Kommentar von Dennis Riehle
Ich habe als Journalist nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich in einer Zeit des größtmöglichen Linksrutsches in der Presselandschaft und einer eklatanten Anbiederung meiner Zunft an die Regierung mein Selbstverständnis darin sehe, gerade auch jenen eine Stimme zu geben, die als kritische Opposition mit Vehemenz von den Leitmedien ausgegrenzt, benachteiligt und gegängelt werden. Es gilt unter meinen Kollegen als moralisch hehr und wertvoll, die AfD nicht nur zu separieren, sondern auch konsequent gegen sie zu intrigieren. Doch nach meiner Auffassung haben in einer Demokratie alle politischen Wettbewerber dasselbe Recht, von Moderatoren und Schreiberlingen fair und objektiv behandelt zu werden, die nicht verboten und wiederholt durch den Wähler legitimiert wurden. Und gerade, weil diese Gleichbehandlung heute nicht mehr geschieht, gehört es zu meinem Berufsethos dazu, mich im Zweifel auf die Seite des Widersachers zu schlagen, der dem alteingesessenen Kartell mit einem diametral gegenläufigen Konzept zur Lösung der wichtigsten Probleme und Herausforderungen dieser Tage ein Dorn im Auge ist. Das bedeutet aber gleichermaßen nicht, dass ich völlig unkritisch gegenüber den Vorgängen wäre, die in der letzten Zeit für manch ein Kopfschütteln bei den Mitgliedern der Blauen besorgt haben. So war es beispielsweise die im Vorfeld der Europawahl aufgekeimte Affäre um den Spitzenkandidaten Maximilian Krah, der mit sachlich nicht falschen, aber zum denkbar ungünstigsten Augenblick geäußerten Meinungen über eine individuelle Schuld einzelner Anhänger der damaligen SS letztlich wohl auch dazu beitrug, dass sich Marine Le Pen distanzierte und die Fraktionsgemeinschaft in Brüssel zerbrach.
Doch statt in diesem Moment der Krise Zusammenhalt zu zeigen, agierten Tino Chrupalla und Alice Weidel nicht sonderlich professionell, souverän und integer. Übrig blieb zunächst ein Scherbenhaufen, der zwar nach außen hin glücklicherweise keine größeren Schäden im Ansehen aller Beteiligten hinterlassen hat. Dennoch ließ dieses Vorkommnis erahnen, wie tief die Gräben innerhalb der Partei noch immer sind. Ähnlich verhielt es sich dann auch mit dem stringenten Versuch zum Ausschluss des angesehenen Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich, dem man verschiedene Skandale zu unterstellen bereit war, um ihn mit seiner patriotischen und identitären Gesinnung aus führenden Posten fernzuhalten. Wesentlicher Dreh- und Angelpunkt war hierbei der nordrhein-westfälische Landesverband um seinen Chef Martin Vincentz und dessen Dunstkreis, der zum Lager der noch verbliebenen Anhänger des einstigen Granden Jörg Meuten gehört. Dass es aktuell wiederum dieses gemäßigte Spektrum sein dürfte, welches durch das verantwortungslose Verhalten von Illoyalität gegenüber den eigenen Leuten für denkbar negative Schlagzeilen gesorgt hat, lässt sich auch dann noch vermuten, wenn der Vorsitzende der Jungen Alternative, Hannes Gnauck, um eine Korrektur der Berichterstattung bemüht ist. So verlautbarte aus verschiedenen Quellen, wonach es Bestrebungen gebe, das heranwachsende Vorfeld auszugliedern. Demnach ist es zwar offensichtlich falsch, dass der Bundesvorstand einen Auftrag erteilt habe, diese Distanzierung von den Schützlingen mit Nachdruck voranzutreiben. Dennoch ist es kein Geheimnis mehr, dass es tatsächlich seit längerem Überlegungen gibt, neue Modelle zu etablieren, die die Nachkommenschaft fester an das Mutterschiff binden.
