführenden Argumente, Ideen und Lösungen. Am Ende wird man den Konkurrenten nur dann in der Wählergunst schwächen, wenn man selbst klügere Antworten liefert. Sich dabei zu sehr auf die Alternative für Deutschland zu fokussieren und ihr lediglich durch ständige Antithesen hinterherzurennen, wird auch der CDU nicht allzu viel neue Zustimmung bringen. Stattdessen sollten sich die Christdemokraten ohne ständige Beschäftigung mit dem, was die anderen besser oder schlechter machen, ein authentisches, ehrliches und plausibles eigenes Konzept und eine Programmatik geben, die nicht deshalb überzeugt, weil sie sich in Radikalität oder Populismus überbietet. Stattdessen genügt es vollkommen, sich auf Vernunft und Pragmatismus zu besinnen. Übrigens: Selbst eine durch Haldenwang und die Landesämter als rechtsextrem gebrandmarkte Partei kann demokratisch orientiert sein. Dies wäre sie nur dann nicht mehr, wenn sie in ihren Forderungen und Vorhaben explizit, konkret und unmittelbar gegen die Verfassung und die freiheitliche Grundordnung agiert. Oder wenn ihr Zustandekommen oder ein Machterhalt nicht auf rechtmäßigem Weg und durch ordnungsgemäße Wahlen erfolgt wäre. Beide Voraussetzungen liegen für mein Dafürhalten nicht vor, weshalb sie für mich eine völlig legitime Kraft bleibt.

Weitere Informationen unter www.dennis-riehle.de.

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