Kommentar von Dennis Riehle
Was macht es mit mir, dass ich schwul bin? Eigentlich nicht sonderlich viel. Macht es mich zu etwas Besserem oder Schlechterem, dass ich die AfD wähle? Weder das eine noch das andere. Und wie verändert es mich in meiner Identität, dass ich unter Parkinson leide? Allerhöchstens marginal. Es gibt viele Eigenschaften, die einen Menschen auszeichnen. Ich selbst habe mich sowohl als Journalist wie auch als Bürger dieses Landes immer als einen einfachen Arbeiter im Weinberg der Demokratie verstanden. Denn letztlich hoffe ich, mit vielen meiner Merkmale im Einklang zu sein. Ich bekenne mich zu ihnen, bewerte sie allerdings auch nicht über. Und so kann ich auf ein kompensatorisches Verhalten verzichten, das in der Psychologie gerade bei jenen festgestellt wird, die eine massive Divergenz zwischen einem unterbewusst manifesten Minderwertigkeitsgefühl und einem nach außen völlig überzogenen Darstellungsdrang samt Hochmut und Arroganz aufweisen. Ihre Eigenwahrnehmung ist derart aus den Fugen geraten, dass das Empfinden und die Realität maximal auseinander klaffen.
Sie stellen sich als den erfolgreichsten Wirtschaftsminister aller Zeiten hin, gelten beim Volk allerdings als so unbeliebt, dass sie kurzerhand und nachvollziehbar mit manch einem zugespitzten Werturteil belegt werden – und vor dieser wirklichkeitsnahen Etikettierung in den Elfenbeinturm flüchten müssen. Nein, es ist nicht nötig, einander als Schwachkopf zu bezeichnen oder mit ekelerregenden Emojis zu provozieren. Doch wer tatsächlich mit sich im Reinen ist, der lächelt über solch einen Ausdruck von Missachtung auch deshalb, weil bei einer vernünftigen Reflexion vielleicht ein Fünkchen Wahrheit bei dem mitschwingt, was der Untertan der Obrigkeit anheftet. Wer über zwei Wochen seiner Amtszeit damit verbringt, Strafanträge zu stellen, weil man sich nicht nur in seiner Ehre verletzt fühlt, sondern vor allem bedacht scheint, Macht und Dominanz in Gängelung, Drangsal und Willkür zu beweisen, der offenbart eine histrionische und narzisstische Vorstellung über sich, aber auch eine massive Fehleinschätzung mit Blick auf die persönliche Leistung und ein Eingenommensein von Ideologie und Doktrin.
Es hat nicht unbedingt etwas mit Schwachheit im Kopf zu tun, sondern mit einer faktischen Charakterlosigkeit, wenn man sein Ansehen ein Stückchen höher hängt als die Unantastbarkeit Gottes. Da strahlt nicht nur der Schein um Längen heller als das Sein. Stattdessen sind es ein Offenbarungseid und eine Bankrotterklärung, nahezu geschäftsmäßig plumpe Meinungsäußerungen zu verfolgen, über denen man normalerweise stehen und sie allenfalls witzelnd beiseitelegen sollte. Wer sich durch Banalitäten in seinem Ego angegriffen sieht, der hat als Politiker seinen Beruf verfehlt. Und zeigt als Individuum ein ausgeprägtes Manko an solidem, freiheitlichem und verhältnismäßigem Verstand. Wir können uns nicht denjenigen erbarmen, die Sittenpolizei und Gesinnungsjustiz für ihre Zwecke missbrauchen. Denn sie haben keinerlei Respekt, sondern allenfalls Mitleid verdient. Angesichts dieses simplen Befundes muss der Deutsche endlich auf die Barrikaden gehen, nachdem man ihm nicht erst seit gestern ein fundamentales Grundrecht entzieht.