Kommentar von Dennis Riehle
Und wieder einmal gibt eine deutsche Juristerei dem Inlandsgeheimdienst recht, die Alternative für Deutschland als entsprechenden Verdachtsfall führen und beachten zu dürfen. Dieses Mal ging es um den Landesverband in Baden-Württemberg, der durch seinen Vorsitzenden Frohnmaier völlig nachvollziehbar gegen ein vorliegendes Votum präsentiert. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim bestehen hinreichende Indizien dafür, dass die Partei wesentliche Prinzipien der Demokratie und des Grundgesetzes augenscheinlich ablehnt. Doch liest man sich die Entscheidung und ihre Begründung mit ein wenig Abstand, Distanz und Skepsis durch, dann taucht auch in diesem Beschluss wiederum eine voreilige und inkonsistente Schlussfolgerung auf, die die gesamte Argumentationskette zunichtemacht. Tragend für die Beurteilung ist nämlich nicht die Fragestellung, inwieweit es sich um eine möglicherweise als rechtsextremistisch einzuordnende politische Kraft handelt.
Sondern es bedarf des Nachweises darüber, dass sie beispielsweise gegen die unabgestufte Menschenwürde agitiert oder die Bundesrepublik in ihrer derzeitigen Staats- und Herrschaftsform zu überwinden versucht. Man unterstellt der AfD ein völkisches Weltbild, weil sie aufgrund der ungezügelten Migration der bösen und intoleranten Überzeugung anhängt, dass unsere kulturelle Identität und kollektive Unversehrtheit in Gefahr ist. Doch nicht nur die Wahrnehmung vieler Bürger in unserem Land geht genau in diese Richtung. Es ist kein plötzlicher oder akuter Umsturz, sondern eine sukzessive und in diesen Tagen immer deutlicher spürbare Veränderung im Geiste von Katrin Göring-Eckardt, wenn eine allen Gruppen und Verbünden auf diesem Globus immanente Autochthonie schrittweise zurückgedrängt wird – und aus einer prägenden Mehrheit eine beiseitegeschobene Minderheit resultiert. Denn es war die grüne Bundestagsvizepräsidentin, die während der Europameisterschaft die Debatte darüber eröffnete, ob unsere Nationalmannschaft auch dann erfolgreich wäre, wenn sie ausschließlich aus „weißen“ Spielern bestünde.
Das Thema Rassismus wurde also nicht durch die Blauen auf das Tableau der öffentlichen Debatte gehievt. Denn fälschlicherweise geht auch die oberste Instanz im Ländle davon aus, dass mit dem Beharren auf Wurzeln und Tradierung eine Ungleichbehandlung des Individuums ausschließlich aufgrund dessen ethnischer Herkunft einhergeht. Doch wer einen positiv konnotierten Patriotismus vertritt, der sieht den Fremden nicht automatisch als etwas Zweitrangiges an. In der Verfassung findet sich an keiner Stelle die Aufforderung oder Verpflichtung, eine bis auf die äußerste und absolute Vielfalt getriebene Gesellschaft zu erschaffen, da wir einer ad absurdum getriebenen Toleranz unterliegen würden. Stattdessen ist es beispielsweise Art. 116 GG, der zum Erhalt des deutschen Wesenskerns aufruft. Multikulturalismus mag allenfalls ein inoffizielles Ziel oder Leitbild sein, das sich aber gerade nicht aus Paragrafen ableitet, sondern allein einer Ideologie geschuldet ist.
Es ist eine verstandsmäßige Haltung für jede Gemeinschaft, zunächst das Wohl seiner inhärenten Mitglieder sicherzustellen. Damit verbindet sich allerdings kein minderer Wert für den Auswärtigen, der bei uns um Schutz oder Obdach ansucht. Wenn ich jemandem Vorzug gewähre, benachteilige ich dadurch nicht den Anderen. Denn so sind es die roten Roben in Karlsruhe, die es beispielsweise immer wieder als gerechtfertigt betrachtet haben, dass der Hiesige beim Erhalt von Sozialleistungen besser gestellt werden darf als jener, der bei seiner Ankunft in der Bundesrepublik keinen einzigen Cent in die Steuerkassen eingezahlt hat. Das Gleichheitsprinzip aus Art. 3 GG besagt lediglich, dass es an der Integrität des Einzelnen nichts zu deuteln gibt. Diese Unumstößlichkeit wird unter anderem aber bereits durch das Garantieren eines sozioökonomischen Existenzminimums erreicht. Es ist der Maßstab für das Mindeste, aber eben auch das Ausreichende.
Ich kann in der Programmatik der AfD weder hier im Südwesten noch auf der Bundesebene erkennen, dass dieser Konsens nicht mitgetragen würde. Eine überhastete Konklusion, aus der besonderen Zugewandtheit zur eigenen Spezies erwachse eine inhumane Ausgrenzung des Unbekannten, lässt sich offenkundig nicht untermauern. Und so holpert und stolpert man mit einer dürftigen Vermutung zu der vom Zeitgeist erwarteten Haltung, die Alternative für Deutschland müsse schon allein um der linken Zufriedenheit willen unter die Überwachung von Horch und Kuck gestellt werden. Dass es für diese Rechtfertigung allerlei Willkür braucht, verwundert in einer Dekade kaum noch, in der unsere Gerichte auf seltsamen Wegen wandeln. Was will man also erwarten, wenn kurzerhand Durchsuchungsbeschlüsse erlassen werden, um den kleinen Mann morgens aus dem Bett zu holen, weil sich ein pikierter Philosoph und semikompetenter Wirtschaftsminister in den sozialen Medien nicht als „Schwachkopf“ bezeichnet lassen will?