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Blockadehaltung als bayerisches Kontinuum: Im Landtag herrscht „ihre“ Demokratie!

Kommentar von Dennis Riehle

Murmeltiere sind possierliche Mitgeschöpfe. Wer sie einmal live erlebt hat, der findet auch deshalb rasch zu ihnen, weil sie überaus zuverlässig und gewieft erscheinen. Immerhin grüßen sie zumindest täglich. Und sie erweisen sich deshalb als ein Kontinuum. Gleichsam müssen sie nicht für alle Bereiche des menschlichen Lebens ein Vorbild sein. Sie werden dann zu einem Problem, wenn aus ihren Rufen eine Gewohnheit wird, die den individuellen oder gesellschaftlichen Alltag stören. So nehmen wir wiederkehrende Mechanismen gerade in der Politik als Hindernis wahr, sollten sie penetrant dazu genutzt werden, die demokratische Teilhabe zu beschränken und sich gegen Prinzipien unserer Herrschaftsform aufzulehnen. Wir kennen das Werkzeug der Blockadehaltung mittlerweile nur allzu gut. Schließlich ist gerade auch der Parlamentarismus ungewollt mit dem Instrumentarium der Brandmauer schikaniert, obwohl doch gerade im Plenum der Ort sein sollte, an dem sich der Wille des Volkes in seiner Schönheit und Pracht entfalten kann. Doch statt den Auftrag der Wähler ernst zu nehmen und ihn authentisch in die Realität umzusetzen, erfahren wir von einem Kartell an Parteien aus CDU bis Linken nahezu stündlich, wie die Definition ihrer Wirklichkeit lautet. Da spielt es keine Rolle, auf welchen Platz die Bürger die AfD bei den Abstimmungen gesetzt haben. Denn das ebenmäßige Abbild der Resultate macht spätestens vor dem Präsidiumspult in Bundes- und Landtagen Halt.

Wieder und wieder versucht die Alternative für Deutschland, ein höchstrichterlich zwar nicht als festgeschriebenes Gesetz, gleichwohl zu einer Gepflogenheit gewordenes Anrecht auf einen Vizeposten zu ratifizieren. Sobald es aber um einen von Haldenwang und Kollegen diffamierten Wettbewerber geht, vergessen die sich als die Guten postulierenden Kräfte jeden Anstand und Respekt vor dem Votum des Souveräns. Ob nun in Berlin oder München: Die geschmähte Opposition versucht mit Hängen und Würgen, jene Gegebenheiten zu negieren, die nicht in die Ideologie einer elitären Abgehobenheit jenes Bremsklotzes passen, welcher das Durchstarten der Blauen auch deshalb händeringend zu unterbinden bemüht ist, weil man sehr wohl weiß, dass eine Sitzung anders verlaufen würde, nähme auf dem angewärmten Stuhl neben Bärbel Bas oder Ilse Aigner ein Stellvertreter Platz, der die Würde der freiheitlichen Grundordnung bis ins Mark aufgesogen hat – statt mit Ordnungsrufen und Bußgeldern gegen Meinungen in der Aussprache vorzugehen, die den Regierenden verständlicherweise kaum in den Kram passen können. Und so lehnt man beharrlich den regelmäßig auf der Agenda stehenden und vor Normalität und Gewöhnlichkeit strotzenden Wunsch des Konkurrenten ab, in voller Gänze partizipieren zu können. Auch im Maximilianeum stand aktuell wieder zur Debatte, einen Abgeordneten an die Seite der zeitweise wie eine unantastbare und engelsgleiche Gestalt daherkommende CSU-Grandin zu stellen, um einen Zustand der Gerechtigkeit zu erwirken.

Schließlich ist es nicht nur ein Unding, sondern ein Affront gegen all jene, die ihr Kreuz bei einem bis heute nicht verbotenen Gegner des Establishments gemacht haben, Teilhabe zu versagen. Ihnen wird ein Abgesandter im das legislative Verfassungsorgan widerspiegelnden Gremium aberkannt, weil man sich wie ein trotziges und bockiges Kind in den Sandkasten zurückzieht, um Schäufelchen und Eimerchen nicht mit denen teilen zu müssen, die auch argumentativ häufig überlegen erscheinen. Denn blickt man in das Protokoll 19/30, so liest man in der Vorstellungsrede des Mandatars Oskar Lipp, der von der AfD ins Rennen geschickt wurde, bemerkenswerte Ausführungen, die die Sesselkleber provozieren müssen. So formulierte er in deren Richtung: „Die Bayerische Verfassung will aus gutem Grund, dass alle Kinder ‚im Geiste der Demokratie‘ erzogen werden. So steht es in Artikel 131 Absatz 3. Denn was Hänschen nicht lernt, das lernt der Hans nimmermehr. Wenigstens die bürgerlichen Abgeordneten unter Ihnen sollten sich die Frage stellen, ob Sie sich von linker Gesinnung und Feinderklärung weiter dominieren lassen  wollen. Gegen die Herrschaft der Gesinnung über das Recht steht immer noch das  Verfassungsrecht. Auch Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes verbietet die Diskriminierung wegen  politischer Anschauungen. Demokratie umfasst das ganze Volk und verbietet den Ausschluss auch nur von Teilen des Volkes durch ‚Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses‘ – so das Bundesverfassungsgericht“.

