Kommentar von Dennis Riehle
Endet unsere Herrschaftsform direkt hinter den Eingangstoren des Deutschen Bundestages? Im repräsentativen System bestimmen wir durch die Abgabe unseres Votums bei den Wahlen seine Zusammensetzung. Das Volk entsendet Vertreter in diese Versammlung, um sich anschließend darauf zu verlassen, dass die Mandatare in seinem Sinne handeln. Doch können sie dieser Aufgabe auch hinreichend gerecht werden, wenn die Leitlinien innerhalb der Kammer ausschließlich der Selbstverwaltung unterliegen? Die Verfassungsrichter in Karlsruhe haben mit ihrem Urteil zu der Frage, inwieweit die AfD einen Anspruch auf den Vorsitz in Ausschüssen besitzt, letztlich eine Antwort gegeben, die nicht wirklich zufriedenstellen kann. Denn nach Auffassung der roten Roben obliegt die Entscheidung darüber, wer diese wichtigen Gremien leitet, ausschließlich den in der Geschäftsordnung hierfür vorgesehenen Institutionen und Mechanismen. So bleibt eine Angewiesenheit beispielsweise auf den Ältestenrat, das Präsidium und die Mehrheit der Mitglieder im Hohen Haus.
Nach Meinung der Juristen werden die Partizipationsrechte der Alternative für Deutschland nicht dadurch beschnitten, dass ihnen der Zugang zu Statuspositionen verwehrt bleibt, die im Alltagsgeschäft zwar eine maßgebliche Rolle spielen. Die sie besetzenden Personen verfügen jedoch nicht über Befugnisse, welche weit über die allen Parlamentariern gegebenen Teilhabemöglichkeiten hinausgehen. Dieser Argumentation kann man sich anschließen, man muss es allerdings nicht. Denn dass der Souverän mit seinem Willen ab einem gewissen Schlüsselmoment von der weiteren Mitsprache ausgeschlossen wird, weil das Kartell der Etablierten kurzerhand ein authentisches Abbild der Sitzverteilung in den internen Strukturen des Reichstags verwehrt, stellt trotz widerstreitender Beteuerungen ein zutiefst unehrenhaftes Verhalten der sich als die „Guten“ bezeichnenden Kräfte dar. Sie versuchen mit allen Tricks und Kniffen, die kritische Opposition von sämtlichen Dreh- und Angelpunkten auszusparen – und damit das Wahlergebnis am Ende doch zu verfälschen.
Das mittlerweile von der CDU bis zu den Linken reichende Lager hat sich mit der Geschäftsordnung ein parallel existierendes Regelwerk geschaffen, das dem normativen Zugriff durch den Stimmbürger verschlossen bleibt. Fairness, Gerechtigkeit und Chancengleichheit bleiben überall dort außen vor, wo sich die anmaßenden Verteidiger der Freiheit der Berufung verpflichtet fühlen, die Blauen durch jedwede Beugung und Drehung von Prinzipien oder Paragrafen von Macht und Einfluss fernzuhalten. Wer unsere Staatsform ernstnimmt und sie bis zum Schluss durchdekliniert, der kann sich mit dem Befund nicht zufriedengeben, wonach der momentane Ist-Zustand zwar grundgesetzkonform sein mag. Aber der Prüfung durch die oberste Instanz eben nur deshalb standgehalten hat, weil der Arm des Volkes nur bis ins Plenum, aber nicht in die Sitzungssäle der Gruppen, Beiräten und Kuratorien reicht. Normalerweise müsste man nun einen proaktiven Versuch der sich als die einzig Wahren schimpfenden Fraktionen erwarten, diesen zumindest für das Empfinden jedes undogmatischen Beobachters mangelhaften Zustand abzuschaffen. Doch dazu wird es nicht kommen. Denn das Gebaren der „Demokraten“ ist nur Fassade.