Kommentar von Dennis Riehle
Mittlerweile schreckt ein Bündnis aus Kartellparteien, einer aufgeschreckten Gesellschaftskohorte und einer in Teilen mit dem Virus der Rechtsphobie infiltrierten Wirtschaft nicht davor zurück, mit sämtlichen Maßnahmen der Ausgrenzung, Gängelung und Brandmarkung den Einfluss der AfD zurückzudrängen. Gastronomen bedienen Mitglieder der Partei nicht mehr. Auf Kassenbons wird damit geworben, dass Sympathisanten der Alternative für Deutschland im Geschäft unerwünscht sind. Und nun verweigern auch Banken die Kontoführung oder Überweisung von Geldbeträgen, die in irgendeinem Zusammenhang mit dieser für viele Menschen auch deshalb so unliebsamen politischen Kraft stehen, weil sie keine geeigneten Mittel mehr finden, um sie in Schach zu halten. Denn auch wenn die Umfragewerte zwischenzeitlich durch das Aufkommen von neuen politischen Mitbewerbern auf dem Tableau leicht rückläufig waren, so ist der Zuspruch nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern ungebrochen. Erkennbar schwimmen denen die Fälle davon, die sich von Regierung bis CDU in der „Verteidigung der Demokratie“ zusammengetan haben – und in diesem aussichtslosen Kampf des Versuchs zur Repression von bürgerlichem, konservativem und patriotischem Denken kläglich straucheln.
Sie kommen auch deshalb nicht wirklich vom Fleck, weil sie die Trotzreaktion und das „Jetzt erst recht“ derjenigen unterschätzt haben, die sich über viele Jahre und Jahrzehnte zu viel von ihrer herrschenden Klasse haben gefallen lassen. Doch mittlerweile lässt sich das vermeintlich Anrüchige nicht mehr so einfach durch den Verfassungsschutz etikettieren, denn das Gefühl, dass in diesem Land etwas schiefläuft, bringt eine zunehmende Zahl von Mitbürgern in eine eigenständig hinterfragende Skepsis und Zweifel. Immerhin scheint sich das betreute Denken unter Zuhilfenahme von Leitmedien, Experten und allen anderen Mahnern bei einer aufklarenden Bevölkerung immer öfter als Bevormundung wahrgenommen zu werden. Und auch wenn man sich mit Parallelen zurückhalten sollte, um nicht dem Versuch der Relativierung zu erliegen, so gibt es doch erhebliche Anzeichen dafür, dass die Abstempelung von Menschen, welche ihrem Grundrecht auf freie Wahl souverän nachgehen, einer Unterdrückung gleichkommt, welche wir in beiden Autokratien erlebt haben. Auch wenn es in der Dimension, in der Brachialität und in der Gewaltsamkeit überhaupt keine Vergleichbarkeit mit der Vergangenheit gibt, so ist doch die Segregation von Andersdenkenden in ihren Wesenszügen den willkürlichen, totalitären und despotischen Staaten ähnlich.
Zweifelsohne gibt es dieses Mal glücklicherweise keine rassistischen Motive aus den 1930er-Jahren, allerdings weht doch ein Hauch des Vorgeschmacks vom 17. Juni 1953 durch unser 2024. Denn die Beschneidung von Freiheitsrechten und die Einschränkung von Teilhabe am Alltagsleben als Teil der Implementierung einer sozialistisch anmutenden Vision der Öko- und Identitätsdiktatur dieser Tage ähnelt bisweilen doch der zentralgelenkten Utopie von Honecker über Gleichheit im Meinen, Sprechen und Handeln, in der nicht mehr der Einzelne über seine Entfaltung bestimmt, sondern die Obrigkeit definiert, was ethisch, moralisch und dem Gedeihen der Marionetten zuträglich ist. Das Kernmerkmal solcher Systeme ist stets die fehlende inhaltliche Argumentationsfähigkeit gegenüber dem politischen Gegner, der deshalb auf dem einfachen Wege der Drangsal mundtot und bei Bedarf der geifernden Pilatus-Menge aus wohlgesonnen und widerspruchslosen Herdentieren als vogelfrei erklärtes Wesen zweiter und dritter Ordnung zum ideologischen Fraß vorgeworfen wird. Besonders erschreckend ist in der momentanen Dekade auch die Dehumanisierung, welche eigentlich doch diametral entgegensteht zur Schnappatmung eines jeden Menschenrechtlers, wenn wieder einmal über die Verschärfung von Asylregeln diskutiert wird.
Denn es braucht nicht einmal Plakate oder Böhmermann, die dazu aufrufen, Nazis auf dem Weg der Keulung zu töten. Stattdessen funktioniert der Apparat der Denunziation einwandfrei. Immer mehr Meldestellen schießen aus dem Boden, bei denen Angehörige, Freunde und Kollegen ihre Nächsten als schwarze Schafe anschwärzen und sie damit als nachklassige Mitglieder einer homogenen Struktur der Dokumentation, Beobachtung und Durchleuchtung preisgeben können. Die dadurch entstehende Spaltung, Polarisierung und Aufwiegelung, die nicht mehr vor der eigenen Familie Halt macht, ist an Verantwortungslosigkeit, Verrohung und Abstumpfung kaum noch zu überbieten. Wer sich mit einer solchen Praxis der Enthemmung und Feindseligkeit gemeinmacht, ist mitschuldig an einer Atmosphäre der Missgunst, des Misstrauens und der Missverhältnisse. Denn repräsentativ ist all das, was derzeit geschieht, schon lange nicht mehr. Viel eher nutzt ein in die Minderheit geratenes Linkslager den ihm 2021 erteilten Machtanspruch zum Umbau des Gemeinwesens um. Es braucht nicht unbedingt auffahrende Panzer, um den Putsch von oben zu oktroyieren. Manchmal genügt auch schon das Eindringen in die Köpfe eines willfährigen Proletariats.