Kommentar von Dennis Riehle
Oberflächen sind eigentlich eine ganz nützliche Angelegenheit. Denn sie schützen darunter liegende Strukturen vor Schäden und Einflüssen. Doch sie verleiten auch dazu, sich mit dem tiefen Inneren gar nicht erst auseinanderzusetzen. Und so gehört es zum Zeitgeist im 21. Jahrhundert, dass oftmals ein Eindruck von der Fassade genügt, um sich ein abschließendes Urteil zu bilden. Insbesondere auch mit Blick auf die Politik und die Medienlandschaft scheint der dortige Reiz groß, im Zweifel allenfalls die Parteifarbe zu betrachten, um anschließend darüber zu befinden, wie man eine gewisse Position, aber auch einen Menschen zu betrachten gedenkt. In meiner Ausbildung wurde mir vor allem auch der Wert der Fairness als ein wesentliches Instrument sachgerechter, sorgfältiger und solider Berichterstattung nahegebracht. Hinter ihr verbirgt sich der Anspruch, nicht mit einer vorgefertigten Meinung konform zu gehen, sondern gerade bei besonders offensichtlichen Schlagzeilen zu einem persönlichen Dafürhalten zu kommen. Und so habe ich mich stets bemüht, vor allem reißerische Meldungen nicht für bare Münze zu nehmen. Sondern sich insbesondere dann über die Tatsächlichkeit zu vergewissern, wenn ein gewisser Umstand allzu augenscheinlich ist.
Deshalb vertraue ich mittlerweile nur noch selten darauf, was meine Kollegen an Fakten und Einordnungen präsentieren. Dies gilt in diesen Tagen vor allem und notwendigerweise bei sämtlichen Kommentaren und Behauptungen zur AfD. Landauf und landab wird sie diffamiert, gebrandmarkt und gegängelt. Und nicht zuletzt mit Missachtung schikaniert. In dieses Kontinuum passt es nur allzu adäquat, dass eine als Provinzposse anmutende Beiläufigkeit in der angepassten Presse untergeht. Da spielen sich in der Peripherie nämlich ähnlich skandalöse Vorgänge ab wie im hauptstädtischen Berlin. Zum unzähligen Mal hat der Landtag in München der Alternative für Deutschlanderneut den Posten des Vizepräsidenten versagt, weil das Plenum selbstredend niemanden in politische Verantwortung bringen will, der aufgrund bestechender Klarheit zu manch einem blauen Wunder beitragen könnte. Die Schreiberlinge aus den verschiedensten Redaktionsstuben griffen sämtliche Themen aus der Plenarsitzung auf. Gleichsam blieb die jeglichen parlamentarischen Gepflogenheiten widersprechende Ausgrenzung des aufgestellten Kandidaten – welch Überraschung – nahezu in allen Beiträgen unerwähnt. Man mag sich nun fragen, warum sich ein gar nicht mehr im aktiven Berufsleben befindlicher Journalist vom Bodensee für die Vorgänge im Maximilianeum interessiert.
Für die Antwort kehre ich wieder zurück zu meinem ursprünglichen Gedanken. Denn ich habe mich – im Gegensatz zu vielen Vertretern meiner Zunft – nicht nur ausführlich mit der Programmatik einer politischen Kraft beschäftigt, der man nahezu täglich einen neuen Stempel aufdrückt, ohne ihn zuvor überhaupt in substanzieller Farbe getränkt zu haben. Ich begleite auch in den sozialen Medien verschiedene Funktionäre und Mandatsträger dieses gescholtenen Konkurrenten, weil ich mich eben nicht mit einem Erahnen durch die Fensterscheibe zufriedengebe. Stattdessen wage ich die Begegnung mit denen, die angefeindet und denunziert werden. Schließlich gibt es bereits genügend Sprachrohre der Regierenden, die es sich im Elfenbeinturm der Macht gemütlich gemacht und jede Distanz verloren haben. Da ist es nur allzu gerecht, dass auch der stigmatisierte Gegner einen ideellen Anwalt der vierten Gewalt an seine Seite gestellt bekommt. Und so stehe ich nun seit geraumer Zeit mit demjenigen in Kontakt, welchen man erwartungsgemäß am 8. Oktober abblitzen ließ, als es um das Amt des Stellvertreters von Ilse Aigner ging. Ferdinand Mang gehört für mich zu den integersten, bescheidensten und glaubwürdigsten Abgeordneten, die ich bisher kennenlernen durfte.
Deshalb gelange ich bei einer Beschäftigung mit seiner Biografie, seinem Wirken, Denken und Handeln zu einem völlig anderen Votum als beispielsweise die nicht ohne Grund ihren Namen tragende „Bayerische Staatszeitung“. Sie hatte in einem Artikel vom 4.12.2020 unter der Überschrift „Der Abtrünnige“ ein vermeintliches Portrait gezeichnet, das sich bei skeptischer Herangehensweise eher wie ein reißerischer Abgesang auf einen Rechtsanwalt liest, der seit 2018 das Prädikat „MdL“ trägt – und das völlig berechtigt. Denn Volksvertreter sollten sich nur dann als selbige schimpfen, wenn sie auch ernsthaft dazu willens sind, die Interessen des Souveräns zu repräsentieren. Und das gelingt dem ehemaligen Anhänger der CSU auch deshalb so brillant, weil er einen überaus authentischen Wechsel zur AfD vollzogen hat. Angesichts der vielen Versäumnisse der Christsozialen wandte er sich von seiner angestammten politischen Heimat ab – und begann einen Prozess der Entpuppung, welcher allerdings nicht dort endete, wo ihn die Redakteure des angesprochenen Artikels sehen wollen. Nach ihrer Auffassung gehört er nicht zu den „Gemäßigten“ in seinen Reihen – wobei man auf diese Zuschreibung schon allein daher bestens verzichten kann, weil sie Ausdruck von Beliebigkeit, Schwachheit und Inkonsequenz ist.
