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Irritationen im rechten Lager: Trotz geplatzter Fusionen sind die Kleinparteien ein wichtiger Ausdruck des abweichenden Wählerwillens!

Kommentar von Dennis Riehle

Muss das wirklich sein? Diese Frage wird oft gestellt, wenn sich ein politisches Lager wieder einmal spaltet, weil manche Einzelpersonen in ihrer Eitelkeit und Hochmut aus einer Partei austreten, um selbst eine neue zu gründen. Zweifelsohne kann man den Vorwurf unterbreiten, mit einer solchen Zersplitterung werde die Geschlossenheit eines Spektrums aufs Spiel gesetzt, das doch eigentlich angewiesen wäre auf Einheit, Stabilität und Kontinuität. Und so diskutiert man auch in bürgerlich-konservativen Kreisen darüber, ob es tatsächlich zwischen CDU und AfD weitere Vertreter wie „Bündnis Deutschland“ oder „WerteUnion“ braucht. Diese Frage wird insbesondere dann aktuell, wenn Fusionen zwischen BD und WU beziehungsweise mit „Wir Bürger“ im Augenblick vor der Kippe stehen. Und so ist es beispielsweise die Diskussion über die Bedeutung, Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von neu auf dem Tableau der ideologischen Wettbewerber auftauchenden Kräften – die sich anfangs nicht selten in einer Findungsphase darüber bewusst und im Klaren werden müssen, welche programmatischen Ziele sie vertreten, die für manchen von uns überflüssig anmutet.

Ohnehin rechnet man ihnen keine Chance zu, auch nur annähernd in den Bereich der Fünf-Prozent-Hürde zu gelangen. Im Vorfeld von Urnengängen machen gerade die Etablierten deshalb Stimmung gegen diejenige Konkurrenz, welche es ihrer Meinung nicht ins Plenum schaffen. Jede Stimme für die „Kleinen“ sei verloren, diese Ansicht vertreten sogar Politologen. Doch damit verkennen sie nicht nur deren grundgesetzlichen Schutz, sondern auch ihre Funktion als Kitt für die Demokratie, die weit über das Zugegensein als ein nutzloses Ventil für unzufriedene Bürger hinausgeht. Denn selbst Konkurrenten, die den Einzug in Landesvertretungen oder den Bundestag gemäß Umfragen verpassen, haben neben einer verfassungsrechtlichen Legitimation auch keinerlei Grund zur Rechtfertigung. Jedes Kreuz auf dem Wahlzettel ist in Deutschland von gleichem Wert und Rang. Der Anspruch auf den Ausdruck des freien Urteilens des Souveräns garantiert die Würdigung und den Respekt vor sämtlichem Urteil des Volkes. Es gibt keine sorgfältig begründete oder gar moralische Verpflichtung, bei der Abwägung über die individuelle Entscheidung auf Angebote zurückgreifen zu müssen, die in den Parlamenten bereits vertreten sind.

Immerhin findet die für einen pluralistischen Staat so essentielle Opposition nicht nur in den legislativen Kammern statt. Es ist aus meinem Verständnis unserer repräsentativen Herrschaftsform völlig falsch, die Fürsprache gegenüber im Aufbau befindlichen Widersachern mit einer noch überschaubaren Mitgliederzahl, einer eingeschränkten Präsenz in der Peripherie oder einem beständigen Resultat unterhalb der Einzugsgrenze in die gesetzgeberischen Gremien als vergeben anzusehen. Denn während der Nichtwähler mit seiner Abwesenheit am entscheidenden Sonntag einen inhaltslosen Protest gegen die Zustände im Land oder ein generelles Desinteresse am momentanen Geschehen ausdrückt, formuliert eine Mehrheit derjenigen Bürger, die ihr Kreuz bei einer alternativen Partei abseits des eingefahrenen und abgeschliffenen Establishments setzen, einen bewussten Entschluss für eine explizit definierte und bestimmte Politik des Unterschieds, um sich von Tradition und Gewohnheit abzusetzen. Gleichsam ist es auch wahltheoretisch unsinnig, von unnötigen Voten für frisch dazugestoßene Akteure oder gar einer hergegebenen Mitwirkungsmöglichkeiten zu sprechen.

In der Differenz zur Gruppierung derjenigen Menschen, die im Zweifel eher zuhause bleiben, als sich in der Kabine unmissverständlich zu positionieren und damit eine generelle Aussage über den Zustand des Verhältnisses zwischen Obrigkeit und Basis zu treffen, ist die Anzahl der Stimmen für im Wachstum befindliche Mitstreiter außerhalb der Schaltzentralen im hauptstädtischen Berlin nicht selten ausschlaggebend für die Mehrheitsverhältnisse in den Abgeordnetenhäusern. Je höher ihr Prozentanteil nämlich ausfällt, desto schwieriger und anspruchsvoller wird die Koalitionsbildung werden. Damit nötigt der Einzelne den eingeschliffenen und abgestumpften Eliten die Auseinandersetzung mit der eigenen, der Programmatik möglicher Partner und letztendlich auch den Forderungen und Positionen der außenstehenden Bewerber ab. Deshalb verkörpern die „Sonstigen“ grundlegende Elemente der Partizipation. Innerhalb ihrer Reihen ist die Möglichkeit zur Mitgestaltung durch den engagierten Bürger wesentlich größer als in jenen politischen Vereinigungen, die durch jahrzehntelanges Wirken im Dunstkreis Verkrustungstendenzen aufweisen – und für einen Aufruf zu einem diametralen Richtungswandel kaum erreichbar sind.

