Kommentar von Dennis Riehle
Wer aus gesundheitlichen Gründen schon einmal Trugbilder erleben musste, der kann durchaus bestätigen, dass dies ein furchteinflößender Moment sein kann. Der Übergang von der Realität in die Halluzination bedeutet meistens auch ein Loslösen von jedem Pragmatismus und aller Rationalität. Denn die Einsichtsfähigkeit scheint ab dem Zeitpunkt des Eintauchens in eine Parallelwelt kaum noch gegeben. Nicht selten gehen solche Wahrnehmungen mit einem Gespür des Eingeholtwerdens oder Ertapptseins einher. Normalerweise handelt es sich bei solch einem pathologischen Befund jedoch um einen äußerst individuellen und subjektiven Zustand des Verfolgungsempfindens. Doch es gab zu verschiedenen Augenblicken in der Geschichte immer wieder auch das Phänomen einer kollektiven Psychose. Wenn sich Teile der Gesellschaft vom Hier und Jetzt verabschieden und kurzerhand in den Schein flüchten, kann diese Verdrängung von Gegebenheiten ein Miteinander durchaus lähmen – und zu irrwitzigen Konsequenzen beitragen. Auch in der aktuellen Dekade sind wir wiederum mit solchen Wahnvorstellungen einer nicht unerheblichen Zahl an Mitbürgern konfrontiert. Schließlich lässt sich das Verhalten einer linken Klientel kaum anders erklären als mit einer Paranoia. Da werden bürgerliche, konservative und patriotische Freunde, Nachbarn und Kollegen ohne größere Not zum „Nazi“ erklärt – weil der „Faschismus“ bei Bedarf hinter jeder Straßenecke lauert. Ein Fünftel des Wahlvolkes ist plötzlich rechtsextrem, weil sich Demokraten das ihnen in unserer Herrschaftsform zugestandene Grundrecht auf freie Wahl nutzen – und ihr Kreuz bei der AfD machen. Während man in der Psychologie ernsthafte Trigger für einen neuen Schub an Wirklichkeitsverlust kennt, lassen sich progressive und vielfältige Patienten mit einem Hang zur Gutmenschlichkeit von recht einfachen Denkmustern aus der Bahn werfen. Hier genügt schon die Feststellung durch den Verfassungsschutz, was gut und böse ist, um letztlich vor einem völlig harmlosen Gegenüber davonzulaufen, der sich lediglich erdreistete, in einem Land mit sukzessivem Kontrollverlust nach Remigration zu rufen. In der Gattung des Journalisten scheint das Ausmaß der Desorientierung allerdings in ein noch weiter fortgeschrittenes Stadium übergegangen zu sein. Denn sie brauchen oftmals überhaupt keinen bestimmten Auslöser mehr, damit sie sich von jeder Verhältnismäßigkeit, Klarheit und Echtheit entfernen.
Und so ist es der Redakteur der „Zeit“, Nils Markwardt, welcher in seinem Artikel zu der nicht näher belegten oder mit konkreten Nachweisen untermauerten Feststellung gelangt, dass die Alternative für Deutschland eine Fußballmannschaft mit mehr weißen Spielern herbeisehne. Ob er sich hierbei einzelne Aussagen von Funktionsträgern, Mitgliedern oder Sympathisanten der Partei für eine Verallgemeinerung zunutze macht – oder die Programmatik mit dem Vorsatz durchkämmt hat, an irgendeiner Stelle unbedingt auf eine Passage stoßen zu müssen, die sich im Zweifel dazu eignet, bei größtmöglicher Interpretation und Verblendung einen nationalistischen Tenor unterstellen zu können, bleibt im Laufe seiner Ausführungen einigermaßen im Dunkeln. Angetrieben durch die Diskussion über eine Umfrage, welche kurz vor der Europameisterschaft attestierte, dass sich rund ein Fünftel der dort Interviewten eine größere Zahl an hellhäutigen Sportlern im DFB-Team wünsche, verband er seinen Versuch zur Anheftung eines anrüchigen Leumunds gegenüber den Blauen mit der für Furore sorgende Einlassung der Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt in den Sozialen Medien, die