Kommentar von Dennis Riehle
Wer im Geiste einer Doppelmoral handelt, der sieht den Splitter im Auge des Anderen, ohne den Balken im eigenen zu erkennen. Und so gehört es mittlerweile vor allem zu einer linken Weltanschauung, beispielsweise um die Welt zu jetten – und sich in der Karibik mit einem herzzerreißenden Video an seine Influencer zu wenden, das auf den dramatisch ansteigenden Meeresspiegel als schreckliche Konsequenz des bösen CO2 für unser Klima aufmerksam macht. Oder man reist in die Ukraine und preist die dortigen AKW als Zukunftstechnologie an der Front – um in Deutschland den Abriss der letzten Kernkraftwerke mit Vehemenz voran zu treiben. Man verordnet den Bürgern einen Heizungswechsel, ist aber über eine lange Zeit nicht in der Lage, bei sich selbst eine Wärmepumpe zu installieren. Man preist die Vorzüge einer veganen Ernährung, um gleichzeitig eine Pizza mit Schinken und Salami zu verdrücken. Oder man hofiert das Lastenrad als umweltfreundliche Alternative zum Verbrenner – und holt im selben Atemzug seine Kinder mit dem SUV aus der Schule ab. Doch auch in den Medien hat sich eine Tugend durchgesetzt, die mit den Publizistischen Grundsätzen weder vereinbar ist, noch in irgendeiner Weise dem beruflichen Ethos des Journalisten gerecht wird. Ein typisches Beispiel dafür liefert aktuell die Redaktion der „Zeit“.
Sie will bei ihren Konkurrenten der „Schwäbischen“ einen Rechtsruck erkannt haben, seitdem sich in den dortigen Schreibstuben eine gewisse Objektivität und Fairness gegenüber der AfD eingestellt hat. Denn wer aus Sicht der Guten und Besseren heutzutage nicht dazu bereit ist, als vierte Gewalt verbal auch einigermaßen martialisch auf eine unliebsame Partei einzuschlagen, der bewegt sich – wie jedes Mitglied, Sympathisanten oder Mandatsträger der Alternative für Deutschland – nach Meinung der geifernden Masse auf dem Pfad der Anrüchigkeit, Verwerflichkeit und Verfassungsfeindlichkeit. So arbeitet man sich an einer behaupteten Nähe zwischen einem Presseorgan und den Blauen ab, um aber schon einige Tage später mit einem Artikel aus seinem Hause zu beweisen, was Willfährigkeit tatsächlich bedeutet. Man betitelt ihn nahezu lyrisch als „Hymne auf die scheidende Grünenchefin“ – und bietet eine bisher wohl einzigartige Lobhudelei auf Ricarda Lang, die am Ende des Beitrags derart mit Komplimenten überhäuft ist, dass sie kurzerhand den Rang zwischen Gott und dem Messias himself einnehmen könnte. Man darf sich selbstverständlich als Muckraker der Hofberichterstattung verschreiben. Und man darf sogar an eine abtretende Parteichefin appellieren, wieder auf die Bühne des Rampenlichts zurückzukehren.
Doch man sollte sich dann nicht wundern, wenn der Speichel der Anbiederung aus den Mundwinkeln tropft – und ein Platz im Dunstkreis der Mächtigen gesichert ist. Aber genau dorthin gehört man als der beständigen Distanz, Kritik und Skepsis gegenüber den Herrschenden verpflichtete Zunft eigentlich nicht. Weil im Deutschland des Jahres 2024 allerdings viel von dem möglich ist, was noch nicht einmal vor einer Dekade als undenkbar schien, reibe ich mir auch nur kurz die Augen, wenn meine Haltungskollegen den Boden des noch halbwegs vertretbaren Meinungsbeitrages verlassen – und mit ihrem Text in das Poesiealbum eines heranwachsenden Teenagers passen würden, der sich als Fan einer Persönlichkeit mit vermeintlich engelsgleichen Charaktermerkmalen outet. Da werden ihr nicht nur eine Fehlerkultur und Smartness bescheinigt, sondern gar altmodische Werte angedichtet. Im angesprochenen Auswurf der einst noch als solide und unabhängig geltenden Zeitung trieft es nur so vor kollektivem Lobbyismus und individueller Hingabe. Man umschreibt malerisch die Ideale eines Politstars, der menschlich gesehen bestimmt nicht zu den Böswilligsten unter seinesgleichen gehört. Programmatisch, weltanschaulich und gesinnungsethisch verkörpert er jedoch Positionen, die aktuell keinesfalls en vogue sind. Lang hat sich mit ihren Standpunkten dagegen inmitten jener ökosozialistischen Manier platziert, die die Bundesrepublik wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich in die desaströse Ausgangslage seit langem führt.
Doch von dieser Mentalität der Abrissbirne liest man in der Kolumne ebenso wenig wie von der prinzipiellen Empfindlichkeit, die die nur noch kommissarisch im Amt befindliche Funktionärin der Grünen exemplarisch auf Plattformen wie X an den Tag legt. Sie blockiert nahezu jeden, der inhaltliche Widersprüche in ihrer Denkweise aufzeigt. Kommunikation und Interaktion betreibt sie vor allem innerhalb ihrer Community. Und bei klassischen Fragestellungen des Hier und Jetzt postuliert sie den gleichen apokalyptischen Weg, der auch von ihrem Wirtschaftsminister eingeschlagen wurde. Sie preist die Massenmigration, die Energiewende und die Geschlechterlosigkeit – und ist damit eingebettet in die Talfahrt der Umfrage- und Wahlergebnisse. Aussichtslos scheint aktuell das adäquate Stichwort, will man den Zustand ihrer Partei passend beschreiben. So verlässt sie noch knapp vor dem endgültigen Untergang das sinkende Schiff, auf dem immer mehr Akteure zu hilflosen und händeringenden Maßnahmen wie Zensur, Denunziation und Repression greifen. All diese Aspekte bleiben in der Kommentierung der „Zeit“ ausgespart. Und so vermag ich unter dem Strich nichts Anderes zu attestieren als einen in diesem Maß der beweihräuchernden Süßholzraspelei wohl singulären Freundschaftsdienst zwischen Blätterwald und Elfenbeinturm.