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Berichte über Abstoßungstendenzen: Lässt die AfD ihre Jugend fallen?

Kommentar von Dennis Riehle

Als Journalist lernt man einen wesentlichen Grundsatz: Glaube nicht alles, was über die Ticker geht. Und zweifle vor allem an dem allzu Offensichtlichen. Und so sind die Meldungen mit Vorsicht zu genießen, wonach sich die AfD bemühen soll, ihre Nachwuchsorganisation abzustoßen – und die Heranwachsenden künftig unter die Kontrolle der Parteiobersten zu stellen. Schon in der Vergangenheit gab es ähnliche Schlagzeilen. Daher sollte man zunächst auf tatsächliche Bestätigungen warten. Trotzdem ist es dieses Mal tatsächlich auffällig, dass eine Vielzahl von Medien über diese scheinbaren Pläne berichtet, die Junge Alternative vor allem deshalb auszugliedern, weil man im Wahlkampf befürchtet, sie könnte eine zusätzliche Last sein. Sofern dies der Wahrheit entspricht, wäre das nicht nur eine Bankrotterklärung für die Blauen. Stattdessen kommt es einem Harakiri gleich, gerade denjenigen das Vertrauen zu entziehen, die maßgeblich dazu beitragen, den Wahlergebnissen Substanz und Fundament zu geben. Denn es ist gerade diese kommende Generation, die massiv von den Grünen in das rechte Spektrum wechselt. Ihnen sind wesentliche Erfolge zu verdanken, die man gerade deshalb eingefahren hat, weil es kaum einen besseren Werbeträger in den sozialen Medien geben kann, als couragierte Leute unter 30.

Allein der Umstand, dass eine Behörde des ehemaligen Präsidenten Thomas Haldenwang und seine Vertreter in den Ländern der JA das Etikett der Verfassungsfeindlichkeit angeheftet haben, darf doch gerade für Alice Weidel und Tino Chrupalla kein Hinderungsgrund sein, sich mit Vehemenz und Rückgrat hinter die Mittzwanziger zu stellen. Es ist dieser politischen Kraft leider immanent, dass sie sich immer wieder von den eigenen Leuten abgrenzt. Man hatte es beispielsweise mit Blick auf die Abstimmung zur Neubesetzung des Europäischen Parlaments erlebt, als sich das Berlinger Führungsduo nur deshalb des Spitzenkandidaten Maximilian Krah entledigte, weil dieser in einem Interview eine unglückliche Debatte angestoßen hatte. Es droht ein massiver Rückfall in die Zeiten von Jörg Meuthen, als man sich vor allem wirtschaftsliberal und milde konservativ gab, ohne aber ein echtes Alleinstellungsmerkmal und authentisches Profil vorweisen zu können. Aus der Furcht davor, in Karlsruhe mit einer zusätzlichen Bürde auftreten zu müssen, weil das Vorfeld patriotischer tickt als die Riege der höheren Funktionäre, erwägt man den Bruch mit den Sprösslingen, die nicht nur in den Umfragen für deutlich zweistellige Werte sorgen. Stattdessen sind sie ein wesentlicher Kitt für den Zusammenhalt eines Gefüges, welches nicht erst seit gestern durch liberale und gemäßigte Lager zu kapern versucht wird.

Befasst man sich beispielsweise mit den internen Konflikten in Nordrhein-Westfalen, wo mit Vehemenz daran gearbeitet wird, den beliebten Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich mundtot zu machen, so kann einem durchaus Angst und Bange werden, was die Zukunft dieses einzig kritischen Gegners eines schwarz-rot-grün-gelben Einheitsbreis aus Anpassung, Progressivismus und Moderne angeht. Lässt er sich tatsächlich von den Etablierten treiben, die mit fehlerhaften und widerlegbaren Stellungnahmen von vermeintlichen Experten das Narrativ über eine angeblich völkische Gesinnung hochhalten – und auf Grundlage gerichtlich widerlegter Märchengeschichten ein Verbot anstrengen wollen? Wo sind das Selbstbewusstsein, die Standhaftigkeit und Stabilität, sich einer solchen Verschwörung zu verweigern – und stattdessen schützend vor jenen zu stehen, die in ihren Reifejahren entdeckt haben, dass Nationalstolz kein Verbrechen ist? Man sollte doch eigentlich wissen, dass eine Einstufung durch die Spitzel des Staates kaum noch ein Gewicht hat bei der Abwägung des Bürgers, welchem Wettbewerber er beim Urnengang sein Votum gibt. Was soll nun also diese hektische Distanzeritis, die zu einer erheblichen Unruhe unter den Mitgliedern führen dürfte?

Denn ein derartiger Vorgang kann durchaus den Dolchstoß bedeuten. Ist man sich gerade vor Ort im Klaren darüber, dass Argwohn, Skepsis und Verdacht gegenüber den Zukünftigen das Todesurteil eines ganzen Konzepts darstellt? Offenbar scheint die Tragweite der Pressekommentare völlig an den Verantwortlichen vorbeizugehen, die sich jenen zu beugen drohen, welche aus einer echten Option für den enttäuschten und überzeugten Anhänger heimatverbundener Tugenden und Werte einen bloßen Abklatsch der CDU machen wollen. Man kann in diesen Stunden also tatsächlich fragen: Quo vadis, echte Opposition? Schließlich kommt es zum denkbar schlechtesten Augenblick, sich kurz vor der Vertrauensfrage mit Querelen zu beschäftigen, die man völlig unnötig vom Zaun gebrochen hat. Mir obliegt es in meiner Rolle nicht, irgendeinen Ratschlag zu erteilen. Allerdings will ich zu bedenken geben, dass mit dem Schritt einer Okkupation der Basis Auflösungserscheinungen verbunden wären, die bis nahe an den Exodus reichen würden. Schon der Umstand, dass man im Programm auf die Begrifflichkeit der Remigration verzichtet, um den linken Strömungen nicht zu sehr auf die Füße zu treten, war ein Armutszeugnis. Die jetzigen Vorkommnisse sind dagegen ein Sargnagel – und ein schlichter Ausdruck von Feigheit, Unvernunft und Ideologie.