Kommentar von Dennis Riehle
Entscheidungen der dritten Gewalt sind in diesen Tagen oftmals ernüchternd. Denn nicht wenige Menschen in der Republik haben den Eindruck, dass auch die Justiz einer Willfährigkeit verfallen ist, die sie zu manch einem Urteil kommen lässt, das für den einfachen Bürger kaum noch nachvollziehbar ist – obwohl es doch im Namen des Volkes gesprochen wird. Und so stechen gerade diejenigen Beschlüsse hervor, die sich kritisch gegenüber Exekutive und Legislative äußern. Aktuell geschehen beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, welches in einer Eilentscheidung dem vorgebrachten Ansinnen des Nachrichtenportals „Nius“ folgte.
Dieses beantragte, das Bundesinnenministerium dazu zu verpflichten, entsprechende Auskunft zu erteilen, ob man in der Vergangenheit mit rechtlichen Mitteln gegen die Berichterstattung von Medien vorgegangen ist. Die einstweiliger Anordnung fordert nunmehr das Haus von Nancy Faeser zur Offenlegung einer potenziellen Strategie auf, die skeptische Presse über den Klageweg und andere Instrumente der Reglementierung von einer missgünstigen Darstellung der Ampel abzubringen. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass man sich nicht nur zum konkret vorliegenden Fall geäußert hat, bei dem es um Unterlassungsbegehren der Obrigkeit gegenüber der schreibenden Zunft aus dem Jahr 2022 ging.
Stattdessen scheinen die Roben ebenfalls ein prinzipielles Interesse daran zu erkennen, über das dominante Wirken der Regierung Aufschluss zu erlangen. Entspricht es also einer neuen Gangart der herrschenden Klasse, entweder gegen einzelne Zeitungen und deren Redakteure beziehungsweise publizistisch Tätige im Generellen zu Felde zu ziehen? Eine brisante und delikate Angelegenheit, dass anscheinend Zweifel bestehen, inwieweit sich das Machtkartell auf einem legitimen Kurs befindet, wenn es wiederholt darum bemüht ist, gewisse Verlautbarungen und Kundgaben unterbinden zu wollen, die einen argwöhnischen Fokus auf die Machenschaften des Establishments richten.
Daher kann man es durchaus als eine höchstrichterliche Beanstandung der von einer wachsenden Mehrheit in der Bevölkerung als autoritär und despotisch wahrgenommenen Linie zutage tretender Zensur und Repression wahrnehmen, was das OVG ausführt. Denn es brauchte nicht einmal das Verbot des Magazins „Compact“, um zu der Einsicht zu gelangen, dass von Seiten des Elfenbeinturms alles getan wird, um in der Öffentlichkeit einen Schein der intakten freiheitlichen Grundordnung zu aufrecht zu erhalten. Man wollte also keine Erkundungen darüber zulassen, ob es aktuell zu einer schlichten Methode geworden ist, unliebsame Journalisten durch Untersagungen und Zügelungen mundtot zu machen.
Dass dieser Schuss nach hinten losgegangen ist und zu einem Bumerang wurde, welcher nun als nicht anfechtbarer Tadel zur Preisgabe aller Anstrengungen ermahnt, Transparenz über die nahezu inflationär angestiegene Zahl an Prozessen zu schaffen, mit der sich beispielsweise auch andere Kabinettsmitglieder wie Entwicklungshilfeministerin Schulze gegen investigative Recherchen wehren, stellt einen Meilenstein in der jüngeren Historie dar, totalitäre Bestrebungen zu entlarven. Es besteht aus der Perspektive des unabhängigen Außenstehenden ein gesellschaftlicher Bedarf an Entwirrung jenes meinungsregulierenden Gebarens, das auch im Errichten von Meldestellen seinen skurrilen und besorgniserregenden Ausdruck findet.
Ohne allzu viel Interpretation anzuwenden, darf man aus den Zeilen der Abwägung des sechsten Senats durchaus das Verlangen entnehmen, Klarheit über die Frage zu schaffen, ob wir eigentlich noch in einer Demokratie leben, in der Artikel 5 GG als Fels in der Brandung steht. Was aus der subjektiven Betrachtung und dem Empfinden des Einzelnen wohl rasch beantwortet werden kann, wäre bei einem objektiven Beweis über die strukturelle Gängelung von ungenehmen Reportern durch die Koalition von Olaf Scholz das ernüchternde wie erschütternde Eingeständnis, dass sich der Staat in manchen Bereichen möglicherweise sogar über die Verhältnisse der DDR hinausgewagt hat. Daher gilt Dank Julian Reichelt und seinen Kollegen, die tatsächlich etwas Großem auf der Spur sein dürften.
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