Und er konfrontierte weiter: „Was ist zum Beispiel von der ersten ‚vertrauenswürdigen‘ Organisation namens ‚REspect!‘ […], die aus Linksradikalen mit einem Imam an der Spitze besteht, zu halten? Diese Leute haben eine eindeutige Gesinnung und werden zukünftig darüber entscheiden, worüber sich auch die CSU noch austauschen darf. Das ist wirklich Wahnsinn, meine Damen und Herren. […] Ihr erster Schritt aus dem Kult der Ausgrenzung wäre ein Schritt hin zur Treue zu Ihren traditionellen Werten. Zu diesen  gehörte auch einmal die bayerische Liberalitas gegenüber Andersdenkenden. Dann käme der nächste Schritt von ganz allein, nämlich die Gleichbehandlung unserer Fraktion. Deshalb appelliere ich an Ihr demokratisches Gewissen, sich nicht länger gegen diejenigen zu verbünden, mit denen Sie durchaus Fundamentales teilen. In den Worten der Bayerischen Verfassung: ‚in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und [ganz] im Sinne der Völkerversöhnung'“. Schaut man sich die Erwiderungen an, so finden wir des Pudels Kern, wir erkennen die Ursache für den Zustand, in der sich unsere Republik befindet. Weil der 29-jährige Betriebswirt die „Identitäre Bewegung“ als eine NGO bezeichnete – wie beispielsweise manch eine andere Partei teils höchst fragwürdige, ökosozialistische und vor radikalen Aktionen nicht zurückschreckende Vereinigungen wie „Greenpeace“ gleichfalls als „Vorfeldorganisationen“ betitelt -, holte exemplarisch Toni Schuberl von den Grünen die typischen Killerphrasen aus dem Köcher hervor, die jeder argumentativen Auseinandersetzung den Stecker ziehen.

Er stellte profan fest: „Herr Lipp, Sie haben ja soeben Ihr rechtsextremes Gedankengut deutlich gemacht“. Mit diesen einfältigen, kindlichen und eine große Enthemmung zur Schau stellenden Kraftausdrücken wird die Inhaltsleere deutlich, mit der sich ein auf Bundesebene nahe der Einstelligkeit bewegendes Habeck-Bündnis seiner charakterlichen und kognitiven Schwäche entlarvt. Und es dürfte gleichfalls ein Stück weit Neid im Spiel sein. Denn der im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Tourismus, Wirtschaft, Energie und Medien sitzende Oberbayer mit reichlich beruflicher Erfahrung und einer beachtlichen Leistungsbilanz stellt eine Zumutung für jene dar, die über die zweifelsohne hehre Tätigkeit als Küchenhilfe kaum hinausgekommen sind. Sein abgeschlossenes Studium hebt ihn ebenfalls von der Karriere manch eines Toaster-Verkäufers oder Drei-Euro-Döner-Lobbyisten ab. Deshalb ist es ein Offenbarungseid von Karrieristen, die vor allem durch Vitamin B in ihre Position gelangt sind – und sich nunmehr, über den Dingen schwebend, vom kleinen Mann abgewendet haben. Denn auch in Sachen Bürgernähe, Engagement und Tüchtigkeit besticht der frühere Referent für Öffentlichkeitsarbeit in der bayerischen Landtagsfraktion der AfD. Daher endete wiederum eine bühnenreife Theateraufführung mit dem erwartbaren Befund nach dem Urnengang. In der Manier des Anfangs erwähnten Alpentierchens verkündete man das routinierte und doppelmoralische Bild, wonach Lipp mit 141 Nein- zu 27 Ja-Stimmen nicht ins Landtagspräsidium aufgenommen wird. Und so nahm die Alternative für Deutschland bisher mehr als 20 Mal Anlauf. Und über 20 Mal leugnete die Mehrheit der Anwesenden die Demokratie.