Die Meinung von Dennis Riehle
Heilsbringer sind etwas für die Religionen auf diesem Globus. Die Hoffnung auf einen Messias sollten wir im Bereich des Glaubens belassen. Denn weder Robert Habeck wird uns zu Milch und Honig führen, noch kann die AfD im Falle von Regierungsverantwortung Wunder vollbringen. Zweifelsohne ist es erlaubt und begrüßenswert, in der kritischen Opposition jenen Ausweg zu erkennen, der als einziger Lösungsansatz für die verschiedensten Krisen, Herausforderungen und Aufgaben von Gegenwart und Zukunft tauglich und tragfähig wäre. Und auch wenn ich als Privatmensch eine große Sympathie für die Alternative für Deutschland hege – und sie als Bürger dieses Landes auf dem Wahlzettel ganz unbehelligt ankreuze, so bin ich weit davon entfernt, sie zu idealisieren oder gar als etwas Übersinnliches zu begreifen, das uns per Fingerschnipsen aus den Fängen von irregulärer Migration, verkopfter Transformation und mutwilliger Rezession erretten wird. Bei aller Wertschätzung und dem Wohlwollen, welche ich den Blauen gegenüber stets an den Tag gelegt habe, will ich doch nicht verschweigen, dass ich mittlerweile auch dort Tendenzen wahrnehme, die wahrscheinlich jede Partei ab einem gewissen Augenblick ihrer Historie annimmt.
Es ist eine gewisse Anpassung an das Establishment, aber auch eine sich lösende Ebenbürtigkeit von Berufspolitikern, die im Falle von Macht und Einfluss ihre Nähe zum Souverän sukzessive aufgeben – und zumindest vom Duft des Elfenbeinturms betört werden, welcher die Distanz zu Hybris und Selbstüberschätzung nach und nach schmälert. Da hat man sich lange Zeit als Gegenmodell dessen gepriesen, was von CDU bis Grünen als Abgehobenheit gegenüber dem Untertan genüsslich zelebriert wird, wenn man sich am Wahlabend dazu entscheidet, das Votum an der Urne als einen Freifahrtschein für vier Jahre Dekadenz und Elitarismus zu verstehen. Wenn ich heute Kontakt zu manchen Abgeordneten der Alternative für Deutschland aufnehme, dann bekomme ich mittlerweile genauso selten eine Antwort wie von Mandatsträgern der SPD oder FDP. Man begeht den gleichen Fehler wie die Konkurrenz, hauptsächlich im eigenen Dunstkreis zu fischen – und sich beispielsweise in den sozialen Medien nur mit jenen auszutauschen und zu interagieren, deren Unterstützung ohnehin sicher ist. Doch es wird auf Dauer nicht genügen, lediglich die Stammklientel bei Laune zu halten. Wer sich nicht dazu bereit erklärt, neue Schichten zu erschließen, der wird stehenbleiben – oder gar wieder schrumpfen.
Und so ist es eine tragische Entwicklung, dass sich ihre Repräsentanten zunehmend in der gleichen Arroganz von der Basis wegbewegen, wie dies auch als Entfremdung zwischen den Alteingesessenen und dem Fußvolk geschieht. Ich bin kein Berater der AfD, der ihr weise Ratschläge erteilen könnte. Als Journalist beobachte ich lediglich Geschehnisse und Ereignisse, um mit einer gewissen Ernüchterung festzustellen, dass man sich zumindest in Sachen herablassender Anmaßung in den rivalisierenden Blöcken aus „Guten“ und „Bösen“, aus „unseren“ und „ihren“ Demokraten nicht mehr viel schenkt. Da sind es die Sesselkleber der Ampel oder der Union gleichermaßen, wie namhafte Persönlichkeiten aus den Reihen um Alice Weidel und Tino Chrupalla, die bisweilen vergessen, dass sie in ihre Ämter nur deshalb gekommen sind, weil ihnen von der Graswurzelbewegung das Vertrauen ausgesprochen wurde. Doch statt Dankbarkeit für diese Chance, vernehme ich bedauerlicherweise auch bei der Alternative eine gewisse Hochnäsigkeit und Süffisanz, sobald man es sich in Posten und Diäten häuslich eingerichtet hat. Gleichwohl gilt auch hier – wie generell -, dass diese Feststellung natürlich nicht auf alle zutrifft. Denn zur Ehrlichkeit gehört Differenzierung stets dazu.
Ich habe viele bescheidene, zurückhaltende und überaus menschliche Charaktere kennenlernen dürfen, die sich in einer angenehmen Weise von all jenen abheben, die den Stimmberechtigten nur als Sprungbrett für die eigene Karriere betrachten. Und insbesondere, weil es mir nicht egal ist, was aus einer politischen Kraft wird, die für mich momentan die ausschließliche Option ist, in unserem Land die Notbremse zu ziehen, den Rückwärtsgang einzulegen und die letzte Ausfahrt vor dem Aufprall zu nehmen, sorge ich mich ein Stück weit darum, dass nicht nur interne Querelen wie etwa um den beliebten Matthias Helferich, das Hadern mit dem Vorfeld und der Jugend oder eine beständige Distanzeritis gegenüber Höcke und Krah zu einer Gefahr für die Stabilität werden könnten. Sollte es nicht gelingen, vor Geltungsbedürfnis und Hochmütigkeit nur so strotzende und aufgeblähte Solisten wieder einzufangen und auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, könnte man letztlich das Alleinstellungsmerkmal riskieren und einbüßen, das als wesentliches Pfund für gute Umfragewerte gilt. Denn die Republik ist wahrlich gesättigt mit insolenten und blasierten Traumtänzern, denen es weder um Partei noch um Volk, sondern ausschließlich um das persönliche Ich geht.
[…] Zwischen Blasiertheit und Arroganz: Auch die AfD ist nicht immun gegen das Berufspolitikertum! […]