Kommentar von Dennis Riehle
Nun ist es da, das Kindelein in Windeln gewickelt. Hilflos und zart in der Krippe. Ein Retter erscheint ohne viel Tamtam und Bohei in trister Welt, die es so bitter nötig hat, neue Orientierung zu finden – und auf die Gnade eines Erlösers setzen zu können. Ein Lichtblick, der manch eine Schuld von uns nimmt, damit wir im kommenden Jahresverlauf gemeinsam die Sünden dieses Erdkreises auf dem Kreuz schultern. Denn von Verfehlungen, Abgründen und Tatenlosigkeit gibt es in diesen Tagen reichlich. Wenn wir bei uns selbst beginnen, dann neigen wir in einer zunehmend schneller werdenden Gesellschaft, die von vielen Oberflächlichkeiten und Hochmut geprägt ist, zur sukzessiven Entfremdung und Distanz zwischen den Menschen. Es scheint uns schwerer zu fallen, Beziehung aufzubauen – und zu halten. Nicht selten fügen wir einander Schmerz und Leid zu – und sei es nur durch die falschen Worte, durch zweideutige Gesten oder voreilige Schlüsse.
Jesus ist gekommen, um den Bund zwischen ihm und uns zu erneuern. Substanz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen unter den Völkern zu schaffen. Gewissenhaftigkeit, Verlass und Kontakt bei den Individuen zu prüfen. Aber auch, um Versöhnung zu stiften. Dass dies nicht im Handumdrehen gelingen kann, sondern oftmals einen Reifeprozess der Übernahme von Verantwortung und des Eingestehens von Unzulänglichkeit erfordert, merken wir ebenso auf internationalem Tableau. In all den Kriegen sind Eskalation und Rivalisierung zu einer schrecklichen Normalität geworden. Denn uns geht das Gespür für die Zerbrechlichkeit des Lebens einerseits, den Frieden andererseits verloren. Allzu schnell sprechen Politiker von Aufrüstung und Militarisierung. Sie haben kaum noch einen Skrupel, Europa bei Bedarf an den Rand der Existenz zu bringen. Sobald sich die Konflikte auf diesem Globus zu einer bloßen Sache verdinglichen, verliert manch ein CDU-Vorsitzender jeglichen Respekt vor der Tugend des Waffenstillstandes.
Wir sollten uns dazu zwingen, unseren Blick noch einmal ganz bewusst in den Stall von Bethlehem zu lenken. Dieses Geschöpf dort hat – wie die nachfolgende Generation im Allgemeinen – schlichtweg Anspruch auf eine Zukunft, die nicht von der Naivität der Mächtigen oder dem Geltungsdrang des Einzelnen bestimmt wird. Sondern die sich – in Gottes Namen – zumindest dort zusammenreißt, wo Hass und Gewalt nicht unnötig vom Zaun gebrochen werden müssen. Die Heiligen Drei Könige brachten Geschenke als Ausdruck der Demut. Aber sie gossen nicht Öl ins Feuer. Denn sie waren sich gewiss, dass ein Fürst zugegen ist, dem es weniger um geopolitische Interessen, Grenzverläufe von Territorien oder Rachsucht ging. Jürgen Werth dichtete 1988 in seinem Lied: „Wie ein Fest nach langer Trauer, wie ein Feuer in der Nacht. Wie ein Regen in der Wüste, frischer Tau auf dürrem Land. Heimatklänge für Vermisste, alte Feinde Hand in Hand“ (EG 666). Möge er uns heute und morgen zu dieser Geste ermutigen.