Kommentar von Dennis Riehle
Wer sich an einer Definition versucht, was unter Journalismus zu verstehen ist, der wird möglicherweise an der Feststellung ansetzen, dass die publizistische Arbeit ein authentisches Abbild der Nachrichten, Schlagzeilen, Diskussionen, Entwicklungen und Geschehnisse in einer Gesellschaft und über den Tellerrand hinaus liefern soll. Die vierte Gewalt ist dabei nicht nur demokratischen Standards unterworfen. Sondern insbesondere auch ihrem Berufsethos und Leitlinien wie dem Pressekodex oder Programmaufträgen. Darin festgehalten sind unter anderem die Tugenden von Wahrhaftigkeit, Sorgfalt, Objektivität, Vollständigkeit und Angemessenheit. Gleichzeitig sind Redakteure nur Menschen, die als Bürger und Wähler dieses Landes parteiliche Präferenzen haben. Zumindest als Privatmensch kann man deshalb auch völlig ungeniert mit einer bestimmten Kraft oder Weltanschauung sympathisieren. Und in einigen Formaten unseres Genres ist es auch legitim, diese beispielsweise in Kommentaren oder Meinungsäußerungen öffentlich zu artikulieren.
Doch es gibt Grenzen der Huldigung einer expliziten Denkweise wie dem Zeitgeist. Inakzeptabel ist daneben ein ständiges Gemeinmachen mit den Regierenden. Und gerade in diesem Aspekt versagt ein Großteil der Branche nicht erst seit gestern. Wer schon länger im Geschäft ist, den haben Ergebnisse einer Studie nicht überrascht, wonach eine Überzahl der Schreiberlinge dieser Nation mit einer linken Philosophie liebäugeln. So bekennen sich über 40 Prozent meiner Zunft zu den Grünen. Sie sind also dramatisch überrepräsentiert, wenn man sich vor Augen führt, dass Robert Habeck und sein Dunstkreis mittlerweile stündlich mit der Einstimmigkeit ringen. Für die „Focus“-Kolumnistin Nina Brockhaus war es nach eigenen Angaben „bestürzend“, diesen Befund zu hören. So schreibt sie in einem aktuellen Beitrag, dass diese Tendenziösität ein massives Problem für die Medienlandschaft sei. Auch sie könne zwar an ein oder zwei Händen abzählen, wie viele konservative Kollegen es gibt. Gleichzeitig scheint sie tatsächlich schockiert angesichts einer Diagnose, mit der man zweifelsohne hadern muss.
Denn es ist einerseits die bittere Erkenntnis, dass sich unter denjenigen nicht einmal ein Hauch von Realität widerspiegelt, die die Nation täglich über die Aktualität unterrichten sollen. Andererseits ist es aber das schlichte Attest, wonach es politischen Autoren oftmals nicht gelingen kann oder will, ihre eigene Färbung dort aus ihren Texten zu halten, wo man die Öffentlichkeit schlichtweg auf dem Laufenden halten, aber eben nicht moralisieren soll. Es ist keinesfalls ein falscher Anwurf, dass in vielen Blättern und Sendungen Propagandismus und Demagogie Einzug gehalten haben. Man versteht sich als Erzieher, der dem Souverän bei der Bewusstseinsbildung nicht nur unter die Arme greift. Sondern ihn gar betreut – und ihm beschönigte, manipulierte, selektierte oder verzerrte Fakten und Gegebenheiten mundgerecht anreicht. Man möchte auf Teufel komm raus verhindern, dass sich der mündige Konsument bei der Entwicklung seiner Ansichten, Standpunkte und Überzeugungen allzu sehr von ökologischen, vielfältigen und emanzipierten Traumvisionen wegbewegt.
Während es meinerseits seit jeher das Ziel gewesen ist, den Auftrag vollendet zu sehen, wenn ich dem Leser oder Zuschauer eine umfassende Perspektive dargeboten habe, mit der er autonom und unabhängig imstande ist, eine individuelle Betrachtungsweise anzunehmen, scheint dies den willfährigen Muckrakern ungenügend. Sie vermögen sich nicht mit Ergebnisoffenheit abzufinden, sondern beharren darauf, dass das Gegenüber die Dinge genauso sehen muss wie sie selbst. Dass diese Mentalität mit Vehemenz um sich greift, begründet sich auch in der absolutistischen Erwartung wachsamer und korrekter Gutmenschen, die sich bei Funk und Fernsehen wohl nicht zuletzt deshalb beworben haben, weil sie so an einer großangelegten Gehirnwäsche mitwirken zu können. Wie wohlwollend sie mit Migration, Transformation und Rezession umgehen, ist schon ein Lehrstück an Naivität, die man augenscheinlich nur dann aufrechterhalten kann, wenn man unser Metier nicht als Dienstleistung, sondern als Mission versteht.
Und da ist es nicht nur die Kolorierung, die mir unter meinesgleichen Sorge bereitet. Viel eher ist es die mangelnde Selbstreflexion, Kritikfähigkeit und Distanz zur persönlichen Gesinnung. Aber eben auch zur Geisteshaltung expliziter ideologischer Wettbewerber in Macht und Einfluss, denen man doch eigentlich auf die Finger schauen sollte, anstatt sich mit ihnen zu verbünden. Überraschend ist all dies nicht. Aber hinnehmbar ebenso wenig. Und daher scheint es richtig und konsequent, dass alternative Angebote auf dem Markt unterschiedlicher Informationsquellen florieren. Es gehört nicht mehr zur Selbstverständlichkeit, „Tagesschau“ oder „Süddeutsche“ als das unverrückbare Ultimum zu begreifen. Es sind die Privaten, aber auch freie Portale und Kanäle, die unter Beweis stellen, dass man im Zweifel sogar ohne unerschöpfliche Finanzierung durch Gebühren qualitativ hochwertig oder gar besser sein kann als jene, die nun einmal durch mehr oder weniger direkte Förderung mit den Herrschenden innig verwoben sind. Daher sei der Einzelne ermutigt, sich von ÖRR und Co. zu emanzipieren – und seinem Verstand mehr Vertrauen zu schenken als dem Märchenerzähler auf der Mattscheibe.
[…] Allein auf weiter Flur: Der konservative Journalist als Rarität im linksgrünen Medienkartell! […]