Kommentar von Dennis Riehle
Ein außenstehender Beobachter hat mir immer wieder attestiert, dass meine Existenz ziemlich armselig sein müsse. Neben dem Parkinson noch zahlreiche weitere Diagnosen, Erwerbsunfähigkeit, Pflegebedürftigkeit, Schwerbehinderung. Natürlich hätte es besser und anders laufen können. Aber es gibt Gegebenheiten, die man nicht verändern kann. Und deshalb ist die Annahme von Unabänderlichkeiten eine Tugend, die mich entgegen der bemitleidenden Worten von Externen zu dem Befund kommen lässt, dass es mir heute besser geht denn je. Schließlich gehören für mich zu einem gelungenen Dasein nicht unbedingt Perfektion, Fehlerfreiheit oder Karriere. Stattdessen spielt mit Blick auf Zufriedenheit vor allem auch mein innerer Seelenfrieden eine Rolle. Wenn ich also eine Kongruenz zwischen meiner tief verankerten Überzeugung, Persönlichkeit und Außenwirkung feststelle – und damit eine gewisse Authentizität vermittle -, dann bin ich mit mir im Reinen. Mittlerweile mangelt es mir an einer Dissoziation, welche mich ständig abgrenzen oder distanzieren lässt. Nicht zuletzt war es auch das Ankommen in meiner schon seit jeher immanenten Grundhaltung der Heimatliebe, der Vernunft und des Stolzes, die gerade auch während meiner aktiven Berufszeit als Journalist bisweilen verschütt ging. Heute stehe ich mehr denn je zu meiner Überzeugung – und führe keinen Kampf mehr mit einem imaginären Feind, um damit etwaige Minderwertigkeitskomplexe, Insuffizienzgefühle oder Versagensängste kompensieren zu können.
Anders scheint dies bei der mittlerweile für ihre Lebensaufgabe bekanntgewordenen Kolumnistin des „Focus“, Susan Arndt. In regelmäßigen Abständen veröffentlicht sie Texte, mit denen sie sich krampfhaft an der Alternative für Deutschland abarbeitet. Ihre Beiträge könnte man als den ständigen Leierkasten bezeichnen, mithilfe dessen sich manch ein Gestrandeter in der Welt der progressiven Beliebigkeit, Vielfalt und Unstetigkeit einen Sinn geben möchte. Sie ist zwar nicht die einzige Kollegin, die morgens vor dem Spiegel stehen dürfte, um sich nahezu obsessiv zu überlegen, welche blaue Sau sie heute durch das Dorf treiben könnte. Aber das Ausmaß der Verbissenheit ist durchaus singulär. Wie sich manch ein Süchtiger nach dem Erhalt eines neuen Rauschmittels wie im siebten Himmel fühlt, scheint diese Kommentatorin ebenfalls größtmögliche Erfüllung darin zu finden, einer von ihr offenbar verhassten Partei wieder einmal in die Parade gefahren zu sein. Über weite Strecken muten die Veröffentlichungen mittlerweile paranoid an, denn sie spinnt ein Schreckensszenario nach dem nächsten – und malt für den Fall, dass die AfD an die Macht kommt, dramatische Bilder an die Wand. Dass ein einst als integres, souveränes und qualitativ hochwertiges Magazin derartige Einlassungen publiziert, das sagt auch viel über die Redaktion aus, die offenbar keine Probleme damit hat, wenn wild mit Nazi-Vokabular um sich geworfen wird. Verfolgt und beseelt von der Überzeugung, dass Weidel keine Andersdenkenden neben sich duldet, übersieht sie in ihrem durchaus zur Sorge anmutenden Zustand geflissentlich, dass Zensur, Repression und Gängelung aktuell nicht etwa von der kritischen Opposition ausgehen – sondern von einer Regierung, die uns schrittweise in eine Despotie gleiten lässt.
So zeigt sich die Autorin sicher, dass diejenigen Angst haben müssten, die die „völkische“ Überzeugung der kurzerhand ins äußerst rechte Spektrum verorteten Widersacher nicht teilen. Dass eine solche Ideologie der Zugewandtheit zur eigenen Spezies nicht nur legitim ist, sondern explizit in Art. 116 GG als verfassungskonform normiert wird, dürfte diejenige nicht erkennen können, die schon wieder eine Geschichte aus ihrem Alltag kundtut – die man glauben kann, an deren Wahrheitsgehalt man allerdings ernsthafte Zweifel anmelden sollte. Nicht zum ersten Mal trifft sie zufällig auf eine Konstellation, aus der sie eine Erzählung macht, die wie ein gefundenes Fressen wirkt. Im Kontinuum zu ihren bisherigen Beiträgen muss man allerdings skeptisch sein, ob ihr Narrativ tatsächlich in der Wirklichkeit stattgefunden hat – oder es sich allein auf der Ebene ihrer Wunschvorstellungen abspielt. Da will sie also beim Einkaufen einen Disput zwischen einem Vater mit seinem kleinen Kind und einer älteren Dame beobachtet haben, welche sich über die Geschlechtsfrage des Zöglings lautstark unterhielten – obwohl es doch im Geist der linken Selbstbestimmung heutzutage gar keine Kategorisierung in männlich und weiblich mehr gibt. Zumindest beansprucht diese Haltung jene Professorin für Anglophone Literaturen von der Universität Bayreuth, die nicht zum ersten Mal durch einen Jargon auffällt, der die Schreckensherrschaft Hitlers in eklatanter Weise relativiert. So wirft sie Höcke, Chrupalla oder Krah also vor, mit ihrem Festhalten an der Binarität in die 1930er-Jahre zurückgefallen zu sein. Plakativ geht sie davon aus, dass die AfD ein Weltbild vertritt, in dem die Frau wieder hinter den Herd verdammt wird – und sich ohne Diskussion um die Erziehung der Kinder kümmern muss. Gleichzeitig moniert sie den vorsintflutlichen Spirit einer aus ihrer Sicht viel zu frühen Festschreibung der Nachkommenschaft als Knabe oder Mädchen – und breitet ihre Doktrin einer im Zweifel unendlichen Suche nach dem „Ich“ aus. Was für den Menschen mit ein wenig Restverstand als völlige Normalität gilt, platziert diese Gelehrte ohne jeden Skrupel in die Diktatur der Nationalsozialisten. Dass der Konservativismus in diesen Tagen eine Renaissance erlebt, muss sie bis zu dem kruden Tenor gereizt haben, wonach die Evolution mit ihrer natürlichen Zweigliedrigkeit ein Überbleibsel der „Faschisten“ sei, das man verurteilen, niederringen und abschaffen sollte. Ich habe in der Vergangenheit wahrlich viele Mitglieder meiner Zunft kennengelernt, die von Argwohn und Missgunst gegenüber dem Bewährten, Funktionierenden und Regelhaften zerfressen waren. Eine von blanker Erbarmungslosigkeit, Rache und Bosheit zerfressene Persönlichkeit wie jene, die sich im vorliegenden Artikel offenbart, ist allerdings auch mir bisher noch nicht untergekommen. Und so wünsche ich ihr von Herzen, dass sie ihren Neid auf eine gefestigte gesellschaftstheoretische, kulturelle und identitäre Philosophie wie die ihrer vermeintlichen Gegner irgendwann in den Griff kriegen möge.