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Die AfD droht an Ansehen zu verlieren, weil sich Egomanen nicht im Griff haben!

Kommentar von Dennis Riehle

Parteien sind kein Ponyhof. Zu diesem nüchternen Befund kann jeder gelangen, der schon einmal einer solchen Institution angehört hat – und um die Dynamik von Egozentrismus und Narzissmus weiß, welche gerade dort auf fruchtbaren Boden fallen und sich schlagartig zu vermehren drohen, wo es um die Durchsetzung von Macht, Einfluss und Dominanz geht. Und gerade deshalb sollte man nicht in der Naivität verhaften, dass Lagerkämpfe allein ein Merkmal der Etablierten seien. Stattdessen wird überall dort um Mehrheiten gerungen, wo der Reiz und die Versuchung nach Überlegenheit wachsen und gedeihen können. Deshalb war auch die AfD zu kaum einem Zeitpunkt völlig frei von jeglichem Postengeschacher. Bereits unter den früheren Vorsitzenden gab es wiederholt ein Hauen und Stechen, das fortwährend zu diversen Austritten, Abspaltungen und Distanzierungen führte. Erklärbar wird dies vor allem auch mit den äußerst divergierenden Strömungen, die innerhalb der Alternative für Deutschland zusammenkommen. Sie reichen beispielsweise vom wertkonservativ-wirtschaftsfreundlichen Flügel der einstigen Anhänger der Eurokritik-Bewegung – bis hin zu den Vertretern von Identität und Patriotismus mit ihrem Schwerpunkt auf Erhalt der kulturellen Wesenseinheit unserer Gesellschaft. Man konnte das Konstrukt bislang auch deshalb einigermaßen gut zusammenhalten, weil man sich in einem wesentlichen Punkt einig gewesen ist: Die Blauen sollten eine kritische und fundamentale Opposition sein, die ein diametrales Gegenkonzept zu der Politik der herrschenden Klasse anbietet. Und so schien es über einen längere Phase zumindest nach außen einigermaßen ruhig und gesittet zuzugehen. Dies war letztlich auch dem Umstand zu verdanken, dass man sich aufgrund der Diffamierung, Gängelung und Repression durch die Regierung, den Verfassungsschutz und die Systempresse des gemeinsamen Feindes bewusst gewesen ist.

Und so überstand man auch zahlreiche Skandale und Affären, welche nicht zuletzt die Haltungsjournaille und das Kartell der Alteingesessenen unter Aufwartung sämtlicher Instrumente und Werkzeuge des Totalitarismus mitten im Wahlkampf aus dem Boden stampften. Doch spätestens mit dem Interview des Spitzenkandidaten für die Abstimmung zum Europaparlament, Maximilian Krah, in der Zeitung „La Repubblica“ – welches er zu einem denkbar ungünstigen Moment für das Herabbrechen einer Debatte nutzte, die ein gefundenes Fressen war für all jene, die nur allzu gierig darauf warteten, neue Munition für ihren Feldzug gegen die Alternative zu erhalten -, brach die mühsam zusammengehaltene Geschlossenheit endgültig auf. Die Bundesvorsitzenden hatten sich in einer reflexartigen Entscheidung für ein Auftrittsverbot ausgesprochen, nachdem die französische Partnerin Marine Le Pen für die Aufkündigung der gemeinsamen Fraktion in Brüssel sorgte – und sich Alice Weidel und Tino Chrupalla erpressbar zeigten. In der Folge kam es zu weiteren Eklats. So war es die Generalabrechnung des im Bundestag sitzenden Rüdiger Lucassen, welcher sich in einem deutschen Nachrichtenformat an seiner Partei abarbeitete – und sich damit zu einem Steigbügelhalter der politischen Gegner machte. Dieses völlig unnötige Gebaren auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Rampenlicht führte daraufhin eine eskalierende Zerstrittenheit zutage, welche kurz vor dem 9. Juni ein allzu schlechtes Bild über den Zustand der AfD in die Öffentlichkeit verankerte. Oder es ist der erkennbar fehlende Rückhalt für den Spitzenmann wider Willen, René Aust, welcher nach den einigermaßen haltlosen Ermittlungen gegen Petr Bystron prompt zum neuen Garanten wurde, um in den Fernsehsendungen und Blättern der Nation ruhig, sachlich und konzentriert die Programmatik vorzutragen, welche man künftig auf EU-Ebene vertreten wolle. Dass man ihn gerade dort nicht anerkennen wollte, wo der liberale Hauch weht, schien gleichsam wenig überraschend. 

