Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Migration, Wohnen, Sparen: Was Österreichs erste Dreierkoalition plant“ (aus: „Tagesschau“ vom 27.02.2025)
Nicht nur bei persönlichen Schicksalsschlägen gilt das Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“. Und so ist diesseits wie jenseits des Arlbergs im Augenblick gerade auch die politische Verbitterung enorm. Schließlich wird Österreich eine Regierung aus drei Partnern bekommen, deren Bündnis der Souverän keinesfalls präferiert haben dürfte, sah er es wohl kaum auf ein Miteinander der Verlierer ab. Bei unseren Nachbarn findet sich mit ÖVP, SPÖ und NEOS ein Dreigestirn zusammen, das ideologisch ähnlich polarisiert ist wie unsere hiesige Ampel. Der Neoliberalismus und Sozialismus sind nun einmal diametral unterschiedliche Weltanschauungen, welche man im Zweifel nur dann zueinander bringen kann, fokussiert man sich allein auf Macht und Einfluss. Den Pinkfarbenen um Beate Meinl-Reisinger geht es um ihren ersten größeren Auftritt auf Bundesebene seit langem. Schließlich dümpelte man lange Zeit wie der ideologische Partner FPD auf der Stelle – und konnte für bloße Achtungserfolge samt Einzug ins Parlament dankbar sein.
Es braucht Mut, ein Bekenntnis zu einer Zweckehe mit einem ideologischen Widersacher abzulegen. Immerhin dürfte es parteiintern nicht unumstritten sein, sich mit dem durch manch eine kommunistische Parole auf sich aufmerksam machenden Andreas Babler an einen Tisch zu setzen, der selbst einen Punktsiegt allein aufgrund seiner ohnehin umstrittenen Person und Position braucht. Da geistern Schreckgespenster namens Enteignung oder Weltoffenheit ebenso unverhohlen durch den Raum wie das Credo, dass Geld im Zweifel an Bäumen wächst – und Migration eine Sicherstellung für Rente und Arbeitsmarkt sei. Dass die Konservativen nach den gescheiterten Verhandlungen mit den Freiheitlichen einer äußerst fragilen Kooperation ihren Segen erteilen, die bereits an der Budgetfrage wiederholt zu scheitern droht, unterstreicht ihren schweren Stand nach dem massiven Misstrauensvotum bei der Nationalratswahl. Zwar sehnt sich niemand so recht nach Sebastian Kurz. Doch die Türkisen schippern mit ihren Interimslösungen einigermaßen orientierungslos umher.
Und genau in diesem Bildnis überschneidet sich die Situation hier wie da. Ebenfalls in Deutschland fürchtet man ein „Weiter so“, das für die Herausforderungen der Gegenwart keine Antworten bietet, sondern ein Werkeln an Stellschrauben und Kurieren von Symptomen verspricht. Eine klassische „Große Koalition“ wird sich angesichts des dramatischen Verlusts bei der SPD nicht finden. Die schwarz-rote Angola-Liaison strauchelt schon vor den eigentlichen Gesprächen, weil die Sozen den NGOs zur Hilfe kommen, von denen die Union eine Offenlegung ihrer Finanzen und Förderungen durch den Staat und Steuerzahler fordert. Erpressungen und Nötigungen sind ein denkbar schlechter Ausgangspunkt für ein ohnehin längst abgenutztes Duo, das Angela Merkel zum kleinsten gemeinsamen Nenner machte – und gegenüber dem nur dann eine Erwartungshaltung artikuliert werden kann, gibt man sich mit temporären Grenzkontrollen ebenso zufrieden wie einer Abschwächung des Heizungsgesetzes und ein bisschen Sparen in der Entwicklungshilfe.
Merz, Pistorius und Klingbeil sind das geborene Gespann für Kriegstüchtigkeit, was insbesondere im Osten zu massivem Argwohn führen dürfte. War dort doch das Thema Frieden für viele Menschen entscheidend in der Abwägung, wo sie ihr Kreuz auf dem Stimmzettel setzen. Ohnehin führt das Aufrechterhalten einer Brandmauer in Kontaktscham zur AfD mittlerweile bei einer Mehrheit für Kopfschütteln. Ohne konsequente Abschiebungen und Rückführungen in die Heimatregionen bleibt die Gefahr für tägliche Messerangriffe auf unseren Straßen immanent hoch. Und solange wir uns nicht vom CO2-Narrativ verabschieden und der Transformation den Rücken kehren, werden nicht nur Schlafschafe Investitionen ins Klima tätigen, das sich einigermaßen unbeeindruckt von diesen Subventionen zeigt. So entpuppt sich der einfache Bürger als Trottel allerorten, muss er in einer merkwürdigen Auslegung der Demokratie sich erneut hinnehmen, dass man an seinem Willen vorbei Beziehungen schmiedet, die – ob nun in Wien oder Berlin – eine äußerst kurze Halbwertszeit haben könnten.