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Das Risiko von Machtkämpfen: Der AfD fehlt es an Erfahrung, persönliche Rivalitäten intern auszutragen!

Kommentar von Dennis Riehle

Nein, auch in der AfD ist nicht alles Gold, was glänzt. Und schon gar nicht ist sie ein Ort der Glückseligkeit, an dem sich alle in Friede, Freude und Eierkuchen in den Armen liegen. Überall dort, wo unterschiedliche Typen zusammenkommen, menschelt es. Das ist keine besonders neue Erkenntnis, sondern liegt unserer Spezies immanent in den Genen. Insbesondere dort, wo der Reiz von Macht und Einfluss ausgesprochen hoch ist, vergisst man bedarfsweise auch die gute Kinderstube – und lässt sich auf ein unwürdiges Schauspiel ein, Rivalitäten und Missgunst über das Ansehen von Partei und Land zu stellen. Man erinnere sich beispielsweise an den nicht wirklich geglückten Umgang mit dem Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah. Er hatte zwar zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt eine Diskussion losgebrochen, von der man erahnen konnte, dass sie in der Öffentlichkeit instrumentalisiert wird. Denn in unseren Breiten über die individuelle Schuld von Mitgliedern der SS zu debattieren, ist stets ein risikobehaftetes Unterfangen. Trotzdem war es einigermaßen voreilig von Tino Chrupalla und all den anderen Repräsentanten in der Führungsriege, sich daraufhin Erpressungsversuchen aus Paris hinzugeben – und den Frontmann kurz vor den Abstimmungen mit einem Auftrittsverbot zu belegen, statt Marine Le Pen und ihren Mitstreitern in Brüssel die Stirn zu zeigen.

Ich denke aber beispielsweise auch an den Umgang mit dem beliebten Abgeordneten Matthias Helferich, welchen man momentan in Nordrhein-Westfalen mundtot zu machen versucht, weil er nicht erst mit einem Auftritt als Talahon im Plenum des Berliner Parlaments für Aufsehen und Applaus sorgte. Aufgrund seiner Nähe zur Basis ist er gefürchtet – und wird deshalb mit Anwürfen aus der eigenen Zunft versehen, für deren Authentizität und Richtigkeit es oftmals an unmissverständlichen Belegen fehlt. Hier wie dort lassen es die Blauen an Geschlossenheit, Solidarität und Einigkeit mangeln, die allerdings vonnöten wären, um den Widersachern aus Regierung und Medien kein weiteres Einfallstor für Diffamierung, Skandalisierung und Etikettierung zu bieten. Aber weil die Gier nach Aufmerksamkeit, Potenz und Dominanz zu den besonders ausgeprägten Bedürfnissen in unserer Zivilisation gehört, achtet man bei Bedarf stärker auf Karriere und Eigennutz, statt immaterielle Ideale in den Vordergrund zu stellen. Und so kommt aktuell ein weiterer Fall aus Baden-Württemberg zur Unzeit, der ein obsoletes Rampenlicht auf Personalien lenkt. In dem ohnehin äußerst zerstrittenen Landesverband ringen verschiedene Strömungen um die Deutungshoheit von Programmatik, Kurs und Ausrichtung. Den dortigen Scharmützeln misst man auch deshalb besonders viel Bedeutung zu, weil es sich um die Gefilde der Co-Vorsitzenden Alice Weidel handelt, deren Nominierung als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl den Anstoß weitere Reibereien geliefert hat.

Nachdem einer ihrer Gegenparts diesbezüglich gescheitert war, kursierten in den Zeitungen umgehend Meldungen darüber, dass Dirk Spaniel die politische Heimat verlassen und ihr die Fähigkeit abgesprochen habe, die Republik aus den Fängen des Establishments zu retten. Vom Betroffenen selbst gab es ein Dementi. Und trotzdem legten verschiedene Haltungsjournalisten kurzerhand nach, um jetzt die Schlagzeile in die Welt zu setzen, man plane den Ausschluss des 52-Jährigen. Anlass hierfür sollen angebliche Bestrebungen sein, die Gründung einer eigenen Kraft in Erwägung zu ziehen. Dass man sich hierbei auf Informationen verlässt, die aus internen und möglicherweise privaten Chats stammen, schmälert einerseits die substanzielle Beweiskraft. Es zeigt aber auch auf, mit welch unlauteren Mitteln um die Herrschaft gestritten wird. Da bewegt man sich nahezu auf dem Niveau von Correctiv – und bricht eine Schlammschlacht vom Zaun, für die der gebürtige Marburger zumindest nach Betrachtung von außen die geringste Verantwortung trägt. Denn sofern es gelingt, mit einem einigermaßen objektiven, distanzierten und skeptischen Blick auf die Qualitäten einzugehen, die seine Herausforderer und er bei den Bewerbungsreden hielten, offenbaren sich durchaus Gefälle. Der Diplom-Ingenieur zeigte sich von einer angenehmen Demut, Bescheidenheit und Nahbarkeit. Sein Konkurrent glänzte dagegen mit Überheblichkeit, Selbstdarstellung und Ich-Bezogenheit.

Weil es mein Beruf von mir verlangt, mit Fairness und ohne Tendenz zu einem Meinungsbild zu gelangen, stehe ich nach Möglichkeit unabhängig über den Dingen. Und weil ich darüber hinaus kein Mitglied bei den Alternativen und somit hoffentlich frei von jeglicher Lagerzugehörigkeit bin, zählt für mich der Eindruck, den ich auf der Bühne oder in den sozialen Plattformen von einem Gegenüber erlange. Und sie lassen mich doch ein Stück weit zweifeln, inwieweit man auf Vitamin B statt Fähigkeiten setzt, wenn es darum geht, sich für den September 2025 aufzustellen. Welche genauen Befindlichkeiten im Hintergrund mitspielen mögen, ist für mein Werturteil von nachrangigem Belang. Jedenfalls wirft es kein allzu glückliches Licht auf den Dunstkreis der Prominenz aus der ersten Reihe, sich im Wettbewerb mit allfälligen Nebenbuhlern weniger auf Charakterlichkeit und Fachkompetenz einer Person zu verlassen, sondern auf dessen Verwobenheit mit den Zugpferden in der Hauptstadt. Spaniel zeigte sich im gesamten Manöver dagegen souverän, zurückhaltend und gekonnt im Umgang mit der Berichterstattung. Seine ruhige, konzentrierte und besonnene Art wäre durchaus eine Bereicherung für die vordersten Plätze der Wahllisten der Partei gewesen. Und so bleibt ein bitterer Beigeschmack, dass das Hauen und Stechen an verschiedenen Stellen innerhalb der AfD durchaus das Potenzial besitzt, das Schiff auf dem Weg zu den nächsten Urnengängen auch ohne jedes äußere Zutun von Presse und Ampel in einen Schlingerkurs zu versetzen, der so unnötig ist wie ein Kropf.