Den vorläufigen Höhepunkt der immanenten Intrigen stellte allerdings das urplötzlich aus dem Hut gezauberte Ausschlussverfahren gegen den überaus beliebten, couragierten und engagierten Abgeordneten Matthias Helferich dar. Dieser galt zwar seit jeher als umstritten, weil er sich einer prinzipiell völlig unanrüchigen Ideologie von Heimatliebe, Nationalstolz und Vaterlandsbekenntnis verschreibt – aber damit vor allem jenen ein Dorn im Auge ist, die noch immer im Kontinuum zu Jörg Meuthen und dessen Dunstkreis für eine seichte Linie mit Blick auf völkisches Gedankengut eintreten. Es ist das Umfeld des nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Martin Vincentz, das den Prozess gegen den Parteifreund wohl nicht zufällig vor der anstehenden Mitgliederversammlung ins Rollen brachte – um damit zu verhindern, dass dieser in eine Funktion innerhalb der Alternative aufsteigt, die aus Sicht der Gemäßigten mit einem eher weichgespülten Repräsentanten besetzt werden muss. So kristallisiert sich ein handfester Kampf um die Deutungshoheit, die Führungsstärke und den Taktgeber heraus, welcher in seiner Brisanz durchaus existenzgefährdend für das Bündnis werden könnte. Dass es sich bei Unterstellung gegenüber dem gelernten Rechtsanwalt um einigermaßen haltlose Anwürfe handelt, wurde bei etwas Distanz und Skepsis relativ zügig klar. Denn man hatte kurzerhand einen Post hervorgekramt, im Rahmen dessen der „Beschuldigte“ das Foto eines allzu bekannten, massenhaft produzierten und ironisch gemeinten Spiegelanhängers im Auto mit dem Slogan „Raus mit die Viecher“ mit einem bestätigenden Pfeil und dem Wort „Remigration“ veröffentlichte. Inwieweit es sich tatsächlich um die reale Abbildung handelt, scheint ebenso ungeklärt wie die Echtheit der Markierung und Kommentierung, die der AfD-Politiker vorgenommen haben soll. Der voreilige Rückschluss – sowohl der eigenen Kollegen wie auch der Haltungsjournaille -, wonach er mit dieser Publizierung eine Entmenschlichung und Animalisierung von Flüchtlingen vorgenommen haben soll, lässt sich nur bei einer gewissen Tendenziösität und Arglist ziehen.

Betrachtet man den Aufritt des geborenen Dortmunders in den Sozialen Medien, so fallen zahlreiche, offensichtliche und unmissverständlich sarkastisch intonierte Beiträge auf, welche man lediglich bewusst, gewillt oder mit desavouierender Absicht missinterpretieren kann. Wenngleich es auch in der Vergangenheit Äußerungen gab, die die politische Korrektheit in ihrer bitterernsten, mürrischen und sauertöpfischen Mentalität herausfordern mussten, fehlt es an einer belastbaren, tragfähigen und überzeugenden Argumentationskette, die insbesondere dazu in der Lage ist, den erkennbar spitzzüngigen Duktus der Verlautbarungen Helferichs entsprechend zu widerlegen. Und so erweist sich das Manöver als durchschaubar, mit dem man ein Zugpferd mundtot machen möchte, das gerade auch bei der jüngeren Generation viel Ansehen und Zuspruch erhält – und sich im Gegensatz zu den innerparteilichen Rivalen mit seiner eigenen Reihe stets solidarisch, loyal und standhaft erweist. Es eröffnen sich Gräben zwischen den verschiedenen Polen, welche in ihrer Wirkung und dem Effekt aus Sicht des externen Betrachters durchaus das Potenzial haben könnten, eine sukzessive Implosion zu verursachen. Dass es überall dort, wo verschiedene Persönlichkeiten mit immanenten Interessen, Zielen und Vorstellungen aufeinandertreffen, immer auch „menschelt“ und Reibungspunkte entstehen, ist völlig normal und allzu legitim. Setzt sich aber gerade in einer politischen Vereinigung der Individualismus gegenüber dem Kollektivismus durch – weil die inhärenten Ansinnen über das Vorankommen der Gemeinschaft gestellt werden -, wird auch die Charakterlichkeit des einen oder anderen Akteurs offensichtlich. Die massiv intrigierenden Kräfte in der AfD scheinen zumindest für den unabhängigen Dritten im moderaten Block angesiedelt zu sein. Ihre Ich-Bezogenheit gefährdet das Bild einer wenigstens minimalkonsensualen Einheit. Der dadurch angerichtete Schaden wiegt um Längen schwerer als ein stabiles Verhalten des 35-Jährigen, welcher sich nachvollziehbar wohl auch dazu entschieden hat, im Zweifel rechtlich gegen seinen Rausschmiss vorgehen zu wollen.

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