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Wider den Vertrauensverlust im Journalismus: Es braucht einen Gegenentwurf zu Restle, Klamroth und Hayali!

Kommentar von Dennis Riehle

Wie lebt es sich eigentlich als Journalist in der dritten Dekade des 21. Jahrhunderts? Ich kann nur feststellen: Ja, ich war mir mit der Ausbildung zu diesem Job bewusst darüber, dass das Metier kein Zuckerschlecken ist. Immerhin bin ich von der möglicherweise naiven Annahme ausgegangen, als Medienschaffender lebe man prinzipiell in Distanz, Kritik und Skepsis gegenüber den Mächtigen – und muss deshalb auch mit manch einem Gegenwind durch die Herrscher rechnen. Doch dieses Verständnis scheint schon lange kein Konsens in meiner Branche mehr zu sein. Galt es einst als hehr und tugendhaft für die Presse, mit Argwohn und Zweifel auf das zu blicken, was die Regierung in ihrem Elfenbeinturm veranstaltet, so scheint heute das Credo ein anderes. Anbiederung und Willfährigkeit gegenüber der Obrigkeit versprechen nicht nur Teilhabe an Macht und Einfluss. In vielen Fällen hängt die finanzielle und materielle Zukunft eines Reporters von der Gunst der Politik ab. Denn sie sitzt noch immer am längeren Hebel, wenn es um die Festsetzung der Rundfunkgebühren oder Förderungen für Zeitungen und selbsternannte Recherchezentren geht.

Doch bei allem Verständnis für monetäre Zwänge bleibt es für mich bis heute unvorstellbar, mein Gewissen an der Garderobe einer Redaktion abzugeben, in der nicht mehr die Publizistischen Grundsätze oder der Programmauftrag als Leitlinie gelten. Sondern die bestimmt ist von einer Richtschnur der Intendanten, die nicht zuletzt auch deshalb in ziemlich bequemen Sesseln weilen, weil sie vom Steuerzahler ausgepolstert wurden. Die Verwobenheit zwischen der vierten Gewalt und der Legislative scheint enorm. Und der Linksrutsch unter meinen Haltungskollegen ist es ebenfalls. Ich erinnere mich gut an manch ein Gespräch, als ich selbst noch aktiv im Beruf stand – und auch im progressiven Spektrum verortet war. Aus der jetzigen Perspektive war das nicht mehr als eine Beweihräucherung unseres Ichs. Wir versicherten uns gegenseitig, wie toll wir sind, wenn wir dem Konservativen widersprechen – und der Moderne frönen. Der Reiz, sich in unserer Zunft auf die falsche Seite in der Demokratie zu stellen, wenn wir unser Wohlwollen gegenüber der jeweils im Amt befindlichen Koalition bis zur Aufgabe jeglichen Rückgrates dehnen, scheint auch deshalb verlockender denn je, weil die Sendeanstalten und der Blätterwald nicht mehr nur mit der jetzt zerbrochenen Ampel eng verschmolzen sind.

 Stattdessen sitzt mittlerweile eine eingeschworene Zuschauerschaft vor dem Flimmerkasten, die bei jeder Diffamierung der AfD in die Hände klatscht – und Restle, Klamroth oder Hayali Applaus spendet, wenn sie wieder einmal Lob und Anerkennung für SPD, CDU oder Grüne übrighaben. Für mich wäre das ein unhaltbarer Zustand. Denn in meinem Badezimmer hängt ein Spiegel, in den ich jeden Morgen hineinschauen muss. Und würde ich dort jemanden entdecken, der sein Profil allein um Karriere und Euronen willen bis zur Unkenntlichkeit verwaschen hat, dann ginge das vielleicht einen oder zwei Tage gut. Auf Dauer könnte ich es nicht mit mir vereinbaren. So wäre ich spätestens zu diesem Augenblick abgesprungen und hätte mich gegebenenfalls in die Selbstständigkeit gewagt. Denn lieber bin ich mit mir im Reinen und verdiene etwas weniger, als dass ich gegen meine innerste Überzeugung anschreiben und mich zum Hofberichterstatter von Habeck oder Scholz machen muss.