Immerhin gilt die Jugendorganisation aus Sicht des Verfassungsschutzes bereits als gesichert rechtsextrem – und ist damit einen Schritt weiter als der bloße Verdachtsfall, den Haldenwang und seine Handlanger aus der AfD gemacht haben. Doch genauso, wie wir in einem volksherrschaftlichen System auf Brandmauern verzichten können, wirkt es zutiefst unsolidarisch, wenn für den nüchternen Betrachter der Eindruck entsteht, eine politische Kraft wolle sich von ihrer Basis trennen. Denn es ist nicht zuletzt die Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren, die maßgeblich zu den aktuellen Umfragewerten verhilft. Anstatt sich schützend vor sie zu stellen, scheint man im Zweifel dazu bereit, das Fundament zu erodieren – und jene zu opfern, die eine Behörde mit einem Etikett versieht. Eigentlich sollte doch gerade der Alternative für Deutschland bekannt und bewusst sein, was eine wachsende Mehrheit bei uns von dem Gebaren des Inlandsgeheimdienstes hält, der vor dem Islamismus kapituliert hat – und stattdessen diejenigen beobachtet, die sich in den Sozialen Medien über die Grünen lustig machen. Will man sich von dieser Einschüchterung wirklich leiten lassen? Wo bleibt das Rückgrat eines eindeutigen Bekenntnisses zur JA? Und was sagt es über den Zustand einer politischen Kraft aus, wenn sie jene zur Verhandlungsmasse macht, die nicht nur die Zukunft der Partei sichern, sondern auch das Morgen unserer Nation? Es geht schlichtweg um einen Machtkampf zwischen Flügeln, die die AfD auf der einen Seite anschlussfähig gegenüber dem Establishment machen wollen – und damit den entscheidenden Wesenszug des Andersseins preiszugeben offen sind. Und jenen Sympathisanten, Mitgliedern und Funktionsträgern, die nicht erneut in den Modus der Verwässerung einer Programmatik der klaren Kante verfallen wollen. Es geht also um nicht weniger als die Frage, inwieweit man sich liberalisieren möchte, um beim Gegner bessere Chancen zu haben, als potenzieller Koalitionspartner anerkannt zu werden.
Will man sich wieder stärker auf eine wirtschaftspolitische Ausrichtung konzentrieren, statt die drängenden Nöte des einfachen Bürgers zu beackern? Möchte man sich mit Blick auf die Flüchtlingskrise von einem fundamentalen Gegenentwurf der Remigration verabschieden – und stattdessen lediglich an Stellschrauben drehen, wie dies bereits die CDU zu tun gedenkt? Will man sich auch dann an dem Standpunkt festbeißen, dass Rückführungen lediglich für diejenigen anzudenken sind, deren Aufenthaltsberechtigung entfallen ist und die keinen deutschen Pass besitzen, falls dieses Dokument über eine Staatsbürgerschaft künftig bereits nach drei Jahren ausgehändigt wird – auch wenn sich der Betroffene beharrlich gegen jegliche Integration stemmt? Lässt man sich von einer täterfreundlichen Justiz beeindrucken, die Extremisten der „Letzten Generation“ mit Samthandschuhen der milden Geldstrafe anfasst – und den Freiheitsentzug für einen kulturell bereichernden Messermörder auf das Mindestmaß reduziert, weil er prinzipiell als traumatisiert gilt? Ist man in der Versuchung, sich auf den Kurs eines schwammigen Wertkonservativismus einebnen zu lassen? Wie viel Argwohn bleibt gegenüber dem Regenbogen erhalten – und lässt man ihn im Zweifel als gleichrangige Identität neben Schwarz-Rot-Gold passieren? Wird man sich weiterhin gegen die verkopfte Transformation und Energiewende aussprechen – oder verweichlicht man die Programmatik diesbezüglich, irgendeinen Kompromiss zwischen menschgemachter Erderhitzung und nicht anthropogen verursachtem Klimawandel zu finden? Man steht auch mit der AfD an einer Weggabelung, die bei Bedarf in Richtung Harmonisierung mit der Bourgeoisie im Elfenbeinturm führt. Oder man entscheidet sich doch noch dazu, auch fortan als unmissverständlicher Kontrast zu fungieren, der nicht aus dem Reiz der Macht heraus Profil und Charakterlichkeit zur Verfügung stellt.