Kommentar zum Artikel „‚Schleich dich, Helferich!‘ – Hunderte bei Demo gegen Rechtsextremismus“ (aus: „Merkur“ vom 07.04.2025)
Nein, auch in der AfD ist nicht alles Gold, was glänzt. Und schon gar nicht ist sie ein Ort der Glückseligkeit, an dem sich alle in Friede, Freude und Eierkuchen in den Armen liegen. Überall dort, wo unterschiedliche Typen zusammenkommen, menschelt es. Das ist keine besonders neue Erkenntnis, sondern liegt unserer Spezies immanent in den Genen. Insbesondere dort, wo der Reiz von Macht und Einfluss ausgesprochen hoch ist, vergisst man bedarfsweise auch die gute Kinderstube – und lässt sich auf ein unwürdiges Schauspiel ein, Rivalitäten und Missgunst über das Ansehen von Partei und Land zu stellen. Man erinnere sich beispielsweise an den nicht wirklich geglückten Umgang mit dem Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah.
Er hatte zwar zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt eine Diskussion losgebrochen, von der man erahnen konnte, dass sie in der Öffentlichkeit instrumentalisiert wird. Denn in unseren Breiten über die individuelle Schuld von Mitgliedern der SS zu debattieren, ist stets ein risikobehaftetes Unterfangen. Trotzdem war es einigermaßen voreilig von Tino Chrupalla und all den anderen Repräsentanten in der Führungsriege, sich daraufhin Erpressungsversuchen aus Paris hinzugeben – und den Frontmann kurz vor den Abstimmungen mit einem Auftrittsverbot zu belegen, statt Marine Le Pen und ihren Mitstreitern in Brüssel die Stirn zu zeigen. Auch hier kein Bekenntnis zu den eigenen Leuten, weil die Anschlussfähigkeit einer „konservativ-libertären Kraft auf dem Spiel steht.
Aber weil die Gier nach Aufmerksamkeit, Potenz und Dominanz zu den besonders ausgeprägten Bedürfnissen in unserer Zivilisation gehört, achtet man bei Bedarf stärker auf Karriere und Eigennutz, statt immaterielle Ideale in den Vordergrund zu stellen. Und so kommt aktuell ein weiterer Fall aus Baden-Württemberg zur Unzeit, der ein obsoletes Rampenlicht auf Personalien lenkt. In dem ohnehin äußerst zerstrittenen Landesverband ringen verschiedene Strömungen um die Deutungshoheit von Programmatik, Kurs und Ausrichtung. Den dortigen Scharmützeln misst man auch deshalb besonders viel Bedeutung zu, weil es sich um die Gefilde der Co-Vorsitzenden Alice Weidel handelt, deren Nominierung als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl den Anstoß weitere Reibereien geliefert hat.
Ich denke aber beispielsweise auch an den Umgang mit dem beliebten Abgeordneten Matthias Helferich, welchen man momentan in Nordrhein-Westfalen mundtot zu machen versucht, weil er nicht erst mit einem Auftritt als Talahon im Plenum des Berliner Parlaments für Aufsehen und Applaus sorgte. Aufgrund seiner Nähe zur Basis ist er gefürchtet – und wird deshalb mit Anwürfen aus der Zunft der Gemäßigten versehen, für deren Authentizität und Richtigkeit es oftmals an unmissverständlichen Belegen fehlt. Hier wie dort lassen es die Blauen an Geschlossenheit, Solidarität und Einigkeit mangeln, die allerdings vonnöten wären, um einem nach Skandalen und Fehltritten gierenden Publikum kein weiteres Einfallstor für Diffamierung, Stigmatisierung und Etikettierung zu bieten. Trotzdem ist das Parteiausschlussverfahren nunmehr mitten im Gange.
Anlass hierfür ist ein offener Machtkampf gewesen, den Mandatar von sämtlichen Ämtern und Listenplätzen fernzuhalten, wähnt er sich dich in der Gunst des Wählers. Gleichzeitig bezichtigt man ihn, er habe den unliebsamen und vom Verfassungsschutz beobachteten Verleger Kubitschek wiederholt zu sich nach Dortmund eingeladen. Und nicht zuletzt rügen seine Gegner, er reise durch die ganze Republik und darüber hinaus, um als Redner seine Weltsicht zu verbreiten. Dazu kommen die alten Kamellen vom vermeintlich „freunden Gesicht des Nationalsozialismus“ oder ein Duftbäumen mit der Aufschrift „Raus mit die Viecher“, welche jeweils aus dem Zusammenhang gerissen und mit einer Intention versehen wurden, die man nur im Zuge von Böswilligkeit, Verleumdung und Schmähung an die große Glocke hängen kann.
Dass man sich hierbei auf Informationen verlässt, die aus internen und möglicherweise privaten Chats stammen, aber auch als einsehbare Posts in den Sozialen Medien den jeweiligen Kontext glasklar nachvollziehbar zur Schau stellen, schmälert einerseits die substanzielle Beweiskraft. Es zeigt aber auch auf, mit welch unlauteren Mitteln um die Herrschaft gestritten wird. Da bewegt man sich nahezu auf dem Niveau von Correctiv – und bricht eine Schlammschlacht vom Zaun, für die der NRW-Vorsitzende Vincentz und sein Dunstkreis die volle Verantwortung tragen. Immerhin wurden auch Journalisten wie ich bereits einzuschüchtern versucht, weil ich meine Solidarität mit dem Ratsmitglied wiederholt und ohne jede Abstriche nach außen vertrat. Und das schlichtweg aus dem einfachen Grund seiner angenehmen Demut, Bescheidenheit und Nahbarkeit.
Sein Konkurrent glänzte dagegen mit Überheblichkeit, Selbstdarstellung und Ich-Bezogenheit. Und weil es mein Beruf von mir verlangt, mit Fairness und ohne Tendenz zu einem Meinungsbild zu gelangen, stehe ich nach Möglichkeit unabhängig über den Dingen. Da ich darüber hinaus kein Mitglied bei den Alternativen und bin und frei hoffentlich frei von Voreingenommenheit, zählt für mich der Eindruck, den ich auf der Bühne oder in auf digitalen Plattformen von einem Gegenüber erlange. Welche genauen Befindlichkeiten bei den Rivalitäten im Hintergrund mitspielen mögen, ist für mein Werturteil von nachrangigem Belang. Jedenfalls wirft es kein allzu glückliches Licht auf die Widersacher und unsere Medien, sich im Wettbewerb mit allfälligen Nebenbuhlern weniger auf Charakterlichkeit und Fachkompetenz einer Person zu verlassen.
Sondern auf die plumpen Zuschreibungen des Extremistischen durch einen willfährigen Verfassungsschutz, Nutznießer von Affären und Propagandaschleudern in manch einer Redaktion zwischen Konstanz und Kiel. Der 36-Jährige, dem vermeintlich dem „völkischen“ Flügel Björn Höckes zuzurechnen sei, erwies sich im gesamten Manöver als souverän, zurückhaltend und gekonnt im Umgang mit der Berichterstattung. Seine ruhige, konzentrierte und besonnene Art sind erwiesenermaßen eine Bereicherung, das zeigten auch die Resultate vom 23. Februar 2025. Und so bleibt ein bitterer Beigeschmack, dass das Hauen und Stechen an verschiedenen Stellen innerhalb der AfD durchaus das Potenzial besitzt, das Schiff auf dem Weg zu den nächsten Urnengängen auch ohne jedes äußere Zutun von Presse und Regierung in einen Schlingerkurs zu versetzen, der so unnötig ist wie ein Kropf.
Autor: Dennis Riehle