Ihre Überzeugungen sind zwar oftmals über lange Zeit in einem internen Prozess gereift, gleichsam aber auch derart verfestigt, dass eine Kehrwende mit ihnen einigermaßen aussichtslos erscheint. Ihr Kurs mag zwar stringent und in gewisser Weise absehbar sein, doch auch dort sind Überraschungen nicht ausgeschlossen. Das zeigt beispielsweise die Wankelmütigkeit der Christdemokratie, welche im Augenblick täglich zwischen einer Präferenz für Banaszak, Wagenknecht oder Pistorius hin- und herschwankt. Auch dort erkennen wir nichts von Verlässlichkeit oder Gültigkeit von Versprechen, dem Willen des Volkes zu entsprechen und ein authentisches Abbild dessen zu garantieren, was die Hochrechnungen an Auftrag wiedergeben. Wer sich durch den Einheitsbrei einen Wandel erhofft, wird wohl viele Dekaden warten müssen, ehe eine neue Generation an Nachwuchs möglicherweise zu einem Aufbegehren abgewetzter Standpunkte bereit ist. Ob Schwarz, Grün, Gelb oder Rot: Schlussendlich taugen sie durch ihre festgefahrene Trägheit alle nicht für Reformen – und sind als relativ unbewegliche Elemente der systemischen Landschaft keine wirkliche Antwort und Alternative für die drängenden Fragen einer schnelllebigen und flexibel gewordenen Epoche.

Wer den Minis unter den Parteien ihre Daseinsberechtigung abspricht oder sie als überflüssige Versuche der Mitbestimmung abtut, befördert eine oligarchische Abstumpfung des Kartells, welches dem Grundsatz der Auswahl und damit einem Kern der freiheitlichen Ausformung unseres Gefüges zuwiderläuft. Dass ausgerechnet die Sprachrohre der besonders unverrückbaren Sesselkleber gegen frische Kontrahenten wettert, erklärt sich mit einem Blick in Erhebungen über die Dynamik des Wahlverhaltens der Deutschen. Selten in der jüngeren Vergangenheit waren der Stimmenanteil und Zuspruch für das Sammelsurium an jenen derart massiv, die in Prognosen unter ferner liefen auftauchen. Zusammenfassend lassen sich die Beweggründe dafür besonders bei einer näheren Betrachtung der Motive der Menschen erkennen, die erstmals ihr Vertrauen in einen dieser abgekanzelten Kandidaten gesetzt haben: Einerseits handelt es sich bei diesem Klientel vornehmlich um junge Bürger, die tendenziell weniger Bindungsstärke aufweisen und stattdessen zum raschen Wechsel neigen. Andererseits favorisieren sie das Unbekannte, weil man ihm einen über das Maß bisheriger Veränderungen hinausgehenden Fortschritt zutraut.

Losgelöst von einer starren Denkrichtung oder weltanschaulichen Fixiertheit, stattdessen aber pragmatisch, vernunftbezogen, praxisnah und von Alltagstauglichkeit geprägt, sind sie wagemutig und offenherzig für das Risiko, ihren Zuspruch den nicht durch Affären und Skandalen Vorbelasteten zu erteilen. Gerade die fehlenden Berufspolitiker verhelfen ihnen zu Glaubwürdigkeit. Denn einem überschaubaren Team traut man ein auf der Rationalität des einzelnen Verantwortlichen basierendes Handeln und Abwägen zu, das nicht auf strategische, taktische oder eigennützige Zwecke ausgerichtet ist. Viel eher agieren Funktionäre bei den „Newcomern“ unabhängig und aus der persönlichen Lebenserfahrung des kleinen Mannes heraus. Wer also solche wichtigen Scharniere in die Verdammnis schicken will, wird letztendlich von Sorge um den Verlust von Einfluss getrieben. Ohne die Existenz dieser Unkonventionellen wäre ein Ausbrechen aus eingetretenen Pfaden nahezu unmöglich. Sie sind Ort einer lebendigen und progressiven Fortentwicklung von Ideen und Konzepten, die über den Tellerrand hinausblicken. Und nicht zuletzt lehren sie denen das Fürchten, die sich in ihrem Glauben an immerwährende Majorität allzu selbstverständlich fest im Sattel der Macht sehen.