Stattdessen unterstellt man ihm eine fehlende Selbstreflexion, weil er sich entgegen seines nach außen höflich wirkenden Auftritts am Rednerpult Vokabular verschreibe, das durch zugespitzte und eindringliche Unmissverständlichkeit extrem anmute. In Wahrheit hebt es sich in einer angenehmen Weise von all dem Einheitsbrei ab, der von Söder oder Aiwanger als Fähnchen im Wind propagiert wird. Wer in diesen Tagen eine Meinung außerhalb des eingeebneten Denkhorizonts der Altparteien einnimmt, wird allzu rasch als radikal oder gar verfassungsfeindlich einkategorisiert. Da genügen bereits die Forderung nach Remigration, eine Skepsis zum Globalismus, Verärgerung hinsichtlich der Corona-Maßnahmen, das Hinweisen auf den desaströsen Zustand der deutschen Infrastruktur, den aufgeblähten Sozialstaat, den Missbrauch des Asylsystems, der Argwohn gegenüber Zensur oder das Eintreten für Kultur, Tradition und Prägung, um von Horch und Guck argwöhnisch bespitzelt zu werden. Befasst man sich näher mit Mangs Laufbahn, so könnte man zu jener Auffassung gelangen, die im Augenblick auch viele Wähler in sich tragen: Hat sich vielleicht gar nicht der Einzelne weiter nach rechts bewegt, sondern ist möglicherweise einfach der Kompass unserer Gesellschaft verrutscht? Sind die Konservativen schlichtweg linkslastiger geworden, worauf derjenige verständlicherweise reagiert, der nicht im Strom mitschwimmen möchte? Und ist all das, was noch vor einer Dekade als bürgerlich und mittig galt, nur deshalb plötzlich missgünstig und verwerflich, weil es die grüne Moral so verlangt?
Die angedichtete Verortung des heute 46-Jährigen im völkischen Spektrum überzeugt nicht. Wer seine Verlautbarungen in der Öffentlichkeit liest, der stellt eine große Deckungsgleichheit mit dem dar, was der gebürtige Nürnberger auch außerhalb des Rampenlichts äußert. Eine Diskrepanz erschließt sich keinesfalls. Tonalität und Wortschatz sind hier wie dort verhältnismäßig, verbindlich und wohlüberdacht. Das Bild, welches er von sich hat, ist weder von Überheblichkeit, Abgehobenheit oder gar Arroganz getragen. Er versteht sich als sozialer Patriot – und steht mit dieser Identität nicht nur auf den Fundamenten und Prinzipien des freiheitlichen Miteinanders. Denn Heimatliebe ist kein Verbrechen, sondern gar an mehreren Stellen unseres Grundgesetzes verbrieft. Viel eher bringt er darüber hinaus zum Ausdruck, was momentan fälschlicherweise als Populismus deklariert wird: Es ist dringender denn je, dass wir uns endlich wieder der finanziellen wie existenziellen Sicherheit, Integrität und Unversehrtheit der eigenen Bevölkerung zuwenden. Solidarität mit unseren Rentnern, Fürsprache für die ortsansässigen Betriebe, erstklassige Bildung für den Nachwuchs, weniger Geld für Kriege und Konflikte rund um den Erdball oder Zweifel an transatlantischen wie europäischen Bündnissen sind keine Standpunkte abseits des Zulässigen.
Sie ergeben im Kontext einer immer weiteren Selbstaufgabe der Bundesrepublik nur allzu viel Sinn. Auch den Vorhalt, Mang hänge querdenkender Verschwörungstheorien an, kann ich nicht nachvollziehen. Stattdessen wirken seine Ideen, Visionen und Vorstellungen über die Zukunft rational und pragmatisch. Ob es nun markante Formulierungen hinsichtlich einer islamischen Invasion auf unseren Kontinent, das Setzen auf Atomstrom und innovative Nutzungsmodelle einer vielerorts ein Revival erlebenden Technologie oder die Warnung vor einem Kollaps der Altersversorgung sind: Hier bewegt sich niemand auf anrüchigem Terrain. Stattdessen fußt sein Konzept auf der Hoffnung nach Erhalt des Geübten, Erprobten und Funktionierenden einerseits – und der bewussten Sensitivität über die tatsächlichen Herausforderungen der Gegenwart andererseits. Und weil er daneben seine Haltung nicht etwa hinter einer Maske der Freundlichkeit verbirgt, auch im Abseits der politischen Bühne Anstand und Tugendhaftigkeit kennt, ein verlässlicher und loyaler Wegbegleiter ist, eine außergewöhnliche Aufrichtigkeit mitbringt und Geradlinigkeit, Rückgrat wie Courage ohne Karrieresucht, Eigenüberschätzung oder Bühne zelebriert, wäre er eine perfekte Besetzung des Landtagsvizepräsidenten gewesen. Dass er es nicht geworden ist, war keine verpasste Chance. Sondern dem antidemokratischen Gebaren des Establishments geschuldet.
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