nach dem Erfolg von Deutschland gegen Ungarn in einer durchaus als Rassismus zu wertenden Manier in Zweifel zog, dass ein derartiger Sieg auch dann zustande gekommen wäre, wenn man die Equipe durchwegs mit „People without Color“ besetzt hätte. Einmal völlig abgesehen davon, dass die sogenannte völkische Weltanschauung zunächst einmal nicht verwerflich ist, weil sie sich beispielsweise aus Art. 116 GG als Auftrag zur Bewahrung der deutschen Identität in seinen autochthonen Mehrheitsverhältnissen ableiten lässt, scheint es in diesen Tagen sicherlich nicht die Partei von Tino Chrupalla oder Alice Weidel zu sein, welche sich mit zutiefst beschämenden Positionen hervortut. Stattdessen sind es vor allem die Grünen, die mit aller Echauffiertheit die Tatsache negieren wollen, dass sich die Bundesrepublik mittlerweile im Übergang von einer kulturellen Wesenseinheit in die andere befindet. Hier wechselt also die über Jahrhunderte gewachsene Tradierung und Prägung einer Zivilisation – und wird dafür von einer über Strecken gar als lebensüberdrüssig wirkenden Kohorte der Leistungsverweigerer beklatscht. Mit ihrer fortwährenden Unterteilung der Gemeinschaft in offenkundig ethnische Kategorien erweisen sie sich als die echten Xenophobiker – und streben in Wahrheit nicht etwa eine bloße Durchmischung der verschiedenen Spezien auf deutschem Territorium an.
Stattdessen entpuppt sich das, was sie als hehre „Veränderung“ in die Tat umsetzen möchten, als die schrittweise Negierung der Wurzeln, Ursprünge und Verankerung des heimischem Stammes. Dass man als Abgeordnete bei den brutalen Folgen der fundamentalistischen Islamisierung in unseren Sphären frotzelt und witzelt, offenbart die Verachtung gegenüber der Immanenz unseres Verbundes. Es braucht schon eine beträchtliche Dosis an Minderwertigkeitskomplexen und Insuffizienzgefühlen, um sich nach außen hin freudig über die Flutung des Kontinents mit Flüchtlingen aus aller Herren Länder zu zeigen – um gleichzeitig aber im Unterbewusstsein durchaus Klarheit darüber zu besitzen, dass eine solche Mentalität perspektivisch auch die eigene Existenz bedroht. Und genau diese Sorge treibt auch jene unter uns an, welche mit Sicherheit keine generelle Missgunst oder allein auf Basis der geografischen Zugehörigkeit beruhenden Argwohn gegen eine bestimmte Gruppe der Auswärtigen, Neuen oder Unbekannten hegt. Viel eher ist es das evolutionär angelegte Bedürfnis, sich mit seinem Umfeld anhand der uns natürlich verliehenen Merkmale definieren, wiedererkennen und bestätigen zu können. Scheinbar war es von der Schöpfung nicht unbedingt gewollt, dass sich die einst separiert angeordneten Milieus komplett vermengen. Sie nutzen die phänotypischen Eigenschaften viel eher für die Identifikation mit ihresgleichen – denn in gewachsenen Strukturen sind es beispielsweise die verbindenden Charakteristika wie die Sprache, die Religion, die Sozialisation, Brauchtümer, Rituale, Normen, Sittlichkeiten, Historien, Regeln, Ordnungen und Ideale, welche eine Konformität, Stabilität und Kontinuität gewährleisten. Deshalb ist es ein allzu normales Verständnis von Deckungsgleichheit, die unter gewöhnlichen Bedingungen jedes Individuum in seinem Kreis als höchstes Gut schützen will. In diesem Kontinuum ist auch das Ansinnen zu betrachten, dass sich immer mehr Menschen hierzulande ein repräsentatives Abbild unserer autarken und anfänglichen Ganzheit erhoffen – auch in der Formation auf dem Rasen. Wer hieraus Hass auf das Fremde ableitet, muss unter jener Schizophrenie leiden, die sich rasanter zu verbreiten scheint als irgendein Corona-Virus es je vermocht hatte.