Kommentar von Dennis Riehle
Zwischen Berechnung und Wahnhaftigkeit verläuft oftmals ein schmaler Grat. Während sich also Anton Hofreiter bei Markus Lanz um Kopf und Kragen redet, weil er auf die durchaus paranoid anmutende Überzeugung eingeschwenkt ist, dass der momentane Argwohn auf die Grünen und die massiven Wahlverluste für seine Partei direkt aus dem Kreml gesteuert werden, so vermag man die aktuelle Berichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“ keinesfalls mit irgendeinem psychotischen Befund zu erklären. Stattdessen scheint es den journalistischen Freunden im Voralpenland um einen ganz gezielten Eingriff in die öffentliche Meinungsbildung schon weit vor der nächsten Bundestagswahl zu gehen. Sie sind derart oft links abgebogen, dass das Kreisen im woken Einheitsbrei offenbar zu Drehschwindel gereicht hat. Denn wer mittlerweile sogar die CSU in ein extrem rechtes Lager zu verorten versucht, dem muss im Zweifel der Schrank für die Tassen fehlen. Da sieht man Markus Söder als möglichen Verhinderer einer Kiwi-Koalition, weil sich der Christsoziale unter anderem gegen die Wärmepumpe stemmt oder kritische Positionen zur Verkehrspolitik einnimmt. Und weil er mit einem Votum gegen ein solches Bündnis droht, gilt er anscheinend als Antidemokrat – wohlwissend, dass dieser Vorwurf von denen stammt, die selbst nicht genug Brandmauern zum blauen Konkurrenten bauen können. Es genügt also heutzutage offenbar, Technologieoffenheit zu fordern und von einer immer weiteren Belastung der Autofahrer abzusehen, um irgendwo zwischen Kreml und Hitler positioniert zu werden. Dieses groteske Schauspiel der willfährigen Einflussnahme auf eine integre und solide Aufklärung des Souveräns über die inhaltlichen Standpunkte der verschiedenen Parteien ist ein zutiefst verachtenswerter Ausdruck von Anbiederung an die herrschende Klasse.
Beim Vorsitzenden des Europaausschusses im Bundestag mag man es mit Frustration und Verbitterung entschuldigen, dass er sich immer weiter in Rage bringt. Dagegen traue ich meinen Haltungskollegen in den angepassten Redaktionen dieser Nation schon seit längerem nicht mehr über den Weg. Mein grundständiges Misstrauen ihnen gegenüber speist sich auch aus der Erfahrung meiner aktiven Berufszeit. Schon damals war die Mehrheit der Presseschaffenden im ökosozialen Spektrum ansässig. Und es galten intern nicht mehr die Publizistischen Grundsätze, sondern die Regeln der Anpassung an Regierung und Zeitgeist. Sukzessive verschwammen die Grenzen zwischen Information und Indoktrination. Man mischte im Wettbewerb um die besten Lösungen für die Probleme der Gegenwart sogar so offensichtlich mit, dass aus Moralisierung immer weniger kaschierte Manipulierung wurde. Man nahm den Menschen die in unserem Herrschaftssystem ausschließlich dem Volk zustehende Bewertung über Parteien und ihre Konzepte aus der Hand, indem man sich als Richter über das Gut und Böse, das Richtige und Schäbige, das Legitime und Verfassungsfeindliche aufschwang. Andererseits gehört zu solch einem Gebaren aber stets auch ein Empfänger dieser polarisierenden und spaltenden Botschaften, der im Zweifel seinen eigenen Verstand aufgegeben haben muss, wenn er sich auf das Narrativ einlässt, dass München eine Marionette von Moskau ist – und die Gegenrede zum Veganismus faschistoide Züge trägt. Bei solch einer Mentalität fällt mir nur noch ein bekannter Buchtitel ein: „Irre – Wir behandeln die Falschen!“.
Das betreute Denken scheint in einigen Köpfen bereits schwerwiegenden Schaden hinterlassen zu haben. Denn in welcher Parallelwelt muss man existieren, um letztlich bloße Verschwörungstheorien so dezidiert zu verteidigen, dass selbst Bill Gates, Klaus Schwab und George Soros neidisch würden? Wer weiterhin seine funktionierende Öl- oder Gasheizung vor dem Zugriff des Staates bewahrt und sich den Verbrenner auch von Ursula von der Leyen nicht nehmen lässt, den mögen die Einen als Rebellen anschwärzen. Die Anderen erkennen in ihm ein gesundes Aufbegehren gegen die zunehmende Übergriffigkeit vor allem derjenigen Kräfte, die nun aktuell versuchen, die Schuld am persönlichen Versagen und politischen Scheitern dem Sündenbock namens Wladimir Putin in die Schuhe zu schieben. Würden die Deutschen nicht ohnehin schon über Monate auf einen Therapieplatz warten, müsste man manch einem Hofberichterstatter und Abgeordneten die Couch beim Seelenklempner empfehlen. Denn die individuell oftmals trist ausfallende Leistungsbilanz und kärglich erscheinende Lebensbiografie im Zweifel durch schizophrene Märchenerzählungen ausgleichen zu wollen, das entspricht durchaus einem Mechanismus, der bemitleidenswert und klinisch relevant sein mag. Doch ein Kollektiv kann sich nicht als Kompensation für unerreichte Utopien von Plangesellschaft, Misswirtschaft und Realsozialismus hergeben. Wer bei jedem ausgestoßenen Gramm an CO2 Schnappatmung bekommt, der wird vielleicht im Verlauf entdecken, wie biologisch und physikalisch wertvoll das Kohlenstoffdioxid für das Leben ist. Und dass Rationalität, Pragmatismus und Vernunft nicht „nazi“ sind, sondern lediglich das Aushängeschild für Maß und Mitte.