Die Unantastbarkeit der Alice Weidel: Tappen AfD-Idealisten in die Habeck-Falle?

Kommentar von Dennis Riehle

In diesen Tagen hat das Schubladendenken in Deutschland Hochkonjunktur. Facetten werden weitgehend ausgeblendet. Stattdessen scheint die Realität in Schwarz und Weiß, Gut und Böse, Richtig und Falsch. Da wird Front gemacht gegen den politischen Gegner, den man gerade von linker Seite aus mit rhetorischen Totschlagargumenten des Nazis oder Faschisten zu pauschalisieren versucht. Und während das progressive Lager bemüht ist, eine einheitliche Brandmauer zu zimmern, hinter der sich das Kartell bei seinem Wurf von Wattebällchen auf den ideologischen Feind in Sicherheit bringen kann, hat man beim Gegenüber den Eindruck, als ob die Solidarität in den eigenen Reihen um des gleichen Prinzips willen aufs Spiel gesetzt wird. Da dividiert man sich rechts der Mitte auseinander, wenn man mit manch einem Personenkult um Alice Weidel nicht viel umsichtiger daherkommt als die Habeck-Jünger.

Nach dem seinem Namen nur bedingt entsprochenen Interview der AfD-Vorsitzenden mit US-Multimilliardär Elon Musk wurde aus dem Dunstkreis der studierten Volkswirtschaftlerin nahezu jeder zum Abtrünnigen erklärt, der es in den sozialen Medien gewagt hatte, angesichts der prinzipiell soliden Leistung der Kanzlerkandidatin nicht in Euphorie und Ekstase zu verfallen. Dass sich in manchen Flügeln Unmut darüber ausbreitete, wonach das momentane Idol der Blauen auf Teufel komm raus eine Diskussion über die weltanschauliche Verortung von Adolf Hitler vom Zaun brechen musste, um gleichzeitig mit Blick auf das Thema Remigration ziemlich vage zu bleiben, sollte gerade im Respekt vor divergenten Auffassungen nicht als Angriff gewertet werden, sondern als notwendige Kritik betrachtet werden, um künftig vielleicht andere Prioritäten zu setzen. Es mutete bisweilen bizarr an, dass die Wahl-Schweizerin eine exakte Positionierung ihrer Partei umschiffte. Statt mit Selbstbewusstsein für eine patriotische und identitäre Gesinnung zu werben, verlor sie sich in einer Definition zwischen konservativ und libertär, mit der nur jener etwas anfangen konnte, der beim Stichwort Milei furios die Hände zum Himmel reißt. Und nicht zuletzt tat sich manche Widersprüchlichkeit auf, weil die 45-Jährige im Vorfeld von einer Geiselhaft der Bundesrepublik durch das Weiße Haus in Washington sprach, zugleich dem Tesla-Chef und Trump-Beauftragten gar nicht genug an Wertschätzung und Huldigung entgegenbringen konnte. Und so darf man auch in Zeiten des Wahlkampfes Skepsis und Zweifel anbringen, ob diese Begegnung der große Wurf war, welcher über eine Momentaufnahme des grellen Rampenlichts hinausdauert – oder schon in ein paar Tagen in der Schnelllebigkeit heutiger Schlagzeilen wieder vom Bildschirm verschwindet.